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Pfarrer Christoph Kreitmeir: „Die Liebesbeziehung zu Jesus ist Sinn- und Taktgeber des Lebens“

Zum heutigen 4. Sonntag der Osterzeit wirft unser geistlicher Begleiter Pfarrer Christoph Kreitmeir einen genaueren Blick auf die Lesung (1 Petr 2, 20-25), um dann im Evangelium (Joh 10, 1-10) einen Wink auf eine zielführende Antwort auf die Frage zu bekommen:
warum Leid und wie damit umgehen?

Bei der Zusendung seiner Predigt stellte Pfarrer Kreitmeir folgende Worte vorneweg:

„Die Auseinandersetzung mit all den verschiedenen Lösungshilfen im Umgang mit Leid – Medizin, Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie, Pharmazie, Philosophie, Theologie, Spiritualität – ist eigentlich der Spiegel all der Auseinandersetzungen mit diesem Thema LEID, die ich für mich selbst seit Jahren und Jahrzehnten mache. Meine zielführende Antwort ist im Chor all der Hilfen wirklich das Sich-Orientieren-an-Jesus-Christus geworden, in dessen Fußspuren zu gehen ich versuche. Die Formulierung „In Jesu Fußspuren gehen“ soll von Franz von Assisi stammen.

Das tagtägliche An-der-Seite-stehen von Kranken mit den verschiedensten Erkrankungen und damit der ganz praktische Umgang mit Leid und Leiden ist für mich nur mach- und aushaltbar, wenn ich IHN an meiner Seite weiß und vom Gebet Gleichgesinnter getragen weiß.“

 

Hier die Worte der Predigt von Pfarrer Kreitmeir:

 

Die heutige Lesung drückt mit dem Satz „Geliebte, wenn ihr recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist dann …“ etwas, um das wir uns gerne herumdrücken, auch wenn die dahinterliegende Wahrheit uns alle einholen wird, den einen früher, die andere später:

Warum muss ich Leiden erdulden? Und vor allem: Warum muss ich, obwohl ich doch alles richtig und recht mache oder zu machen meine, leiden?

Bibliotheken sind über diese Fragen geschrieben worden. Mehrere geistesgeschichtliche und naturwissenschaftliche Wissenschaften, wie die Philosophie, die Theologie, die Medizin oder die Psychologie schlagen sich damit herum, finden die unterschiedlichsten und mehr oder weniger hilfreichen Antworten, aber: Sind es dann die richtigen Antworten für uns?

Der griechische Philosoph Epikur sagte schon vor über 2300 Jahren diesen sehr wahren Satz: „Leer ist die Rede jenes Philosophen, die nicht irgendein Leiden des Menschen heilt. Wie nämlich eine Medizin nichts nützt, die nicht die Krankheiten aus dem Körper vertreibt, so nützt auch eine Philosophie nichts, die nicht das Leiden aus der Seele vertreibt.“ (Hermann Usener, Epicurea [1887], Stuttgart: Teubner 1966, Fragment 221)

Das Leid und das Leiden sind Phänomene, die alles Lebendige – Pflanzen, Tiere und Menschen – heimsuchen.

Die Medizin versucht tagtäglich, den Ursachen von Krankheiten auf den Grund zu kommen, sie zu behandeln und zu lindern. Die Psychiatrie, die Psychologie und Psychotherapie versuchen den vielfältigen seelischen Erkrankungen Herr zu werden und auch diese zu behandeln und zu lindern. Die Pharmazie entwickelt immer neue Medikamente im Kampf gegen die Krankheiten…

Es bleiben aber immer mehr oder weniger unauflösbare Reste von Erkrankungen übrig, die wiederum Leid und Leiden auf körperlicher, seelischer und auch geistiger Art erzeugen. Hier versuchen dann verschiedene geistig-spirituelle Ansätze zu helfen.

Die Philosophie als Ganze zum Beispiel liefert vielleicht eine gewisse Form von Trost im Umgang mit Leiden, sie bietet aber letztlich auf das ganz konkrete Leid, wie es Menschen jeden Tag überall erfahren, wenig griffig-hilfreiche Antworten.

