Regisseur Christian Stückl sieht „große Chance“, wenn die Kirche sich „wirklich auf Jesus“ bezieht

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Der Theaterintendant und Regisseur Christian Stückl, der seit 1990 die Passionsspiele in Oberammergau inszeniert, verweist aktuell gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“ darauf, wie wichtig für einen reifen Glauben die individuelle Auseinandersetzung mit Jesus Christus ist und dass sich die Kirche seiner Meinung nach des Öfteren „völlig unjesuanisch“ verhalte.

Der 59-Jährige befürchtet ein Abgleiten der katholischen Kirche in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Ursachen dafür sieht Stückl zum einen in einer geringen Zahl an Priestern, wodurch „nur noch an wenigen Orten wirklich eine Seelsorge“ stattfinde und zudem die wenigen Priester „völlig überfordert“ seien. Zum anderen verweist er darauf, dass Menschen der individuelle Zugang zu Jesus Christus mitunter verbaut wurde. So seien Menschen seiner Generation regelrecht „aus der Kirche vertrieben“ worden, weil so mancher Pfarrer „jede Diskussion abgewürgt“ hätte, wenn Laien etwa ihre Fragen und Bedenken äußerten.

Zu seiner Prägung im christlichen Glauben sagte der gelernte Bildhauer:

„Ich war früher ein extrem eifriger Kirchgänger, habe mich immer mit dem Thema auseinandergesetzt, ich war in einem katholischen Jugendverband engagiert.“

Eine Chance für die Kirche erkennt Stückl dann, wenn Kirche Jesus Christus ins Zentrum ihres Tun stellt, was er wie folgt darlegt:

„Die Kirche hätte eine große Chance, wenn sie es schaffen würde, sich wirklich auf Jesus zu beziehen.“

Stattdessen trete die Kirche seiner Meinung nach aber allzu oft „völlig unjesuanisch“ auf, etwa dann wenn sie Wiederverheiratete von der Kommunion ausschließen wollte oder im Missbrauchsskandal, kritisierte der Passionsspiele-Leiter.

Er persönlich habe sich „immer mehr entfernt von theologischen Begriffen wie Schuld, Sünde, Sühne“. Vielmehr geht seine Blickrichtung auf Jesus Christus, was er wie folgt betont:

„Ich orientiere mich an dem Jesuswort: Wenn ihr Glauben habt, dann könnt ihr Berge versetzen und die Welt verändern.“

 

Gegenüber dem Evangelischen Presseverband für Bayern erklärte Christian Stückl bereits im Jahr 2016, dass es seiner Meinung nach entscheidend sei, dass die Kirche sich den Menschen zuwendet, damit sie wieder an Bedeutung gewinnt. Dies geschehe nicht durch Liturgiereformen oder neue Gesangsbücher, sondern nur über die Seelsorge. Die Menschen wollten Ansprache und die sei nicht allein durch den Gottesdienst zu erreichen. Diesbezüglich betonte Stückl weiter:

„Ich kann nur mit Leuten feiern, wenn ich vorher mit ihnen geredet hab‘. Und wenn ich vorher nicht mit ihnen geredet hab‘, dann haben die Leute auch keine Lust auf eine Feier mit mir.“

 

Bei allen Fehlern bleibt Stückl dennoch ganz bewusst Mitglied der Kirche. So erklärte er im März 2021 im Münchner Presseclub, dass er der katholischen Kirche weiter angehört, auch wenn die ihm manchmal auf den Nerv gehe. Seine Einstellung begründete er u.a. damit, dass er aus seiner Familie, wo es bisweilen gleichfalls schwierig sei, schließlich auch nicht so einfach austreten könne. Weiter verwies er darauf, dass er nur als Kirchenmitglied zu einer Veränderung beitragen könne, etwa wenn er den Bischöfen sagt, was ihm nicht passt. Mit einem Austritt stelle man sich selbst an den Rand, gab Stückl weiter zu bedenken.

Im Münchner Presseclub erklärte der Passionsspiele-Leiter ebenfalls, dass er sich schon in jungen Jahren mit Religion beschäftigt habe. Dazu betonte Stückl:

„Und je mehr ich mich beschäftigt habe, umso größer sind die Fragen geworden.“

 

Dass für ihn das Aufkommen von Fragen ein bedeutender Teil im Prozess zu einem reifen Glauben und Gottesbild ist, brachte Christian Stückl bereits im Jahr 2016 im Redaktionsgespräch mit dem Evangelischen Presseverband für Bayern zum Ausdruck. Damals sagte er, dass sich durch die Beschäftigung mit religiösen Themen, sein Glaube immer wieder verändere. Dazu erläuterte der Theaterintendant:

„Man stellt sich ständig die Frage: Was ist Christus? Wer ist Christus? Was ist Jesus? Was ist er nicht? Wie äußert er sich für mich?“

Zu seinem Gottesbild ließ Christian Stückl im Februar 2020 im Interview mit dem Tagesspiegel durchblicken:

„Ich stelle mir Gott eh nicht als einen vor, der da droben mit nem Salzstreuer sitzt und straft.“

Dass die Oberammergauer im Jahr 1634 mit den Passionsspielen Gott besänftigen wollten, damit die Pest ausbleibt und dadurch ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, kann Christian Stückl nachvollziehen, weil man damals nicht gewusst habe, „wo diese großen Krankheiten herkommen“ und sie deshalb „als Zorn Gottes verstanden“ habe. Wenn aber heutzutage Krankheiten als Strafe Gottes interpretiert werden, wie dies etwa geschehen sei, als in den 80er Jahren Aids aufkam, hat wohl nicht nur Christian Stückl für solche Ansichten, die sich fern eines reifen Glaubens und Gottesbildes bewegen, kein Verständnis.

Wichtig ist ihm im Glauben auch der Austausch mit anderen Religionen. Dass die Auffassung, die eigene Religion sei die „allein selig machende“, ihm als komischer Gedanke erscheine, betonte Stückl im März 2021 im Münchner Presseclub. Überhaupt stelle für ihn die Idee der Vorrangstellung einer Religion ein Problem dar. Denn die Folge seien Kämpfe um die Frage, wer der Bessere sei.

Im Sommer 2020 wurde Christian Stückl mit dem Abraham-Geiger-Preis ausgezeichnet, mit dem seine „ausgewogene Darstellung innerjüdischer Konflikte“ bei den Oberammergauer Passionsspielen gewürdigt wurde.

Quellen: katholisch.de (1), kirche-und-leben.de, sonntagsblatt.de, domradio.de, tagesspiegel.de, katholisch.de (2)

 

Christian Stückl im Jahr 2016 gegenüber dem Evangelischen Presseverband für Bayern zu seiner Sicht auf Jesus und die Kirche: