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Pater Christoph Kreitmeir: „Der Heilige Geist weht leise, tröstet vorsichtig und lindert“

Seine Auslegung zum Evangelium am Pfingstmontag (Joh 15,26 – 16.3.12-15) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir unter den Titel „Leise Kraft, die überrascht“. Als Festprediger auf dem Kavalienberg in Pobenhausen wird er diese Predigt heute halten. Darin berichtet er von einer besonderen Begebenheit, in der er persönlich das Wirken des Heiligen Geistes erlebte.

 

Anbei die Predigt von Pater Kreitmeir als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:

 

 

Vor kurzem fragte ich meinen Kollegen Stefan in der Klinikseelsorge schon mit Blick auf diesen heutigen Tag, an welche Pfingstpredigt er sich erinnern kann, die ihn vom Hocker haute, weil sie so ansprechend war. Ein kurzes Überlegen, ein längeres Überlegen und dann die Antwort, die ich zwar fast irgendwie erwartet hatte, die aber trotzdem sehr ernüchternd ist. Er sagte: „Keine! Ich kann mich an keine erinnern.“

Ach du lieber Gott, so viele Predigten über Gott, die Welt und den heiligen Geist und dann bleibt nichts Zündendes in Erinnerung.

Er sagte dann noch, dass an Pfingsten im Gottesdienst und im anschließenden Treffen der Gemeindeangehörigen eine g´scheide Stimmung herrschen müsse mit Freude, Begeisterung, mit einer Lust zum Glauben und zum Aufbruch und natürlich eine Blasmusik und a zünftige Brotzeit.

Also für diese Dinge ist ja Gott sei Dank hier gesorgt und ich freue mich, hier mit Ihnen das Fest des Heiligen Geistes feiern zu dürfen. Ob´s die Predigt dann bringen wird und ob sie vielleicht sogar in Erinnerung bleibt, …, das wird sich zeigen.

Warum ist das eigentlich so? Warum ist der Hl. Geist das Stiefkind in der Kirche?

 „An Pfingsten bekommt man keine Geschenke“, so sagte mir mit vorwurfsvollem Blick einmal ein Mädchen. Das stimmt schon irgendwie: an Weihnachten biegen sich die Gabentische von Geschenken, an Ostern bekommt man wenigstens ein paar Ostereier oder Schokohasen. Aber … an Pfingsten? An Pfingsten bekommt man keine Geschenke …

Äußerlich mag das zwar stimmen, aber innerlich könnten wir überreich beschenkt werden mit Gaben, die geistiger Art sind und unser Leben fruchtbar und reich machen (vgl. Gal 5, 22-23): Freude, Licht, Liebe, Trost, Mut, Zuversicht, Vertrauen, Tatkraft, Angstlosigkeit und vor allem Trotzdemkraft, die Kraft, die trotz Hindernisse, Widerstände und Rückschläge sich nicht unterkriegen lässt.

Wir könnten überreich beschenkt werden, aber … warum greift der Geist Gottes da so wenig, warum zündet der Funke so selten in unserem Herzen?

Ich habe da schon ein paar Vermutungen, warum das so ist, auf diese Spur will ich aber nicht gehen. Ich möchte viel lieber mit den Worten von Paulus aus der Lesung fragen, ob wir den Hl. Geist empfangen haben, als wir gläubig wurden? Die Menschen in der Lesung antworteten ihm: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt.“ Ach du liebes Bisschen, schon damals hatten die Leute keine Ahnung vom Hl. Geist.

Wer ist der Hl. Geist? Hat er etwas mit mir zu tun? Wirkt er auf mich, in mir?

Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es die sogenannten Gaben des Hl. Geistes gibt. Diese sind Weisheit, Einsicht, Rat, Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Diese Worte haben wir schon mal gehört, locken uns die Wahrheiten, die hinter diesen Worten sind, aber noch hinter´m Ofen hervor?

Wie können die heute so blutleer daherkommenden Worte wieder Kraft und Saft bekommen, wie kann der Hl. Geist wie früher an Pfingsten wie ein Sturmesbrausen in und durch unsere Herzen wehen? Wie kann er uns mit seinem Feuer anstecken und innerlich begeistern und brennen lassen für Jesus?

Wir kennen die Erzählung: Die Pfingsten erlebten, kannten JESUS von Nazareth. Sie waren seine Vertrauten. Aber seit er nicht mehr bei ihnen war, fühlten sie sich verloren. Ohne ihn waren sie mutlos, sogar feige. Sie versteckten sich. Sie hatten Angst. Sie waren passiv, warteten ab, ohne genau zu wissen, auf wen oder was.

Pfingsten veränderte sie. Plötzlich konnten sie wieder glauben, dass GOTT da ist. Und dass sie selbst eine Stimme haben. Dass es wichtig ist, ihre Geschichte zu erzählen. Dass ihre Erfahrung es wert ist, gehört zu werden. Die Freude kehrte zurück. Trostkraft. Faszination, Mut, Entschlossenheit, Trotz, innere Stärke.

Was passierte, konnten sie nicht mit ihrer eigenen Kraft erklären. Und so brachten sie die Kraft mit GOTT in Verbindung. Sie nannten sie Gottesgeist, Heiliger Geist, Pfingstgeist, Geistkraft.

Wir alle kennen solche Erfahrungen: Ein Vermissen von Gott in unserer Welt, unserem Leben, unserem Alltag. Über zweieinhalb Jahre plagte und nervte uns und die ganze Welt das Coronavirus. In vielen Familie hat dieser Virus Schrecken, Leid, Tod und Trauer gebracht. Ich musste es im Klinikum vielfach miterleben.

Jetzt wütet gar nicht weit weg von uns ein brutaler Angriffskrieg mit schrecklichen Auswirkungen auf die ganze Welt. Und die nicht selten selbstgemachte Krise vor allem der katholischen Kirche lässt viele gläubige Menschen ratlos, enttäuscht, traurig und auch wütend werden.

Unsere Seelen sind erschöpft und wir sehnen uns nach Ruhe, Trost, Frieden, auch nach Freude, Ausgelassenheit, einfach wieder nach normalem Leben und versuchen es auch zaghaft. Ach ja …

Sie haben sich heute aufgemacht, Sie sind hierher gekommen, mit dem Auto, dem Fahrrad, zu Fuß, alleine, mit der Familie, Freunden und Wallfahrtsgefährten.

Die Sehnsucht nach Besserem, nach Heiligem, nach Heilendem treibt sie an.

Wallfahren ist Beten mit den Füßen. Hier heroben haben wir einen Überblick, eine Rundumblick und dank unseres gemeinsamen Glaubens auch einen Durchblick. Hier kommen wir dem Wirken des Hl. Geistes auch in unserem Leben auf die Spur.

Wissen Sie, ich durfte gut 12 Jahre Wallfahrtsseelsorger in Vierzehnheiligen in Oberfranken sein. Ich durfte dort viele Lebensgeschichten hören, teilen und deren Not an diesem besonderen und heiligen Ort immer wieder vor Gott bringen.

Dort habe ich auch gelernt, dass Gottes Geist meistens nicht spektakulär und laut daher kommt, sondern eher leise, Stück für Stück, behutsam und langsam heilend.

Es ist ja wirklich so: Wunden heilen nicht schnell, sie brauchen die richtige Behandlung, Salben, Pflege und Zeit für die Heilung.

Nun bin ich seit gut sechs Jahren Klinikpfarrer und –seelsorger im großen Klinikum Ingolstadt. Ich kann es gar nicht mehr zählen, wie viele Begegnungen und Gespräche ich mit Kranken hatte, wie vielen Menschen ich beim Sterben begleiten und Angehörigen beistehen durfte. Fast drei Jahre erlebten wir auf besondere Weise im Klinikum die Corona-Pandemie. Alles und leider auch die so wichtigen zwischenmenschlichen Besuche und Unterstützungen durch Verwandte wurden sehr stark eingeschränkt und auch erst seit kurzem versuchen wir wieder im Normalmodus anzukommen.

In dieser Zeit habe ich ganz neu auf das eher leise Wirken des Hl. Geistes vertrauen gelernt, der auch und vielleicht vor allem in schweren und schwersten Situationen leise weht und vorsichtig tröstet und lindert.

Wie heißt es so schön und wahr in dem Heilig-Geist-Lied, das bis auf das 9. Jahrhundert zurückgeht (GL 342):

„Komm, Heil’ger Geist, der Leben schafft,

erfülle uns mit deiner Kraft.

Dein Schöpferwort rief uns zum Sein:

Nun hauch uns Gottes Odem ein.

