KI-Experte Thilo Stadelmann: „Der Mensch braucht zuallererst Identität“

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Der Informatiker Prof. Dr. Thilo Stadelmann, der seit 2021 Professor für Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist, sprach im Interview mit dem christlichen Magazin SEA Fokus über Chancen, Risiken und Grenzen der Künstlichen Intelligenz. Dabei warnte der gläubige Christ die Kirchen vor einer ängstlichen Einstellung und betonte vielmehr die Chancen, die in der KI für Christen liegen.

Prof. Dr. Thilo Stadelmann leitet das Centre for Artificial Intelligence am Department School of Engineering im schweizerischen Winterthur. Im Interview mit SEA Fokus, das auch auf dem Webportal jesus.ch veröffentlicht wurde, schilderte er jetzt, dass ein KI-generierter Text immer „qualitativ mittelmäßig sein und bleiben“ werde, was „methodisch bedingt“ sei. Auch nahm er die Ängste vor der KI im allgemeinen, wenn etwa das Szenario gezeichnet wird, dass durch KI viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Dies basiere auf dem falschen Verständnis, dass KI alles machen könne, wozu wir Menschen im Stande sind. Vielmehr verändere die Integration von KI in die Arbeitsabläufe die Rollen und Aufgaben des Menschen. Dabei betont Stadelmann:

„Der Gedanke, dass KI uns ersetzen könnte, fußt nicht auf technischer Realität.“

Auch wenn die KI in einzelnen Feldern überlegen sei, liefere der Mensch „in den allermeisten Jobs“ gegenüber der KI „einen extremen Mehrwert“, erklärte Stadelmann und fügte hinzu, dass in der Kombination aus Mensch und KI die Zukunft liege.

 

Bereits 2018 betonte der chinesische Unternehmer Jack Ma (Gründer und langjährige Chef der Alibaba Group) auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, dass es gilt, Menschen künftig verstärkt Kompetenzen zu vermitteln, die die Maschine nicht hat. Als Schlüsselqualifikationen, die es in der Bildung zu vermitteln gelte, nannte er: Werte, Glauben, selbstständiges Denken, Teamarbeit und Fürsorge (Nächstenliebe). –> Siehe HIER

 

 

Im Interview mit dem Magazin SEA Fokus antwortete Prof. Dr. Thilo Stadelmann, der 1980 in Lemgo geboren wurde, auf die Frage, was der Mensch brauche, um im Zeitalter von KI in der Arbeitswelt zu bestehen:

„Der Mensch braucht zuallererst Identität: Er muss sich seines eigenen Wertes, seiner Würde und Einzigartigkeit bewusst sein.“

Wer verstehe, „dass er mehr ist und kann, als Informationen zu verarbeiten“, brauche sich vor der KI nicht zu fürchten, zeigte sich Stadelmann gewiss und nahm vielmehr in den Blick, dass Christen aufgrund „ihrer weltanschaulichen Überzeugungen und Sicht auf den Menschen“ durch die Herausforderungen, die die KI mit sich bringt, „eine große Chance wie schon lange nicht mehr“ hätten. Diese Chance liege darin, dass Gute, das die KI bietet, herauszustellen und „die Entwicklung in eine gute Richtung mitzugestalten“. Mit einem blinden Verteufeln würden Christen allerdings diese Möglichkeit verpassen, schilderte der Professor für Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen.

Den Kirchen rät er den Herausforderungen der KI „angstfrei, besonnen und entschlossen“ zu begegnen. Dazu betonte er u.a.:

„Christen sollten sich fragen, wie sie dieses Werkzeug nutzen können, um ihren Auftrag zu erfüllen.“

 

Eine wesentliche Gefahr beim Einsatz von KI liegt für Thilo Stadelmann darin, wenn Menschen im Unverständnis der Technologie, diese mit menschlicher Kompetenz gleichsetzen und infolgedessen zu viel Verantwortung an die Maschine abgeben. Zudem bestehe ein Risiko im „Hang zur Bequemlichkeit“, der darin besteht, dass Menschen „alles mögliche“ an die Maschine delegieren und dadurch „Gelegenheiten zum persönlichen Wachstum und auch zur Aneignung von Kompetenz im Umgang mit diesem mächtigen Werkzeug“ verpassen.

Den Kirchen rät er indes, sich mit diesem Trend zu beschäftigen und ihn zu „prägen – statt ihn nur zu betrachten“. Alles andere wäre seiner Meinung nach „eine Missachtung der eigenen Verantwortung“.

 

Bereits im Frühjahr 2025 plädierte Thilo Stadelmann im Podcast „Hoffnungsmensch“ für einen angstfreien Blick auf das Thema KI. Dabei schilderte der preisgekrönte Wissenschaftler, der in seiner Freizeit gerne Kitesurfen geht und Gitarre spielt, warum wir hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können und warum der Glaube an Gott nicht naiv ist.

Darauf angesprochen, dass von der KI im Gegensatz zu einem Mainstream-Schlager eine Komposition einer Bach-Fuge oder einer Mozart-Sonate nicht zu erwarten sei, sagte Stadelmann, dass in einem Sommerhit „nicht so viel Inhalt“ stecke und es mit guter Technik leicht möglich ist, „so etwas nachzumachen“. Anders sei das bei einer Fuge, in der Form wie sie Johann Sebastian Bach geschaffen hat. So etwas Schönes und Erhabenes mit KI zu entwickeln, erschließe sich „den Methoden, wie wir KI-Systeme bauen überhaupt nicht“, zeigte sich der Hochschullehrer überzeugt.

Überdies betonte Thilo Stadelmann, dass er durch die KI eine Renaissance des Glaubens sehe, insbesondere weil im Zeitalter der KI echte Beziehungen an Bedeutung gewinnen würden. Auf die Frage, was ihn so optimistisch in die Zukunft blicken lasse, erklärte der KI-Experte:

„Ich bin Christ, was mir ein sehr hoffnungsvolles Zukunftsbild gibt.“

Weiter ließ er wissen:

„Ich habe so oft erlebt, dass Glaube tragen kann und dass ein einfaches Gebet Tage später die Realität verändert hat.“

Sein durch den christlichen Glauben geprägtes Weltbild und seine Erfahrungen im Glauben machten ihn „sehr optimistisch, dass die Zukunft gut kommt und dass es Möglichkeiten gibt, Dinge sehr zum Guten einzusetzen, und dass nicht alle theoretische Möglichkeit für etwas Schlechtes, auch genauso eintreten muss“. Zudem schilderte Thilo Stadelmann, dass er sich zwischen einer hoffnungsvollen und einer hoffnungslosen Perspektive immer für die Hoffnung entscheiden würde. So gehe er auch regelmäßig zu Gebetstreffen an der Hochschule, um Hoffnung zu tanken. Darauf angesprochen, ob der Glaube an Gott aus wissenschaftlicher Perspektive nicht naiv sei, verwies der renommierte KI-Experte darauf, dass sein Forschen im maschinellen Lernen auf Annahmen beruhe, die dann eventuell etwas Gutes hervorbrächten. Dazu erklärte er:

„Deshalb ist es mir aus fachlicher Sicht total geläufig, Dinge zu probieren, bei denen ich auf Anhieb nicht erschließen kann, warum das so sein sollte, und dann auf die Empirie zu gucken und zu schauen: Was ist denn mit den Ergebnissen?“

Glaube habe für ihn in gewisser Weise auch einen empirischen Zugang und bedeutet für ihn „so zu leben als ob und dann zu gucken, was sich dann tut“. Mit Blick auf seine Erfahrungen ließ Stadelmann wissen:

„Ich sehe eine starke Korrelation zwischen meinen Gebeten und zwischen Dingen, die sich ändern. Manchmal ändern sie sich in mir. Manchmal ändern sich die Umstände.“

So wie er Menschen ermutige vor der KI keine Angst zu haben und sie auszuprobieren und mit ihr „die Welt zu einen besseren Ort“ zu machen, lasse sich dieser Ansatz auch auf den Glauben übertragen, um Menschen zum Glauben zu ermutigen. Dazu veranschaulicht Thilo Stadelmann:

„Wenn ernstzunehmende Menschen dir von ihren Erfahrungen im Glauben berichten, dann solltest du vielleicht mal nicht auf das Buch von demjenigen hören, der diese Erfahrungen nicht gemacht hat, sondern ein Leben im Glauben mal ausprobieren und mit Gott in Kontakt kommen.“

Am Ende des Gesprächs vervollständigte der gläubige Christ noch drei Sätze. Dabei teilte er mit, dass seine Familie sowie Phasen der Rekreation im Leben ein großer Segen für ihn sind.

Hoffnungsvoll in die Zukunft sehen können wir Menschen seiner Meinung nach, weil die Zukunft nicht in Stein gemeißelt ist und wir Menschen „aktiv daran mitarbeiten“ können, um sie zu einen guten Ort werden zu lassen. Das Wichtigste, was er seinen Sohn mitgeben will, sei: „Glauben“, vervollständigte Thilo Stadelmann mit einem Wort.

 

Quellen: each.ch, jesus.ch, kirchenfernsehen.de

Anbei der Podcast „Hoffnungsmensch“ mit Thilo Stadelmann:

HIER