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Pater Dr. Peter Uzor: „Religiöse Eiferer rechnen nicht mit der Kraft Gottes“

In seiner Auslegung zur heutigen Sonntagslesung aus der Apostelgeschichte (Apg 7,55-60) beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor den Umstand, dass im Laufe der langen Geschichte des Christentums sich die religiösen Führer immer wieder den prophetischen Einspruch von mutigen Frauen und Männern wie Stephanus anhören mussten.

Seine Auslegung zur heutigen Sonntagslesung leitet Pater Peter zu Beginn der Liturgie in seiner Pfarrgemeinde St. Otto Ebersdorf bei Coburg mit folgenden Worten ein:

Die Osterzeit geht dem Ende zu. Und doch bleibt die Zeit österlich, denn Jesus Christus lebt. Für immer will er mit allen, die an ihn glauben, vereint sein. Wir hören heute im Evangelium (Joh 17,20-26) einen Abschnitt aus dem Abschiedsgebet Jesu, kurz vor seiner Verhaftung. Er bittet den Vater, alle, die ihm folgen, in ihre Verbundenheit mitaufzunehmen. Damit gibt er unserem Leben eine Perspektive, die Perspektive des Himmels, d. h. des Lebens in der Gegenwart Gottes.

Der heilige Stephanus, von dessen Tod die Apostelgeschichte (Apg 7,55-60) berichtet, durfte in seinem Sterben diesen Himmel offen sehen und sich Christus anvertrauen. Richten auch wir unser Herz auf ihn aus.

In den Tagen vor Pfingsten bitten wir besonders um den Beistand des Heiligen Geistes. Er soll kommen und uns und unsere Welt durchdringen und erneuern.

 

Anbei die Worte der Predigt von Pater Dr. Peter Uzor zu Apg 7,55-60, die er unter den Titel stellt: „Wenn einem die Botschaft nicht passt“…

 

Seit eh und je scheinen sich die Menschen in folgendem Punkt gleich zu verhalten: Eine Botschaft, die ärgert, die in Frage stellt oder die zu einer entschiedenen Korrektur des Lebens zwingen würde, kurz: die einem ganz und gar nicht passt, wird am besten dadurch unwirksam gemacht, dass man den Boten erschlägt, ihn verschwinden lässt oder sonst wie mundtot macht. „Verschwinde!“, „Geh mir aus den Augen!“, „Lass dich bei mir nicht mehr blicken!“ Diese und ähnliche Imperative muss sich der Überbringer einer schlechten Nachricht anhören. Ein solcher „Bote“ hat dann in meinem Haus, in meiner Stadt und überhaupt in meiner Umgebung keinen Platz mehr. Physisch oder gesellschaftlich wird ein solcher Bote aus der Stadt hinausgetrieben und dort „gesteinigt“ bzw. eben: mundtot gemacht.

Ein Mann mit einer solch provozierenden Botschaft war Stephanus. Er nennt die religiösen Führer seiner Zeit so, wie sie in seinen Augen sind.

Die Apostelgeschichte lässt seine Rede gipfeln in den Sätzen: „Ihr Halsstarrigen, unbeschnitten an Herz und Ohren! Immerzu widersetzt ihr euch dem Heiligen Geist, eure Väter schon und nun auch ihr!“ (Apg 7,51) Wenn das religiöse Establishment jedoch hören muss, dass da jemand das ihm allein zustehende Recht in Anspruch nimmt, im Namen Gottes zu reden, dann muss dieser Mensch verschwinden, das heißt „unschädlich“ gemacht werden. – Und so war es denn auch. Die religiösen Führer waren „aufs Äußerste über ihn empört“ (Apg 7,54). Und es kam zu einer weiteren unerhörten Provokation: Stephanus war „erfüllt vom Heiligen Geist, … sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55). Das war zu viel für die Glaubenswelt der religiösen Führer. Mit lautem Geschrei stürmten sie auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus – aus den Augen! – und steinigten ihn, machten ihn mundtot.

Die Apostelgeschichte – das zweite Buch des Evangelisten Lukas – kann auch genannt werden: „Die Taten Jesu gehen weiter“.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Schicksal des Stephanus wie das von Jesus beschrieben wird. Ganz am Anfang des Lukasevangeliums klingt das Thema bereits an: „Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen. Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg.“ (Lk 4,29f.) Das Schicksal Jesu vollendet sich am Ende des Evangeliums in seinem Tod am Kreuz. Da glaubten die religiösen Führer, den Mann mit der provozierenden Botschaft endgültig mundtot gemacht zu haben. – Aber sie hatten nicht mit der Kraft Gottes gerechnet, der aus dem Toten den für alle Zeit Lebenden machte. Seine Taten und Worte sollten weitergehen durch die ganze Geschichte des Christentums hindurch.

Das Zeugnis des Stephanus ist der offene Himmel, den Jesus Christus allen aufgetan hat und dessentwegen Stephanus all seine Liebe und seinen Glauben einsetzt bis zum Äußersten.

Er wird als der erste der vielen Zeugen genannt, die Christus nachfolgen und deren Schar immer größer wird.

Ja, Stephanus wird der Erstmartyrer genannt: der erste, dem die Botschaft wichtiger war als das eigene Leben; der erste, der die Erfahrung des Schicksals Jesu gemacht hat: Wer die Kraft und die Herrlichkeit Gottes für sich in Anspruch nimmt, um den eigenen religiösen Führern eine andere Botschaft von Gott zu verkünden als die, die sie selber zu sagen gewohnt sind, der ruft ihren äußersten Widerspruch hervor: Als Vertreter des religiösen Establishments kann man sich doch nicht die Korrektur des eigenen Gottesbildes vorschreiben lassen. Man ist doch selber derjenige, der das Gottesbild authentisch vermittelt …

Im Laufe der langen Geschichte des Christentums haben sich die religiösen Führer immer wieder den prophetischen Einspruch von Frauen und Männern wie Stephanus anhören müssen.

Oft haben sie reagiert wie die Herrschenden damals bei Stephanus und haben sie mundtot gemacht. Lasst uns dankbar sein für die lange Reihe von Frauen und Männern, die sich nicht gescheut haben, ihre Botschaft in der Nachfolge Jesu so deutlich zu sagen, dass die Mächtigen nach dem Motto handelten: Wenn uns die Botschaft nicht passt, dann wird der Bote erschlagen. Und dazu zähle ich nicht nur die großen Heiligen, die wir im Heiligenkalender finden und verehren, sondern auch die vielen, vielen kleinen Heiligen, die unbekannt und namenlos den Schicksalsweg des Stephanus gegangen sind. Auch vor den vielen kleinen unbekannten Zeugen, die unerschrocken ihrer Botschaft treu bleiben, nämlich haben die Mächtigen Angst.

Amen.