 

Komm, Tröster, der die Herzen lenkt,

du Beistand, den der Vater schenkt;

aus dir strömt Leben, Licht und Glut,

du gibst uns Schwachen Kraft und Mut.“

„Du gibst uns Schwachen Kraft und Mut…“, das gilt für Sie, das gilt für mich, und das gilt auch und besonders in der Krankenhausseelsorge, wo du oft nicht weißt, was dich erwartet.

Ich möchte Ihnen vom Wirken des Hl. Geistes in meinem schwachen Tun erzählen und ich vermute, dass Sie das Gehörte nicht mehr vergessen werden.

Im Klinikum versuche ich Tag für Tag den Notleidenden als Mitmensch, als Freund auf Zeit und als priesterlicher Tröster an der Seite zu stehen. Dies geschieht in der Notaufnahme, in der Psychiatrie, in den verschiedensten Abteilungen der somatischen Medizin, den Intensivstationen, der Geburtsstation oder der palliativen Sterbebegleitung auf Station 86. Unzählige schöne, aber auch unter die Haut gehende Begegnungen gehören mittlerweile zu meinem reichen Erfahrungsschatz. Einige davon gingen dabei so tief in mein inneres Empfinden, dass ich sie sofort abrufen kann, wenn ich kurz in mich gehe.

Von so einer Erfahrung möchte ich nun erzählen. Da durfte ich den Hl. Geist sehr stark erfahren.

Es war an einem Vormittag im Herbst 2017, also noch lange vor der sog. Coronazeit, als ich von einer Schwester der Geburtsstation per Telefon angerufen wurde. Ich solle bitte schnell kommen. Eine Frau hätte Zwillinge geboren, die aber leider tot zur Welt gekommen sind.

Puh, so eine Erfahrung hatte ich bis dahin noch nicht gehabt und mir rutschte mein Herz vor Angst in die Hose. Was soll ich da tun? Wie kann ich da helfen?

Ich zog im Büro mein Priesterhemd an, damit schon durch mein Äußeres ersichtlich werden konnte, dass ich auch als Geistlicher dieser armen Mutter beistehen wollte. Während ich durch die Gänge ging, betete ich zum Hl. Geist, dass ich die richtigen Worte finden könnte, dass ich überhaupt vor Ort irgendwie eine Hilfe sein könnte. Deswegen nahm ich auch Weihwasser, meine Stola und das Krankensalbungsöl mit.

Als ich auf die Station kam, nahm mich die scheinbar schon wartende Krankenschwester in Empfang und gab mir noch ein paar fachliche Informationen, die mir mein damals in diesen Dingen unerfahrenes Herz noch schwerer machten.

Vor dem Krankenzimmer stehend nahm ich all meinen Mut zusammen, klopfte und trat ein. Der Anblick, der sich mir dann bot, hat sich tief in mein Gedächtnis eingegraben. Ich sah eine Afrikanerin im Bett liegen, ihr Gesicht war wie versteinert … Auf ihrer Brust lagen die Zwillinge so als würden sie gerade gestillt werden. Ihr Mann saß neben dem Bett mit verzweifeltem Blick, mich wie durch Nebel wahrnehmend. Und im Zimmer waren vielleicht sieben oder acht andere Verwandte, die wohl die Trauer über diese herzzerreißende Szene übernahmen. Sie schluchzten, klagten, jammerten und ich näherte mich langsam dieser armen Mutter, die wie ihr Mann keine Tränen hatte.

Ein erster sprachlicher Kontaktversuch meinerseits scheiterte daran, dass alle im Raum wohl nur des Französischen mächtig waren und ich diese wunderschöne Sprache leider nur in wenigen Formulierungen, die man im Urlaub gebrauchen kann, sprechen konnte.

Mir war ein ganz wichtiges Mittel des Zueinanderfindens und des Trostes – die Sprache – genommen. Händeringend versuchte ich zu kommunizieren, es klappte nicht. Was konnte ich also tun? Wie konnte ich hier irgendwie trösten?

