Markus Lanz: Mediale Überzeichnung und Realität klafften bei Joseph Ratzinger weit auseinander
Der TV-Moderator Markus Lanz und der Psychiater Manfred Lütz haben ein Buch über ihr letztes Interview mit Papst Benedikt XVI. veröffentlicht. Das Buch mit dem Titel „Benedikt XVI. – Unser letztes Gespräch“ (Kösel-Verlag) beruht auf einem Gedächtnisprotokoll zum Interview, das die beiden am 30. April 2018 mit dem seinerzeit emeritierten Papst führten, der am Silvestertag 2022 im Alter von 95 Jahren gestorben war. Das Buch wirft ein überraschendes Licht auf einen der größten Theologen unserer Zeit, der so ganz anders geschildert wird, als er gemeinhin medial dargestellt wurde.
Lanz und Lütz beschreiben den ersten deutschen Papst seit fast einem halben Jahrtausend als einen eindrucksvollen Menschen, der sich von Hass und Bewunderung nicht aus der Ruhe bringen ließ und im Herzen heiter und bescheiden blieb, auch wenn ihn sein Schicksal wider Willen auf die große Weltbühne katapultierte.
Wie der Kösel-Verlag zur Veröffentlichung mitteilte, waren die beiden Autoren mit Papst Benedikt XVI. schon lange vor dem im Buch dargestellten Interview aus dem Jahr 2018 verbunden. Manfred Lütz begegnete Josef Ratzinger seit fast 40 Jahren zu verschiedenen Themen. Markus Lanz hatte ihn schon 15 Jahre zuvor bei einem Interview kennengelernt.
Lütz betonte, dass es ein „erstaunliches Gespräch“ gewesen sei, das er und Lanz mit dem emeritierten Papst im Kloster in den vatikanischen Gärten, wo dieser seinen Lebensabend verbrachte, führten.
Über Josef Ratzinger urteilen die beiden Autoren, dass er „der stille, bescheidene, beeindruckende Zeuge eines ganzen Jahrhunderts“ gewesen sei. Weiter schreiben sie:
„Doch er war, anders als die meisten, darüber auch zur Jahrhundertfigur geworden, deren wahre Größe für manche erst sichtbar wurde, als er von seinem Amt zurücktrat.“
Laut Verlagsmitteilung erlebten beide bei diesem Gespräch einen „ganz anderen Menschen als den, der in den Medien mitunter als ‚Panzerkardinal‘ oder ‚Großinquisitor‘ karikiert wurde“.
Im Buch stellen Lanz und Lütz nüchtern fest:
„Je größer die Persönlichkeit, je dramatischer die Geschichte, desto bescheidener kommt sie meistens daher.“
Für sie war Josef Ratzinger „aus diesem Holz geschnitzt“.
In seinem Beitrag berichtet Manfred Lütz auch über seine zahlreichen Begegnungen mit Kardinal Ratzinger. Besonders beeindruckt war er von dessen Aufmerksamkeit und Intellekt, was Lütz wie folgt darlegt:
„Auch wenn wir uns ein Jahr lang nicht gesehen hatten, knüpfte er stets bei unseren Gesprächen präzise da an, wo wir vor einem Jahr aufgehört hatten. Ich habe in meinem ganzen Leben nie einen Menschen mit einem auch nur annähernd so brillanten Gedächtnis erlebt wie Joseph Ratzinger und wohl auch nie jemand so Gescheites …“
In seinem Beitrag schreibt Markus Lanz, dass er im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit „viele Menschen getroffen und befragt“ habe und dass bei keinem „das mediale Bild, die Klischees und Vorurteile, die über ihn in der Öffentlichkeit existieren, mit dem tatsächlichen Bild“ übereinstimmte. Mit Blick auf Papst Benedikt XVI. stellt Lanz, der diesen 2003 erstmals persönlich erlebte, darüber hinaus fest:
„Es gibt nicht viele, bei denen mediale Überzeichnung und Realität so sehr auseinanderklafften wie bei Joseph Ratzinger. Der brillante, aber vermeintlich kalte Denker, der angebliche Wächter der reinen Wahrheit und Lehre war in der persönlichen Begegnung mit mir – und nur darüber kann ich berichten – ein anderer.“
Es seien „vor allem drei Begriffe“, die er mit diesem „außergewöhnlichen Menschen“ in Verbindung bringt und die da lauten: „demütig, warmherzig, bescheiden“. Joseph Ratzinger sei in seinen Augen „kein Kirchenfürst“, sondern „das genaue Gegenteil davon“ gewesen.
Beeindruckt zeigte sich der TV-Moderator von der Predigt, die Joseph Ratzinger vor dem Konklave der Papstwahl hielt und in der er beschrieb, was wirklich wichtig ist. Wie catholicnewsagency.com berichtet, legt Markus Lanz den Kerninhalt dieser Predigt im Buch „Benedikt XVI. – Unser letztes Gespräch“ wie folgt dar:
„Alle Menschen wollen eine Spur hervorbringen, die bleibt. Aber was bleibt? Das Geld nicht. Auch die Gebäude nicht; ebenso wenig die Bücher. Nach einer mehr oder weniger langen Zeit verschwinden alle diese Dinge. Das Einzige, was bleibt, ist die Seele, die Liebe und die Geste, die das Herz zu berühren vermag.“
Quellen: weltbild.de, domradio.de, catholicnewsagency.com, nzz.ch