Viele Menschen entdecken in unserer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft den Weg des Buddhismus und dessen Lehren, sich aus den Verstrickungen des Leidens vor allem auf geistigem Wege zu befreien. Dieser Weg ist, wenn man ihn aufrichtig und konsequent gehen will, ein sehr mühevoller.

Andere kapitulieren aus Bequemlichkeit oder weil sie wirklich vor dem „Begreifen des Unbegreiflichen“ (Karl Jaspers, Arzt und Philosoph) an ihre Grenzen des Verstehens kommen und verbieten sich ein Weiterdenken, weil dieses nur wieder ein Weiterleiden bedeuten würde.

Wieder andere sehen Leiden als „Strafe Gottes“ – was für ein Glauben? – oder als Reifungsweg – letztlich was für eine Zumutung?

Und wieder andere, die Vertreter der zweitgrößten Weltreligion, des Islam, fügen sich geduldig, demütig und in solidarischer Gemeinschaft in Gottes Willen – inshallah – , der letztlich nicht verstehbar ist.

Die Geheimnishaftigkeit Gottes bleibt auch im Judentum und im Christentum, der größten Weltreligion, bestehen, wobei das Beispiel Jesu, wie uns die heutige Lesungsstelle zeigt, für einen gläubigen Christen zu einer hilfreichen Antwort werden kann, auch wenn sie sich zuerst wie eine Zumutung anhört: „Geliebte, wenn ihr recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist eine Gnade in den Augen Gottes. Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. … Durch seine Wunden seid ihr geheilt. Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber habt ihr euch hingewandt zum Hirten und Hüter eurer Seelen.“ (1 Petr 2, 21, 24 u. 25)

Eine Zumutung im belastenden Sinne werden diese Worte nicht, wenn man auf den blickt, der sie sagt: Petrus, der uns ein Zweifaches lehrt:

  • Es geht, so zeigt ja seine eigene Biografie, um einen Reifungsprozess im Verstehen der Wege Gottes im eigenen Leben.
  • Und es geht letztlich um eine Beziehung der Liebe zu dem, der ihn gefragt hatte: „Liebst du mich? … Weide meine Schafe.“ Diese Frage gilt auch jedem einzelnen von uns.

Nur die Liebesbeziehung zu Jesus als Sinn- und Taktgeber meines Lebens lässt mich auf dem Weg des Lebens, der auch immer wieder ein Weg des Leidens sein wird, wirklich reifen, dem Leiden nicht ausweichen, es IHM ähnlich tun, mich nicht auf rechtes Handeln berufen, sondern aus der Trotzmacht des Glaubens heraus, ALLES – auch das Schwere – als Gnade in den Augen Gottes zu sehen. Wohlgemerkt: In den Augen Gottes.

Gnade befähigt! Jesu Beispiel ermutigt! Die Liebe gibt langen Atem!

Dann wird er durch unser stetes Sich-IHM-Zuwenden-und-Hinwenden wirklich zu unserem guten Hirten und zum Hüter unserer Seelen – was für schöne Worte?! Und dann wird ER, Jesus, wirklich das, was er uns im heutigen Evangelium sagt: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden“ (Joh 10, 9).

Der Würzburger Dichterpfarrer Paul Weismantel bringt diese Erkenntnis in schöne Worte: Krumme Zeilen

Wie oft schon
habe ich mich
geplagt auf den
krummen Zeilen
meines Lebens
halbwegs gerade
zu schreiben und es
ist mir nicht gelungen.

Wie oft schon
musste ich
schmerzlich
erkennen, wie wenig
ich aus meiner eigenen
Anstrengung vermag.

Wie gut, dass
da EINER ist,
der sogar mit meinem
Gekrümmtsein
viel anzufangen weiß
und mein am Ende sein
in einen Neuanfang verwandelt.

(Paul Weismantel)

 

Hier ein Impuls von Pfarrer Kreitmeir zur Deutung von Leid aus christlicher Perspektive:

 

 

Mehr spirituelle Impulse von Pfarrer Christoph Kreitmeir gibt es HIER