Foto: Jaqueline Godany, A. Zeilinger, CC BY 4.0

Nobelpreisträger Anton Zeilinger: „Als Mensch bin ich weder Agnostiker noch Atheist. Und dazu stehe ich“

Kürzlich fand im österreichischen Parlament das Internationale Parlamentarische Gebetsfrühstück statt, das Menschen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Religion zusammenführt und seit 2017 maßgeblich von der Abgeordneten Gudrun Kugler organisiert wird. 2024 versammelten sich über 250 Teilnehmer, darunter mehr als 35 Nationalratsabgeordnete aller Parlamentsparteien, 10 Religionsgemeinschaften und 16 Länder. Einer der Höhepunkte war der Impulsvortrag des österreichischen Quantenphysiker und Hochschullehrer an der Universität Wien, Prof. Dr. Anton Zeilinger, der im Jahr 2022 den Physik-Nobelpreis erhielt.

Für Anton Zeilinger stehen Glaube und Naturwissenschaft alles andere als im Widerspruch. Er selbst bekennt sich zum christlichen Glauben (wir berichteten). Zu seinem Gottesbild äußerte er sich im März 2013 im Interview mit der österreichischen Tageszeitung Die Presse, das unter der Headline „Zufall ist, wo Gott inkognito agiert“ veröffentlicht wurde, u.a. mit folgenden Worten:

„Für mich persönlich gibt es sehr wohl einen persönlichen Gott. Einen Gott, mit dem ich sprechen kann.“

Immer wieder verweist der preisgekrönte Naturwissenschaftler darauf, dass zwischen Naturwissenschaft und Religion nur dann ein Konflikt entsteht, „wenn eine der beiden Seiten ihre Kompetenz überschreitet“ (wir berichteten).

In seinem Impulsvortrag beim Internationale Parlamentarische Gebetsfrühstück, das im Mai 2024 im österreichischen Parlament stattfand, betonte der 79-Jährige erneut die Widerspruchsfreiheit zwischen Glauben und Wissenschaft, was er wie folgt ausdrückte:

„Für mich gibt es keinen Widerspruch zwischen Religion und Naturwissenschaften. Ein solcher Widerspruch tritt nur dann auf, wenn eine der beiden Seiten oder beide ihren Kompetenzbereich überschreiten und glauben auf der anderen Seite etwas sagen zu müssen, was gar nicht so wichtig ist für die eigene Position.“

Zu Beginn seines Vortrages bemerkte Anton Zeilinger, dass er den Zuhörern „ein paar Gedanken mitgeben“ möchte und keine Antworten. Über seine Gewissheit der Widerspruchsfreiheit von Glaube und Naturwissenschaft hinaus, teilte der renommierte Quantenphysiker, der als Pionier der Quanteninformationswissenschaft gilt, mit, dass die moderne Physik zur Frage nach der Existenz Gottes bzw. dahingehende Überlegungen nichts beitragen könne. Dazu sagte er:

„Die Existenz Gottes kann nie naturwissenschaftlich bewiesen werden. Das ist meine Überzeugung. Denn wenn das der Fall wäre – vielleicht widersprechen sie mir hier – dann wäre das das Ende der Religion. Denn dann wäre Religion nicht mehr eine Frage des Glaubens, sondern reiner Opportunismus.“

Umgekehrt könnten aber auch die Naturwissenschaften niemals die Existenz Gottes widerlegen. Die Frage nach Gott stehe außerhalb des naturwissenschaftlichen Diskurses, erklärte Zeilinger weiter. Vielmehr bringt er zum Ausdruck, dass bei der Frage nach Gott jeder Mensch eine persönliche Entscheidung treffen muss, wenn er von folgender Begebenheit erzählt. Vor Jahren habe ihn ein Journalist gefragt, ob er Atheist oder Agnostiker sei (Anmerkung: Diese Frage suggeriert schon aufgrund der gegebenen Antwortmöglichkeiten, dass für einen Naturwissenschaftler keine weitere Option gegeben sein könnte). Darauf habe er wie folgt reagiert:

