Foto: Jaqueline Godany, A. Zeilinger, CC BY 4.0

Anton Zeilinger zur Existenz Gottes: „Das ist eine Frage des Glaubens und nicht des Wissens“

Der österreichische Quantenphysiker und Hochschullehrer an der Universität Wien Anton Zeilinger, der als einer der Pioniere der modernen Quantenphysik gilt, erhielt kürzlich den Physik-Nobelpreis 2022. Für ihn sind Glaube und Naturwissenschaft alles andere als gegensätzlich, wie der 77-Jährige in aktuellen Interviews sowie bereits im Laufe der vergangenen Jahre an unterschiedlichen Stellen immer wieder darlegte.

Im Oktober 2014 sprach Univ.-Prof. Dr. Anton Zeilinger beim Tag der Linzer Hochschulen in der Katholischen Hochschulgemeinde Linz über das Verhältnis von Naturwissenschaften und Religion und legte seine Sicht auf die Grenzen der naturwissenschaftlichen Erklärbarkeit dar. Wie auf der Homepage der Diözese Linz zu lesen ist, erklärte Zeilinger:

„Der Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Religion tritt nur dann auf, wenn eine der beiden Seiten ihre Kompetenz überschreitet.“

Auf religiöser Seite sei dies der Fall, wenn man Gott als Lückenbüßer definiere, der da zu finden ist, wo die Wissenschaft noch nicht ist. Auf naturwissenschaftlicher Seite definierte Zeilinger drei exemplarische Fälle, in denen es Grenzen der naturwissenschaftlichen Erklärbarkeit gibt oder geben kann: der Ursprung der Naturgesetze und Naturkonstanten, die Anfangsbedingungen des Universums und die kausale Beschreibung jedes Einzelereignisses. Diesbezüglich brachte der Quantenphysiker zum Ausdruck, dass er  die Existenz Gottes für möglich hält und für ihn der Glaube an Gott eine persönliche Entscheidung ist. Wörtlich sagte er:

„Wenn dies tatsächlich grundsätzliche Grenzen der naturwissenschaftlichen Erklärbarkeit sind, dann erhebt sich selbstverständlich die Frage, ob dies die Existenz eines Gottes voraussetzt. Dies ist natürlich stets eine persönliche Entscheidung, deren Beantwortung außerhalb jeder wissenschaftlichen Methode liegen muss.“

Zu seinem Glauben ließ er durchblicken, dass diese Dimension in seiner Arbeit als Wissenschaftler keine Rolle spielt, in seinem Leben als Mensch aber sehr wohl, was Anton Zeilinger wie folgt darlegte:

„Ich wurde einmal von einem Journalisten gefragt, ob ich Atheist oder Agnostiker sei. Etwas anderes kam scheinbar gar nicht in Frage. Als Wissenschafter, sagte ich, bin ich Agnostiker, als Mensch – weder, noch!“

 

Im August 2012 erklärte Zeilinger im Interview mit dem österreichischen Magazin Profil:

„Den lieben Gott kann man nicht entdecken. Das ist eine Frage des Glaubens und nicht des Wissens.“

Ein Nachweis Gottes sieht er gar als „Ende der Religion“, weil dann „das In-die-Kirche-Gehen nicht mehr eine Frage des Glaubens, sondern des beinharten Kalküls“ wäre. Einen Zugang zu Gott erkennt er in den Naturwissenschaften an der Stelle, „wo es grundsätzlich nichts Erklärbares gibt“. So könne man zum Beispiel nicht erklären, warum es Naturgesetze wie zum Beispiel die Schwerkraft gebe. Sie seien „einfach da“.

Der Glaube an Gott bleibe immer eine persönliche Entscheidung, die er als unabhängig von wissenschaftlicher Erkenntnis ansieht. Dazu sagte er:

„An Gott zu glauben oder nicht ist für einen Naturwissenschafter genauso eine persönliche Frage wie für einen Laien. Gott kann nicht nachweisbar sein, aber er kann auch nicht nicht nachweisbar sein.“

Auffassungen von Naturwissenschaftlern, wie die der Biologin Renée Schröder, die meint, dass die Wissenschaft sich vor 300 Jahren von der Religion befreit habe, die Religion irrational sei und diametral zur Wissenschaft stehe, begegnet Zeilinger mit diametraler Gelassenheit. So erklärte er im Profil-Interview 2012, dass auch Wissenschaftler „einiges in ihrer Wissenschaft glauben“ müssten, wie etwa die Gültigkeit der Naturgesetze, die man eben nicht beweisen, sondern „höchstens widerlegen“ könne. Weiter betonte er:

„Und Atheist sein heißt ja auch glauben eben daran, dass es keinen Gott gibt. Auch das ist keine beweisbare Position.“

 

Gegenüber den Salzburger Nachrichten ging der frisch gekürte Physik-Nobelpreisträger aktuell auch darauf ein, dass ein gewisser Glaubensansatz der Beginn jeder Forschung ist. Dazu sagte er:

„Man muss an das glauben, was man erforschen will.“

 

Im Jahr 2016 äußerte sich Anton Zeilinger im Interview mit der Zeitung „Der Sonntag“ zur Frage, ob man dem Göttlichen näher komme oder sich eher von Gott entferne, wenn man so nah wie er an den Grenzen des Verstehbaren dran ist. Weder das eine noch das andere sei der Fall. Weiter erklärte der Physiker:

„Es gibt Naturwissenschaftler, die sind in der Wolle gefärbte Atheisten. Genauso gibt es Naturwissenschaftler, die religiös sind.“

Es sei „jedermanns eigene Position“, ob man angesichts des Staunens wie etwa über die „Schönheit der Naturgesetze“ zum Schluss komme, dass diese Schönheit „von irgendwoher“ gekommen sein müsse oder ob man für sich nüchtern feststelle, dass die Welt halt so sei und es folglich keine weiteren Ursachen brauche. In diesem Kontext gab Zeilinger zu bedenken:

„Wenn man behauptet, dass Wissenschaft atheistisch macht, dann ist das genauso falsch wie die umgekehrte Position.“

Zeilinger verheimlicht nicht, dass es für ihn vernünftig ist, an Gott zu glauben. Er erkennt jedoch einen Fehler darin, wenn Menschen „viel zu viel darüber reden und viel zu viel Definitionen“ über Gott machen und ihm infolgedessen Attribute wie „allwissend“ oder „allmächtig“ zuschreiben. Dieser Fehler sei seiner Meinung nach in allen Religionen begangen worden. Zur Frage, was für ihn Gott ist, erklärte er im „Der-Sonntag-Interview“ 2016:

„Ich bin da eher Anhänger einer mystischen Position: Ich finde, Gott kann man empfinden, aber man soll über ihn nicht viel reden.“

 

Dass diese Dimension auch in modernen Zeiten lebensbereichernd und vernünftig ist, brachte Zeilinger im Dezember 2013 im Interview mit der österreichischen Zeitung Kurier wie folgt zum Ausdruck:

„Wenn jemand sagt, er brauche keinen Gott, weil man den Urknall entdeckt hat, dann ist das ein sehr naives Gottesbild.“

Im März 2013 äußerte sich Anton Zeilinger im Interview mit der österreichischen Tageszeitung Die Presse, das unter der Headline „Zufall ist, wo Gott inkognito agiert“ veröffentlicht wurde, zu seinem Gottesbild. Diesbezüglich erklärte er:

„Für mich persönlich gibt es sehr wohl einen persönlichen Gott. Einen Gott, mit dem ich sprechen kann.“

Einen Holzweg sieht er dann gegeben, wenn man an Gott „herumzudefinieren beginnt“. So habe er „eine sehr mystische Position“ und glaube, dass es uns Menschen nicht zustehe, „Gott Eigenschaften zuzusprechen“. Weiter erklärte Zeilinger:

„Aber ich glaube sehr wohl, dass es einen persönlichen Gott gibt, und dass der auch in unsere Welt eingreifen kann und eingreift.“

Der Zufall sei seiner Meinung nach eine Möglichkeit des Eingreifen Gottes, „ohne dass wir es ihm ihn nachweisen könnten“, womit die Existenz Gottes eine Frage des Glaubens bliebe.

 

Im Interview mit der österreichischen Wochenzeitung „Die Furche“ teilte Anton Zeilinger im November 2020 mit, dass ihm „die Überzeugung, dass es etwas Trans­zendentes gibt“, nachhaltige Orientierung schenkt. Dass die Welt nicht nur materiell ist, sei für ihn nicht nur eine Überzeugung, sondern „eine wichtige Erfahrung meines Lebens“. Dazu betonte er:

„In meinem Leben gab es keinen Moment ohne Gott.“

Diesen Satz möchte er nicht in dem Sinne verstanden wissen, dass er „ununterbrochen in die Kirche gehe“, sondern vielmehr:

„Was ich meine ist, dass es etwas Metaphysisches gibt – mehr, als man in den Naturwissenschaften sehen und messen kann.“

So sieht er im Verhältnis von Wissenschaft und Religion vielmehr ein Miteinander. Erneut betonte er, dass Spannungen zwischen diesen beiden Disziplinen erst dann auftreten, wenn beide Seiten ihren Kompetenzbereich überschritten. Dies geschehe auf empirischer Seite etwa dann, wenn Naturwissenschaftler behaupten, dass sie die Evolution restlos aufklären könnten und dabei die Rolle des Zufalls übersehen. Auf Glaubensseite komme es zu einer Kompetenzüberschreitung, wenn aus der Bibel eine Deutungshoheit über die Entstehung des Universums abgeleitet wird, was etwa dann geschehe, wenn „religiöse Fundamentalisten die Bibel wortwörtlich [nehmen] und behaupten, die Schöpfung sei genauso abgelaufen, wie es dort geschrieben steht“.

So käme es auf beiden Seiten zu einem „Missverständnis der jeweiligen Position“, was Zeilinger als „Katastrophe“ bezeichnet, denn:

„In Wahrheit ergänzen Wissenschaft und Religion einander. Das sehe ich durchaus positiv!“

Quellen: sn.at, faz.net, dioezese-linz.at, profil.at, erzdioezese-wien.at, kurier.at, pro-medienmagazin.de, diepresse.com (1), diepresse.com (2), katholisch.at, theologie-und-kirche.de, furche.at

Anbei ein Vortrag von Prof. Anton Zeilinger aus dem Jahr 2016 zum Thema „Wissenschaft und Religion“: