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Pater Christoph Kreitmeir: „Jesus rechnete sein Tun nicht vor, er schenkte“

Seine Auslegung zum Sonntagsevangeliums (Mk 1,29-39) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir unter die Überschrift „Die Vision nicht aus den Augen verlieren“.

 

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Seit einiger Zeit legt die Gewerkschaft der GDL (Gewerkschaft der Lokführer) den Güter- und Personenzugverkehr in Deutschland mit ihren Streiks und den dahinterliegenden Forderungen immer wieder lahm. Hunderte Millionen von Euro an wirtschaftlichen Schaden zieht alleine der letzte Streik nach sich. Der ganze Ärger für die Bahnreisenden ist da noch gar nicht mit berücksichtigt. Die zentralen Forderungen dieser Gewerkschaft lauten: Eine Lohnerhöhung um 555 Euro pro Monat, die Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent, eine Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung, die Einführung der Fünftagewoche und noch ein paar Forderungen mehr.

Ohne hier irgendeine Bewertung abgeben zu wollen, stelle ich mir aufgrund der soeben gehörten Stelle aus dem Evangelium die Frage, ob Jesus eine 35- , eine 38- oder vielleicht sogar eine 60-Stundenwoche hatte?

Was wir eben aus dem Markusevangelium gehört haben, das klingt fast wie ein Protokoll der Tage von Jesus. Es tut irgendwie gut, sich vorzustellen, dass auch das Leben Jesu sehr getaktet war, so wie unser eigenes Leben oft auch ist.

Jesus dachte aber nicht an Lohn oder Lohn-/Zeitausgleich, er rechnete sein Tun nicht vor, er schenkte.

Psychologen sagen uns schon seit einiger Zeit: Wenn dir die Kraft für deine Aufgaben ausgeht, dann suche nach einem neuen Sinn deines Tuns. Richte dich auf Höheres aus und dir werden neue Kräfte zuwachsen, von denen du vorher noch gar keine Ahnung hattest.

Wir wollen von JESUS lernen und begleiten ihn nun durch zwei Tage seines Lebens, von denen wir im heutigen Evangelium gehört haben.

Wir finden ihn in Kafarnaum, einem Städtchen am See von Galiläa.  Er kennt die Menschen, die dort leben, denn einige seiner Jünger stammen von dort. Es sind die Brüder Simon und Andreas, die ER als Erste eingeladen hatte, sich ihm anzuschließen.

Mit zwei anderen Jüngern, Jakobus und Johannes, besucht er nun diese beiden, so wie man eben Freunde besucht, wenn man gerade in ihrer Stadt ist.

Im Haus erleben sie dann eine Überraschung: Gedrückte Stimmung statt Freude über den Besuch. Die Schwiegermutter des Simon ist krank, so krank, dass man sich Sorgen machen muss. Jetzt, wo sie ausfällt, merkt man erst, dass sie nicht nur tüchtig arbeitet. Sie ist auch die Seele der Familie und ohne sie verliert das Haus sein Herz und seine gastliche Atmosphäre.

Jesus, so heißt es, ging zu der Kranken, fasste sie bei der Hand und „richtete sie auf“.

Einfacher geht es nicht – keine Inszenierung, keine Dramatik, kein eindrucksvolles Ritual. Und ebenso schlicht geht es weiter: „Da wich das Fieber von ihr, und sie bewirtete sie.“ Auch die Frau selbst hat nicht das Bedürfnis, ihre Heilung effektvoll in Szene zu setzen. Sofort tut sie wieder, was sie immer getan hat und was sie als ihre Aufgabe versteht: Dafür sorgen, dass andere sich in ihrem Haus wohlfühlen können.

Auch Jesus hat das, was diese Frau zu geben hatte, offenbar genossen. Jedenfalls bleibt er mit seinen Freunden den ganzen Tag über dort. Theologisch gesprochen geht es aber um viel mehr: Die Schwiegermutter des Petrus nimmt vorweg, was die Schüler Jesu erst im Laufe der Zeit mühsam lernen müssen: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen.“ (Mk 10, 45) Denn Jesus wird an diesem Tag noch sehr viel für andere tun …

Wie so oft verbreitet sich die Nachricht, dass Jesus da ist, wie ein Lauffeuer. Und dann kommen auch schon Leute aus der Umgebung und bringen Kranke zu ihm, weil er schon so oft geholfen hat. Und es sind viele, die krank sind. Und darüber merken sie gar nicht, dass es schon Nacht wird und Jesus vielleicht müde geworden ist und Ruhe braucht. Wahrscheinlich wird ihm das alles auch zu viel, aber er bringt es nicht fertig, die Leute in ihrem Vertrauen und ihrer Bedürftigkeit zu enttäuschen. Und weil er am Abend nicht zur Ruhe gekommen ist, nutzt er jetzt den frühen Morgen, um sich zurückzuziehen und neue Kräfte im Austausch mit Gott zu sammeln. Aber seine Freunde eilen ihm nach, um ihm mit vorwurfsvollen Ton zu sagen: „Alle suchen dich.“ Jesus wird so langsam zu einer öffentlichen Person – „der Mann mit den heilenden Händen“.

IHM aber geht es um etwas ganz anderes. Alles, was er tut, auch die Heilungen, die durch ihn geschehen, sind doch so etwas wie ein großer Fingerzeig, der auf Gott hinweist: „So, wie ich jetzt an euch handle, so handelt Gott an euch“Das ist die Botschaft, die Jesus mit Worten verkündet und mit Taten der Liebe bekräftigt.

Eine weitere interessante Wendung zeichnet sich im Evangelium nochmals ab. Auf die Jüngeransage „Alle suchen dich!“, antwortet er: „Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen.“

Jesus lässt sich nicht an einen Ort festnageln, sein Auftrag will sich ausbreiten. Er verliert seine Grundvision nicht aus dem Blick.

Dieser Gedanke ist auch für uns, die wir uns von Jesus gerne inspirieren lassen, ein wichtiger: Im Hin und Her des Alltags, im Aufgeriebenwerden von Aufgaben und Ansprüchen die Grundvision meines Lebens nicht verlieren: Was soll ich? Was will ich? Was kann ich?

Das Besondere an Jesus ist vielleicht gar nicht so sehr, was er tut, sondern, wie er es tut. Sein Blick auf die Welt und auf die Menschen ist der Blick Gottes, der Blick der Aufmerksamkeit, des Verstehens, des Erbarmens – der Blick der Liebe. Das ist es, was Menschen aufrichtet und aufatmen lässt. Und das ist es, was Jesus so faszinierend macht – und mit ihm alle, die anfangen, mit seinen Augen zu schauen.

Es kommt nicht darauf an, 60, 38 oder 35 Stunden in der Woche zu arbeiten. Es kommt darauf an, wie wir arbeiten.

Wir müssen nicht Außergewöhnliches tun, wir dürfen das Gewöhnliche aber mit außergewöhnlicher Hingabe tun.

Das Auftanken im Gebet – Jesus zeigt es uns – gehört dabei immer wieder dazu. Dann werden wir unsere Vision und unseren Sinn nicht aus den Augen verlieren, wir können über uns hinauswachsen, uns werden neue Kräfte zuströmen und wir werden obendrein glücklich und zufrieden sein. Amen.

Hinweis: Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es unter:

www.chiristoph-kreitmeir.de