Manfred Lütz zum Thema Sterbehilfe: „Man muss unterscheiden zwischen ‚töten‘ oder ‚Menschen sterben lassen'“

Der Verein „Sterbehilfe Deutschland“ will über die Schweiz aktive Sterbehilfe anbieten. Warum das gefährlich ist und sogar einen Druck zum Sterben auslösen kann, erklärt der Bestseller-Autor und Psychiater Dr. Manfred Lütz im Interview mit domradio.de aus christlicher Perspektive.

Bezüglich der Definition „aktive Sterbehilfe“ gibt Lütz zu bedenken, dass dieser Begriff „so harmlos“ klinge. Aus christlicher Perspektive bzw. aus dem Blickwinkel, dass es Gott gibt, betont er weiter:

„Man muss unterscheiden zwischen ‚töten‘ – da werden Menschen getötet – oder ‚Menschen sterben lassen‘. Wenn jemand nämlich sterbenskrank ist, dann ist es durchaus christlich und im Übrigen auch Papst Franziskus hat das noch mal betont. Aber töten, das ist uns verboten.“

Zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten ’selbstbestimmtes Sterben‘ und ‚aktive Sterbehilfe‘ betont Lütz, dass esein „Schlacht um Worte und deren Bedeutung“ gebe. Nach seiner Auffassung sei aktive Sterbehilfe keine Hilfe, sondern schlichtweg Tötung, die mit Worten wie ‚Selbstbestimmung‘ oder ’selbstbestimmten Sterben‘ beschönigt wird.

‚Selbstbestimmung‘ und ’selbstbestimmten Sterben‘ sehe er in Deutschland aber vor allem im Hospiz, wo der Sterbenskranke tatsächlich selber bestimme, wann und wie er stirbt. Wenn etwa ein Patient im Hospiz sage, dass er gern noch drei Monate leben möchte, weil sein Enkel aus Australien kommt – dann werde der Arzt im Hospiz ihm helfen, und auch noch die Lungenentzündung behandeln, sodass er so lange durchhält. Aber wenn ein Patient sage: „Herr Doktor, ich habe mit meinem Leben abgeschlossen, ich habe Krebs, ich möchte jetzt sterben – bitte lassen Sie mich“, dann werde der Arzt das tun, was der Patient sagt und die Lungenentzündung nicht mehr behandeln. Dabei kommt Lütz zu dem Schluss:

„Sterbenlassen ist keine Tötung. Das ist etwas sehr humanes und christliches und hat nichts damit zu tun, dass man mit allen Mitteln gegen den Tod kämpft. Das wäre etwas sehr unchristliches und manipulatives, so wie auch die Selbsttötung manipulativ ist.“

Weiter betont der Autor von Büchern wie „Lebenslust“ oder „Bluff! Die Fälschung der Welt“, dass eine rechtliche Regelung wie in den Niederlanden, aufgrund derer man Menschen töten könne, dazu führe, dass selbstbestimmtes Sterben in Deutschland für Schwerkranke, Demenzkranke und Behinderte nicht mehr möglich sei.

„Die stehen dann nämlich alle unter Druck, ihren Angehörigen und Mitmenschen nicht mehr zur Last zu fallen: Sie könnten sich ja töten lassen, es gibt dann ja eine rechtliche Regelung. Und wenn sie es nicht tun, dann stehen sie unter Druck. Deswegen ist es wichtig, dass wir keine gesetzliche Erlaubnis haben, dass Menschen sich töten lassen.“

Die sei eine große Gefahr für die gesamte Gesellschaft, wenn es eines Tages tatsächlich den ärztlich assistierten Suizid geben würde. Dies hätte dann Auswirkung „auf alle Millionen Arzt-Patienten-Beziehungen in Deutschland“. Er selbst müsse in seinem Beruf als Psychiater immer in den Augen des Patienten sehen, ob „dieser depressive Patient“ ihn bald fragen werde, ob er ihn töte? Auf der anderen reflektiere dann der Patient, ob auch der Arzt ihn töten würde, wenn er ihn frage. Das ändere die Atmosphäre zwischen Arzt und Patient.

Die momentane Regelung verschaffe dem depressiven, suizidalen Patienten, der zu ihm komme, die Gewissheit, dass er ihm zum Leben helfen werde. Nach erfolgreicher Therapie werde dieser sagen: ‚Was habe ich da für einen Quatsch gesagt? Gott sei Dank lebe ich noch.‘

Zum Thema Verdrängung von ‚Sterben und Tod‘ in der Gesellschaft ist Lütz der Meinung, dass dieses Thema nicht so sehr verdrängt werde. Man solle auch „aufpassen, dass man nicht von morgens bis abends an den Tod denkt“ und so das Leben aus den Augen verliert. Das Sterben an sich sei aber etwas sehr wichtiges. Dazu sagt er weiter:

„Wir Christen haben einen Sterbenden bei uns im Wohnzimmer hängen, am Kreuz: den Gottessohn Jesus Christus. Uns muss das sowieso bewusst sein.“

Die Gesellschaft rede heute viel mehr über das Thema ‚Tod und Sterben‘ als noch vor 40 Jahren. Es sei wichtig, dass man die Themen „immer mal wieder“ ins Bewusstsein hebt.

Quelle: domradio.de