„Meine Antwort war: Als Wissenschaftler bin ich Agnostiker. Denn die Naturwissenschaft hat dazu nichts zu sagen. Aber als Mensch bin ich weder Agnostiker noch Atheist. Und dazu stehe ich.“

Zeilinger erklärte, dass es aufgrund der grundsätzlichen Widerspruchsfreiheit zwischen Naturwissenschaft und Religion „Freiräume für Gott“ geben muss, die sich allein schon „durch die Grenzen der Naturwissenschaften ergeben“. Anschließend schilderte Anton Zeilinger diese Grenzen, die „auf Dauer außerhalb der naturwissenschaftlichen Methode“ liegen. Als eine dieser Grenzen beschrieb er die Frage nach dem „Warum“ und dem „Woher“ der Naturgesetze. Diesbezüglich stellte er fest:

„Die Begründbarkeit der naturwissenschaftlichen Methodik kann nicht innerhalb der Naturwissenschaften stecken.“

An diesem Punkt habe auch der Naturwissenschaftler wie jeder Mensch nur folgende Entscheidungsoptionen:

„Dann kann ich sagen: ‚Ja so ist es halt‘ oder dann kann ich sagen: ‚Hier ist vielleicht ein Freiraum für einen Gott‘.“

Die weiteren Ausführungen Zeilingers öffneten einen Raum des Staunens über die Naturphänomene, zum Beispiel die Erkenntnis, dass es uns Menschen nicht gäbe, wenn die Naturkonstanten „nur 1-2% anders wären“. An diesem Punkt könne der Mensch wiederum sagen „Das ist halt so“ oder er könne sich andere Gedanken machen, regt der Quantenphysiker das Nachdenken der Zuhörer an.

Weiter gab er zu bedenken:

„Ich bin überzeugt, dass eine der tiefsten Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts die Entdeckung ist, dass es Ereignisse gibt, die man nicht kausal erklären kann, und wo der Versuch kausale Erklärungen zu finden zu einem Widerspruch führt.“

In diesem Kontext gab Zeilinger dem Publikum folgenden Gedanken mit:

„Ein Physiker-Kollege von mir hat einmal eine Arbeit geschrieben im C.G. Jung-Institut, wo er meint, dass diese elementaren Quantenergebnisse individuelle Schöpfungsakte sind.“

Als einen weiteren nachdenkenswerten Aspekt beschrieb Zeilinger, dass sich in der Quantenphysik immer mehr herausstelle, dass das durch die Quantenphysik beschreibbare Geschehen „unabhängig ist von Raum und Zeit“. Weiter erklärte er dazu:

„Raum und Zeit sind offenbar sekundäre Konstruktionen, die wir verwenden. Das ist auch interessant, finde ich.“

Anschließend sprach Anton Zeilinger, der am 20. Mai 1945 geboren wurde, über seine christliche Sozialisation. Dazu sagte er:

„Ich glaube das hat mir viel gegeben in meinem Leben, nämlich über das, was wirklich wichtig ist, in meinem Leben nachzudenken. Ich glaube das war wichtig zu meiner weiteren Entwicklung.“

Die Zukunft der Kirche sehe er ähnlich wie der große Theologe Karl Rahner im mystischen Bereich, fügte Anton Zeilinger an.

Seinen Impulsvortrag abschließend äußerte der Physik-Nobelpreisträger den Wunsch, dass künftige Diskussionen zwischen Naturwissenschaften und Religion „im Gedanken der Liebe oder zumindest der gegenseitigen Achtung stattfinden“. Mit Verweis auf die gegenwärtige Situation des Unfriedens in der Welt, beendete Zeilinger seine Rede mit „einer meiner Lieblingsaussagen der Bibel“, die er wie folgt formulierte:

„Dein Wille geschehe.“

Anbei der beeindruckende Impulsvortrag von Anton Zeilinger, der mit einer Brise Humor zum Nachdenken über die Dinge der Zeit hinaus anregt:

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