Pastor Andreas Engelbert: „Sind wir bereit, Jesus auf neue, ungewohnte Weisen zu begegnen?“

Am heutigen Ostermontag erinnern sich Christen weltweit an die Begebenheit an die Emmaus-Erscheinung, von der das Lukas-Evangelium berichtet (Lk 24,13-35). Kleopas und ein weiterer Jünger waren am Tag nach Pessach in niedergeschlagener Stimmung von Jerusalem nach Emmaus gegangen und dabei dem auferstandenen Jesus begegnet, ohne ihn jedoch zu erkennen.

In seinen Gedanken zur Emmaus-Erscheinung geht unser geistlicher Begleiter Pastor Andreas Engelbert darauf ein, wie schwer es uns Christen manchmal fällt, außerhalb enger Glaubensmuster Jesus auf neue, ungewohnte Weise zu begegnen. Dabei geht er detailliert auf die Erfahrung der Emmaus-Jünger ein: Ostern für Kopf, Herz und Füße!

 

Anbei die Gedanken von Pastor Andreas zum Ostermontag 2022:

 

Stell Dir vor, es ist Ostern und Du verpasst es! Stell Dir vor, Jesus geht neben Dir und Du merkst es nicht!

So jedenfalls ist es den beiden Emmaus-Jüngern ergangen. Ein scheinbar fremder Wanderer schließt sich ihnen an und kommt mit ihnen ins Gespräch. Er fragt sie aus über die Ereignisse der letzten Tage in Jerusalem und sie erzählen von Jesus.

Die Jünger erzählen und erzählen – der Fremde hört zu – und sie merken einfach nicht, dass dieser Fremde, der da mit ihnen geht, genau der ist, von dem sie gerade sprechen: Jesus .Wie ist so etwas möglich? Lukas schreibt: Sie waren „wie mit Blindheit geschlagen“ oder nach einer anderen Übersetzung „ihre Augen waren gehalten, dass sie ihn nicht erkannten“. Wir kennen alle solche Situationen aus dem Alltag, wo wir etwas nicht sehen, was eigentlich ganz offenkundig ist. Etwas anders war die Situation der Emmausjünger schon, aber erstaunlich ist es doch, dass sie Jesus zunächst überhaupt nicht erkennen. Woran lag das? Zum einen daran, dass sie überhaupt nicht damit gerechnet haben, dass ihnen Jesus begegnen könnte.

Sie waren überzeugt: Jesus ist tot. Und tot ist tot – ganz gleich was da ein paar Frauen behaupten, selbst dann, wenn sie von Engelbegegnungen erzählen. Wir glauben nur das, was in unser Weltbild passt.

Wie ist das bei uns? Woran machen wir unseren Glauben fest? An historischen Ereignissen? An unseren Vorstellungen, wie Gott zu sein hat? An unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit? An unserem Weltbild?

Ich befürchte, wir ähneln den Emmaus-Jüngern mehr als wir wollen.

Wenn wir Jesus an einem Ort begegnen, wo wir nicht mit ihm rechnen, dann erkennen wir ihn oftmals nicht.

Wenn Jesus uns auf eine neue Weise begegnen will, mit einem anderen Gesicht, so wie wir ihn bislang noch nie gesehen haben, dann erkennen wir ihn meistens nicht. Je stärker wir festgelegt sind auf eine bestimmte Glaubensvorstellung („So ist Gott und nicht anders“) desto schwerer fällt es uns Gott auf eine neue Weise kennen zu lernen.

Sie seien beunruhigt durch das Gerede der Frauen, sagen die Jünger „Beunruhigt“ – sie merken nicht, dass diese Beunruhigung göttlichen Ursprungs ist.

Vielleicht klagst Du darüber, dass du so wenig von Gott spürst, so wenig mit ihm erlebst. Kann es sein, dass Jesus Christus, der Auferstandene, Dir gerade in dem begegnen möchte, was Dich beunruhigt?

Der Jesus, der neben den Jüngern geht, muss etwas anders ausgesehen haben, als der Jesus, wie sie ihn vorher kannten, sonst hätten sie ihn sicher gleich erkannt. Auch in den anderen Auferstehungsberichten wird Jesus nicht immer gleich erkannt. Es ist Jesus – und doch erscheint er auf eine neue Weise.

Sind wir bereit, ihm auf neue, ungewohnte Weisen zu begegnen?

Je enger Dein Bild von Gott ist, je konkreter Deine Vorstellung ist, wie Jesus zu sein hat, desto kleiner ist auch der Raum, den Du ihm lässt, Dir etwas Neues zu zeigen.

Glücklicherweise hat die Geschichte der Emmaus-Jünger aber einen anderen Ausgang. Sie endet nicht damit, dass die beiden weiterhin frustriert ihres Weges zogen und Jesus sie dann irgendwann unbemerkt verlassen hat. Die Emmaus-Jünger erleben ihr ganz persönliches Osterfest und diese Ostererfahrung besteht aus drei Teilen:

Schuppen fallen von den Augen

Der scheinbar fremde Wanderer erklärt den Jüngern die Zusammenhänge. Obwohl er sich am Anfang unwissend gestellt hat, weiß er um alles und er kann den Jüngern das erklären, was sie bislang nicht verstanden haben: Es musste alles so kommen, wie es gekommen ist. Jesus musste leiden und sterben, bevor er von Gott zum Herrn über diese Welt eingesetzt werden konnte. Wir haben heute vielleicht andere Fragen als die Jünger damals, aber die Erfahrung, dass wir manchmal in unserem Leben und Glauben mit Blindheit geschlagen sind, kennen wir doch auch. Wir kreisen und kreisen um dasselbe Problem wochenlang, vielleicht monatelang und erkennen keinen Ausweg. Und auf einmal gibt es so einen lichten Moment. Uns werden plötzlich Zusammenhänge klar, die uns zuvor verwirrend erschienen. Wir wissen, was wir tun müssen, obwohl uns vorher alles nur unklar erschien. Das ist das Wirken des Heiligen Geistes. Jesus versprach, dass er uns durch den Heiligen Geist in alle Wahrheit leiten will. Plötzlich wissen wir, wo es lang geht und was zu tun ist. (Das ist dann sozusagen für den Kopf). Hier ist unser Verstand angesprochen.

Aber Ostern erreicht noch weitere Dimensionen unseres Lebens:

Herzen beginnen zu brennen

So umschreibt die Lutherbibel die Erfahrung der Emmaus-Jünger. Nachdem Jesus bei ihnen eingekehrt war, nachdem er das Brot gebrochen hatte und in ihnen damit eine Erinnerung geweckt hatte, nachdem er vor ihren Augen entschwunden war, sagen sie zueinander: „Brannte nicht unser Herz…“ oder nach „Hoffnung für alle“-Übersetzung „Haben wir es nicht in unserem Innersten gespürt…“

Der Glaube ist nicht nur eine Sache des Kopfes, das Herz spielt eine ganz entscheidende Rolle.

Ostermomente sind die Momente, wo es einem warm ums Herz wird, wo man auf eine eigentümliche Weise spürt: Es gibt einen liebenden Gott – und dieser Gott ist mir jetzt ganz nah.

Das sind die Momente, wo unser Herz und unsere Seele berührt werden.

Das sind auch die Momente, wo wir zu Tränen gerührt sind. Wenn Menschen die Liebe Gottes erfahren, dann fließen oftmals auch Tränen. Dann sind unser Herz und unsere Seele angesprochen. Ich spreche nicht von einer frommen Gefühlsduselei, sondern von Augenblicken, wo sich Gott uns als liebender Vater in unserem Herzen offenbart oder wo wir Jesu als Heiland und Erlöser erkennen.

Und das hat Auswirkungen:

Menschen geraten in Bewegung

Wenn ich die Geschichte der Emmaus-Jünger lese, bin ich immer wieder darüber erstaunt, dass sie sich nach ihrer Begegnung mit Jesus gleich wieder auf den Weg zurück nach Jerusalem gemacht haben. Das war nicht mal eben kurz um die Ecke, das war eine mehrstündige Strecke, die sie wieder zurücklegen mussten – und das, wo sie doch eben erst in Emmaus, dem Ziel ihrer Reise angekommen waren. Die Jünger laufen zurück nach Jerusalem. Der Rückweg geht schneller als der Hinweg. Sie wollen den anderen Jüngern berichten, was sie erlebt haben und kommen gar nicht zu Wort, denn auch die haben etwas erlebt und etwas zu erzählen.

Wer die gute Nachricht von der Auferstehung Jesu hört, der kann das nicht für sich behalten, der wird in Bewegung gesetzt, um dies anderen weiterzusagen.

Ostern für Kopf, Herz und Füße – das war die Erfahrung der Emmaus-Jünger vor fast 2000 Jahren und ich wünsche mir, dass dies auch unser Osterfest 2022 prägt.

Ich wünsche jedem in diesem Jahr eine besondere Ostererfahrung – vielleicht im Kopf, dass Dir etwas neu klar wird, es Dir wie Schuppen von den Augen fällt; oder im Herzen, dass Dich in Deinem Innersten das Gefühl erreicht, es gibt einen lebendigen und liebenden Gott und der Dich meint; oder in den Füßen, dass Du, wenn Du Dich auf den Weg zu anderen Menschen machst, dabei erlebst: Jesus ist dabei – und er zeigt sich Dir und anderen neu. In diesem Sinne ein frohes und gesegnetes Osterfest!