Gott sei Dank – und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes – fiel mir dann folgendes ein. Ich deutete auf meinen Priesterkragen und sagte das französische Wort für Priester, prêtre, und faltete meine Hände. Danach streichelte ich zärtlich die toten Babies, breitete meine Handflächen über sie und betete mit ruhiger Stimme den Psalm 23, den ich erst ein paar Wochen vorher auswendig gelernt hatte. «Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen …» Meine Stimme beruhigte die aufgewühlten Menschen im Raum und ich entschied mich intuitiv, weitere Segensgebete auswendig zu sprechen und die Babies, die fast wie lebend aussahen, mit Weihwasser zu benetzen. Das Gesicht der Mutter blieb maskenhaft. Ihre Seele brauchte wohl alle Kraft, um nicht zu zerbrechen. Mit ihrem Mann zusammen, der durch diese religiöse Stimmung zugänglicher wurde, salbte ich die Babies mit dem Krankensalbungsöl, was durch Tränen und Schluchzen von ihm begleitet wurde. Endlich konnte er trauern und weinen. Die anwesenden Verwandten, die still geworden waren, begleiteten aufmerksam das Geschehen.

Danach lies ich der Stille, die fast körperlich zu spüren war, ihren Raum.

Irgendetwas in mir sagte, dass es dann an der Zeit wäre, sich langsam und achtsam zurückzuziehen. Nur wie ? «Auf Wiedersehen – au revoir» wäre eindeutig falsch gewesen. Nach kurzem Nachdenken fiel mir der Gruß für eine gute Reise – bon voyage – ein, den ich zärtlich streichelnd zu den Babies sagte.  Mir läuft noch heute ein kalter Schauer den Rücken hinunter, wenn ich daran denke, was dann geschah. Die Mutter und fast gleichzeitig auch der Vater rissen die Augen auf und all der Schmerz, das Nichtverstehenkönnen, die Wut und die Trauer kamen nun laut aus deren Mündern. Wie ein Hintergrundchor schlossen sich die Verwandten an und ich wusste nicht, wie mir geschah.

«Gute Reise – bon voyage», so deutete ich es dann später für mich, war für die Anwesenden wie der Reisesegen für die Kleinen in den Himmel.

Ich weiß nicht mehr genau, wie und wann ich dann den Raum verlassen hatte, denn alles weitere Tun meinerseits wäre nicht hilfreich gewesen. Seit diesem Erlebnis weiß ich aber, welche Wirkung nur zwei kleine Worte haben können:

Bon voyage – gute Reise! Eine Stimme in mir sagt mir, dass die Zwillinge gut angekommen sind … …

Lassen wir kurz das Gehörte nachwirken und spüren wir nach Innen. —

— Gottes Geist kommt sehr oft leise, unterstützend und unserer Schwachheit aufhelfend —

Der berühmte Pfingsthymnus „Veni, creator spiritus – Komm, Schöpfer Geist“ aus dem 9. Jahrhundert wurde 1847 von Heinrich Bone sehr lebensnah übersetzt. Wir kennen diese Worte aus dem Gottesloblied 351. Wir haben es zu Beginn gesungen.

Wenn ich Ihnen diesen Text jetzt meditativ vorlese, dann werden Sie spüren, dass der Hl. Geist im neunten Jahrhundert, im 19. Jahrhundert und auch in unserer Zeit sehnsüchtig herbeigebetet wurde und jetzt von uns auch wird:

 

Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein,
besuch das Herz der Kinder dein:
die deine Macht erschaffen hat,
erfülle nun mit deiner Gnad.

 

Der du der Tröster wirst genannt,
vom höchsten Gott ein Gnadenpfand,
du Lebensbrunn, Licht, Lieb und Glut,
der Seele Salbung, höchstes Gut.

O Schatz, der siebenfältig ziert,
O Finger Gottes, der uns führt,
Geschenk, vom Vater zugesagt,
du, der die Zungen reden macht.

Zünd an in uns des Lichtes Schein,
gieß Liebe in die Herzen ein,
stärk unsres Leibs Gebrechlichkeit
mit deiner Kraft zu jeder Zeit.

 

Treib weit von uns des Feinds Gewalt,
in deinem Frieden uns erhalt,
dass wir, geführt von deinem Licht,
in Sünd und Elend fallen nicht.

Den Vater auf dem ew’gen Thron
lehr uns erkennen und den Sohn;
dich, beider Geist, sei’n wir bereit
zu preisen gläubig alle Zeit.

 

Im Blick auf die Ukraine und das verbrecherische Vorgehen Putins möchte ich den Hl. Geist nochmals bitten: Treib weit von uns des Feinds Gewalt, in deinem Frieden uns erhalt. Amen.

Anbei das Gotteslob-Lied „Komm Schöpfergeist kehr bei uns ein“: