Foto: Markus Kosian

Pater Christoph Kreitmeir: „Christi Himmelfahrt ist vor allem ein Reifetag“

In seiner Predigt zu Christi Himmelfahrt (Lesung: Apg 1, 1-11; Evangelium: Lk 24, 46-53) beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir den Tag der Himmelfahrt Jesu als Abschiedstag und insbesondere als Reifetag.

 

Anbei die Worte seiner Predigt:

Sie kennen wohl das Gefühl. Sie haben einen lieben Menschen verabschiedet. Sie stehen am Straßenrand und haben dem Auto nachgewunken. Am Bahnhof ist der Zug abgefahren. Sie drehen sich um und gehen nach Hause. Ein Einschnitt. Ein Stück trauriger Leere umgibt Sie, weil das, was miteinander war, nun vorbei ist.

Mit ähnlichen Gefühlen hatten wohl auch die Apostel zu ringen.

Christi Himmelfahrt ist ein Tag des Abschieds.

Die Jünger spürten zunächst nur den Verlust und taten sich schwer, den Karfreitag zu verkraften. Unter der Last einer großen Enttäuschung kehrten Petrus und die anderen Jünger zu ihren früheren Fischerhandwerk zurück. Resigniert reden zum x-ten Mal die Emmausjünger über das grausame Ende Jesu. Es brauchte einige Begegnungen mit dem Auferstandenen, bis die Zurückgebliebenen begriffen haben: Jesus ist weiterhin wirksam nahe, aber nicht mehr so wie vor Ostern.

Christi Himmelfahrt macht deutlich: Der verklärte Herr ist dem Zugriff und den Blicken entzogen. In unseren räumlichen Vorstellungen hinterlässt er eine Lücke und dennoch nimmt seine Bedeutung für die Jünger zu. Ein neues Verstehen, ein Verstehen aus dem Heiligen Geist, beginnt zu wachsen.

Christi Himmelfahrt ist nicht nur Abschiedstag, sondern vor allem ein Reifetag, ein Reifungsschritt zu mehr Selbständigkeit.

Dazu ermutigt Jesus die Apostel, indem er sie segnet. Wir können Christi Himmelfahrt vergleichen mit dem notwendigen Abschied von den Eltern, den wir vollziehen und durchleben müssen, um dadurch wir selbst zu werden, voll Selbst-Vertrauen und Selbst-Wertgefühl.

Jede Entwicklung vollzieht sich durch Abschied und Neubeginn: Bei der Geburt muss die erste Nabelschnur durchtrennt werden, um neues, eigenständiges Leben zu ermöglichen. Zum zweiten Mal muss eine Nabelschnur im übertragenen Sinn durchschnitten werden in der Pubertätszeit bei der Ablösung vom Elternhaus, damit aus dem Kind ein erwachsener Mensch reift.

Der Preis für Identität und Ichstärke sind die vielen Abschiede!

Und es gibt im Laufe des Lebens noch mehr „Nabelschnüre“, die getrennt werden dürfen …

Das heutige Fest legt Fragen nahe wie: Wo neige ich zum ängstlichen Festhalten? Wer oder was steht meiner Entwicklung, die ich im Inneren spüre, im Weg? Warum ist „Loslassen“ so schwer?

Unsere Tendenz, am Vergangenen festzuhalten, wirkt sehr stark. Aber ohne Himmelfahrt wären die Jünger nie auf den „Geist in ihnen“ gekommen. Jesus hilft den Abschiedsschmerz überwinden, weil er den Geist als Beistand sendet.

Eltern und Erzieher dürfen sich glücklich schätzen, wenn in den Kindern ihre wertvollen Erfahrungen und Überzeugungen ankommen und Früchte tragen, sodass die Jüngeren selber zu Trägern von Glaubens- und Lebenswissen werden.

Wozu uns Christi Himmelfahrt ermuntern soll, das will ich in einer kleinen Erzählung noch einmal anklingen lassen:

Bei den Vereinten Nationen in New York waren Vertreter des Franziskanerordens aus aller Welt versammelt. Während einer Konferenzpause gingen einige Patres im Ordenskleid am East River auf und ab. Unvermittelt kam ein elegant gekleideter Herr auf sie zu und sagte: „Ich weiß, was die drei Knoten am Gürtel bedeuten: Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit.“ „Sie kennen sich ja gut aus“, reagierte einer der Patres. „Kein Wunder. Ich bin mehrere Jahre bei Euren Brüdern in die Schule gegangen.“ „Und die Erinnerungen an diese Zeit sind gut?“ wollte einer etwas unsicher wissen. „Gut. Ausgezeichnet. Diese Brüder haben überzeugend gelebt und hatten viel für die kleinen Leute übrig. Bin sehr dankbar. In meinem Job bin ich reich geworden. Was ich habe, werde ich den Armen geben und euch bitten, das zu vermitteln. Gott segne euch.“ Der Mann verschwand so rasch wie er gekommen war.

Ein Franziskaner aus Afrika kommentierte dazu: „Der ist nicht stehen geblieben, weil er uns in Kutte sah, sondern weil vor dreißig Jahren einige von uns in aller Stille überzeugend gelebt und gearbeitet haben.“

Genauso und noch viel mehr überzeugend hat Jesus auf seine Jünger gewirkt, bis auf den heutigen Tag, bis auf uns, jeden einzelnen hier, wenn wir JESUS wirklich an uns heranließen und neu heranlassen. Amen.

Anbei ein inspirierender Insta-Post von Pater Anselm Grün zu Christi Himmelfahrt:

 

 

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