Symbolbild von Gerd Altmann auf Pixabay

Pater Christoph Kreitmeir: „Jesus hilft uns, wirklich zu leben und nicht gelebt zu werden“

Heute feiern Christen auf der ganzen Welt Heiligabend und werden sich bewusst, dass Gott sich in Jesus gezeigt hat. Unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, der Seelsorger im Klinikum Ingolstadt ist, verbindet die Weihnachtsgeschichte (Lk 2, 1-16) mit einem persönlichen Erlebnis im Hier und Heute.

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

Anmerkung: Pater Kreitmeir hat die Namen der beteiligten Personen geändert und die Erlaubnis zur Veröffentlichung von dem jungen Vater erhalten.

 

 

Nun ist er da, der Tag, auf den in den letzten Wochen hingelebt wurde. Nun ist es da, das Fest, das unsere Herzen seit Kindesbeinen an höherschlagen lässt.

Ja, das Weihnachtsfest begleitet uns in seiner Wiederholung jedes Jahr neu ein Leben lang.

Ich will Ihnen heute von einer ganz besonderen Advents- und Weihnachtszeit erzählen, die ich hier in unserer Klinik letztes Jahr erleben durfte. Eines Abends wurde eine hochschwangere Frau mit dem Notarztwagen eingeliefert. Sehr schnell wurde ihr Gott sei Dank gesundes Baby, ein Mädchen, mit Hilfe des Kaiserschnittes geholt. Es war ihr Erstgeborenes. Ihr Mann, ein gestandener Handwerker, übernahm ab diesem Zeitpunkt die Doppelrolle des Vaters und der Mutter. Die Mutter der kleinen Julia erlebte nicht nur eine Bluthochdruckkrise, sondern erlitt innere Hirnblutungen. Sie kam ins MRT und dann auf die Intensivstation. Ihr musste der Schädel geöffnet werden, damit das angeschwollene Gehirn keine massiven Schädigungen erlitt. Mehrere Wochen kämpften das medizinische und pflegerische Personal um Cordula, die ins künstliche Koma versetzt worden war.

Ihr Mann Sepp befand sich fast während dieser gesamten Zeit mit dem neugeborenen Mädchen auf der Neugeborenenstation. Mich verwunderte immer wieder, wie vertrauensvoll und ohne Klage er sich auf die neue schwere Situation im Leben seiner jungen Familie einließ. Ein Handwerker mit Meistertitel, der erst vor kurzem ein Haus gebaut hatte, bewährte sich im zärtlich-behutsamen Umgehen mit dem winzigen Menschenkind, er gab ihr die Flasche, er lernte sie zu wickeln und vieles mehr. Die Schwester seiner Frau und die beiden Omas standen ihm mit ihrem Rat, ihrer Erfahrung und ihrer Zeit zur Seite.

Wer auch immer diese geniale Idee hatte, sie wurde jeden Tag dreimal verwirklicht. Sepp fuhr in Begleitung einer Schwester die Kleine in ihrem Holzkinderbettchen in die Intensivstation. Dort wurde Julia der im Koma liegenden Cordula auf die Brust gelegt und dann geschah immer wieder mehr oder weniger ein kleines Weihnachtswunder. Der hohe Blutdruck der Schwerstkranken bewegte sich nach unten in viel bessere Werte und die Kleine schlief glückselig bei ihrer Mutter, deren Herzschlag sie kannte und deren Geruch ihr vertraut war.

Immer wieder konnte und durfte ich den Vater und sein Mädchen auf der Neugeborenenstation und Cordula auf Intensiv besuchen. Mit ihr sprach ich immer wieder, auch wenn sie im Koma war. Ich erzählte ihr vom Neuschnee oder von ihrer Tochter, ihrem klasse Mann und ihrer tollen Familie. Immer wieder betete ich auch für sie und segnete sie. Mit Sepp und Julia durfte ich ähnliches tun und, auch wenn die Situation alles andere als schön und gut war, es lag Trost, Hoffnung und Vertrauen in der Luft.

Im Laufe der Zeit wurde Cordula mit allen medizintechnischen Umsorgungen aus dem Koma zurückgeholt. Tage später kam sie in eine Spezialrehaklinik in der Nähe des Heimatortes der jungen Familie, wo dann viele weiteren Hilfen zur Stabilisierung und Verbesserung ihres Gesundheitszustandes gemacht wurden.

Weihnachten! Licht in der Dunkelheit!

Ähnlich wie Maria, Josef und das Jesuskind bewährten sich Cordula, Sepp und Julia in diesem schweren Schicksalsschlag. Viele kundige, helfende und wirklich mitfühlende Menschen sorgten in der Klinik und Rehaklinik dafür, dass es sich so entwickeln konnte. Es hätte alles auch ganz anders ausgehen können.

In der Heiligen Nacht, so erzählt es das Lukasevangelium, wurde der geboren, der den Menschen einen neuen Blick auf die Welt eröffnete. Diese Welt, so verkündete es der Mann aus Nazareth, ist nicht verloren. Ganz im Gegenteil: In ihr kann immer und immer wieder das Gute und das Gerechte zur Entfaltung kommen – trotz allem und durch alle Unwägbarkeiten hindurch.

Maria und Josef ließen sich damals darauf ein. Sepp und die ihn umgebenden helfenden Menschen ließen sich hier und heute darauf ein. Und auch wir müssen uns, auch wir dürfen uns darauf einlassen.

Das Leben von Maria, Josef und dem Jesuskind ging durch Höhen und Tiefen weiter bis das Erlösungswerk Gottes durch Jesus verwirklicht werden konnte. Das Leben von Sepp, Cordula und Julia geht weiter durch Höhen und Tiefen und wird dabei viel Gutes und Sinnvolles erleben dürfen.

Unser aller Leben geht durch Höhen und Tiefen weiter. Wenn wir die Geschichte Gottes mit uns Menschen ganz konkret und hier und heute an uns, unsere Haut, unser Herz und unsere Seele heranlassen, dann wird auch für uns Schönes, Sinnvolles und Erlösendes geschehen.

Gesegnete und frohe Weihnachten für uns alle!

Gott ist mit uns. Er kennt das Leben. Für den gläubigen Menschen hält diese besondere Zeit eine ganz eigene Kraftquelle bereit: die Einlösung der menschlichen Sehnsucht nach Sinn und Ziel nicht nur in der Weltgeschichte, sondern auch in der je persönlichen Lebensgeschichte.

Jesus bringt Licht in die Nacht und hilft uns, wirklich zu leben und nicht gelebt zu werden.

Dabei werden wir alle erstaunt sein, was in uns so alles schlummert. Es zeigt und verwirklicht sich dann ganz besonders wertvoll, wenn uns das Leben kalt und hart packt. Jesus kennt die Kälte und Härte, er durchlebt sie mit uns und er erlöst sie durch seine Liebe. Amen.

Anbei das Taize-Lied „Meine Hoffnung“: