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Astrophysiker Harald Lesch: „Gott ist kein Lückenbüßer“

Der Astrophysiker und Naturphilosoph Prof. Harald Lesch sprach mit uns im Interview im Klostergarten des Instituts für Lehrerfortbildung in Gars am Inn über den Zusammenhang von Glaube und Naturwissenschaft. Dabei machte er deutlich, dass er die Trennlinie, die hier häufig eingefügt wird, nicht nachvollziehen kann und entlarvte zudem einen logischen Fehler, den Menschen begehen, wenn sie Gott per Definition als Lückenbüßer festlegen.

Wenn er gefragt werde, inwieweit es neben den modernen Wissenschaften so etwas wie Theologie oder Philosophie noch brauche, sei er „immer etwas sprachlos“, insbesondere weil vieles von „unserer unmittelbaren Lebenserfahrung“ im Kontext des Zusammenlebens mit anderen Menschen und in der Sicht auf uns selbst nicht wissenschaftlich durchdrungen sei. So werde ihn die Anwendung von Naturwissenschaft nicht vor wichtigen Lebensfragen befreien. Dazu betont Lesch mit Blick auf den Philosophen Ludwig Wittgenstein:

„Selbst wenn alle Fragen der Wissenschaft beantwortet wären, wäre nicht eine einzige existenzielle Frage meines Lebens betroffen.“

Da habe Wittgenstein recht, fügte Lesch an.

Den Standpunkt, dass sich Glaube und Wissenschaft ausschließen würden, habe er „noch nie verstanden“. Dabei hob Lesch hervor, dass wir über eine innere Erfahrungswelt verfügen, „die uns uns erfahren lässt und die Welt erfahren lässt“.

Auf die Frage, was vor dem Anfang war, könne er vom Standpunkt der empirischen Wissenschaft aus nur sagen: „Keine Ahnung!“ Aus der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass es eine kleinste Wirkung und eine maximale Wirkungstransportgeschwindigkeit gibt, lasse sich ein Anfang des Universums ziemlich genau festlegen. Dabei legte Lesch dar, dass es eine „kleinste sinnvolle kausale Zeit-Skala“ gibt, die aber eben nicht Null Sekunden ist, sondern „10 hoch minus 44 Sekunden“, was sehr klein, aber eben nicht Null sei. Bis zu diesem Wert, der sogenannten Plack-Länge, könnten Messungen vorgenommen werden. Darauf, was davor gewesen sei, könne „aus der empirischen Wissenschaft“ keine Antwort gegeben werden.

An dieser Stelle entlarvt Lesch einen logischen Fehler, der gemacht wird, wenn nun Gott für diesen Bereich als Lückenbüßer herangezogen wird, was zum Beispiel der Astrophysiker Stephen Hawking tat, wenn er Gott als „Namen für das, was Menschen nicht verstehen“, definierte und darauf anfügte, dass die Wissenschaft, dass Universum so erklärt, „dass wir es alle verstehen können“ (Quelle: youtube.com).

Lesch betont im Interview mit uns dagegen explizit:

„Ich würde mich weigern an der Stelle den Begriff ‚Gott‘ einzusetzen, weil das wäre dann so eine Lückenbüßer-Variante.“

Nach einer Wissenschaftsentwicklung von 400 Jahren, in der „die Unklarheiten über die Welt immer kleiner und kleiner werden“, würde diese „Lückenbüßer-Theologie“ Gott „immer weiter verzwergen“, so dass ER heute eine „Bonsai-Variante“ darstellen würde. Die Glaubensgemeinschaft eines solchen Gottes würde dann nur noch „aus theoretischen Astrophysikerinnen und Astrophysikern bestehen“, was ja wohl nicht sein könne. Dazu hebt er hervor:

„Gott ist doch kein Spezialisten-Wissen.“

Sein Verständnis von Gott habe damit zu tun, wie „ich Welt wahrnehme und wie ich von der Welt wahrgenommen werde“.

Zu einer Haltung, die absolutistisch darlegt, dass es keinen Gott gebe, antwortet Lesch mit Blick auf den tschechischen Soziologen Tomáš Halík:

„Du hast nicht genug Geduld. Warte mal ab, du wirst IHN schon noch spüren. (…) Atheisten haben einfach nicht genug Geduld mit Gott.“

Überhaupt bringt Lesch an verschiedenen Stellen des Interviews zum Ausdruck, dass er diese Fragen, die auf einen möglichen Widerspruch zwischen Glauben und Wissenschaft abzielen, nicht verstehe. Diesbezüglich erklärt er auch:

„Ich bin dann meist ziemlich hilflos, wenn ich erzähle, dass ich ein sehr personales Gottesbild habe und ich dann auch davon berichte.“

Dieser personale Zugang habe ihn in Freude und Leid des Lebens „sehr getragen“, berichtete Lesch an anderer Stelle des Interviews.

Dass Gott für Harald Lesch in einer ganz anderen Dimension greifbar wird, als in der Begrifflichkeit eines Namens für das, was wir nicht verstehen, wird im gesamten Interview immer wieder ersichtlich, so etwa, wenn er erklärt:

„Ich glaube nicht, dass ein Mensch von Anfang an irgendwelche Messwerte hat, nach denen er seine Kinder erzieht oder sich selber verhält, sondern das da ganz andere Dinge eine Rolle spielen.“

Oder an anderer Stelle:

„Wenn ich nicht verrückt werden will, brauche ich Geschichten, die mich einordnen in das, was ist, was sein wird und was war. Und dafür ist Religion eine notwendige Säule.“

Eindrücklich ließ Harald Lesch tief blicken, als er im Umgang mit dem Tod seiner jüngeren Schwester die erlebte Nähe Gottes schilderte, die er spürte und die auf einer anderen Erfahrungsebene angesiedelt ist, als der des empirisch Erfassbaren.

Anbei das Video zu unserem Interview mit Harald Lesch zum Nachsehen:

 

Nicht nur Harald Lesch hat ein Problem damit, wenn ein Widerspruch zwischen Glauben und Naturwissenschaft aufgebaut wird. Auch andere gläubige Naturwissenschaftler zeigen immer wieder ihr Unverständnis über einen solchen Standpunkt. So zum Beispiel der Astrophysiker Heino Falcke, der am ersten Foto eines schwarzen Lochs im Universum federführend mitgearbeitet hat, oder der Mathematiker John Lennox, der an der renommierten University of Oxford lehrte.

So antwortete Heino Falcke in der ERF-Sendung „Gott sei Dank“ im Jahr 2018 auf die Frage, ob es für ihn kein Gegensatz sei, an einen persönlichen Gott zu glauben und auf der anderen Seite Naturwissenschaftler zu sein, mit folgenden Worten nüchtern:

„Absolut nicht, sonst wäre ich ja nicht Wissenschaftler geworden.“

Er habe es „bis heute nicht begriffen“, woher die These komme, dass man entweder Wissenschaftler oder gläubig sein müsse. Dabei verwies er auch darauf, dass viele der großen Wissenschaftler wie zum Beispiel auch Max Planck gläubige Menschen waren.

In seinem Buch „Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir“ verwies der 55-jährige Astrophysiker darauf, dass es doch bedenkenswert sei, dass Schwarze Löcher Grenzen der Erkenntnis aufzeigen. Dazu schrieb er:

„Wer es wagt, über die Grenzen der Physik hinaus zu fragen, kommt an Gott nicht vorbei.“

Diesbezüglich erklärt Falcke beispielsweise, dass jeder Mensch die „großen Fragen“ nach dem Woher, Wohin und Warum mit sich herumtrage und auch im Bereich der Liebe eine andere Form der Erkenntnis eine Rolle spielt als die wissenschaftliche. So betont er:

„Die Frage, ob ich geliebt werde oder was ich wert bin, erschließt mir die Sprache der Mathematik nicht.“

Wie in der ERF-Sendung „Gott sei Dank“ erklärt er auch in seinem Buch, dass er an einen personalen Gott glaubt, den er „allein im Gebet, im Feiern der Gemeinschaft, im Schauen auf Jesus und in der Größe und Schönheit des Weltalls“ sehen könne.

In seinem wissenschaftlichen Tun sehe er auf das All und auf das, was dahinter liegt. Das hindert Heino Falcke eben gerade nicht am Glauben, sondern bringt ihn zu einem noch größeren Staunen, das in seinem Glauben eine Antwort findet, was er in seinem Buch wie folgt beschreibt:

„Schaue ich auf den Menschen Jesus Christus, entdecke ich die menschliche Seite von Schöpfung und Schöpfer. So finde ich für mich einen Gott, der Anfang und Ende umfasst, dem ich nichts mehr beweisen muss und nichts mehr beweisen kann und bei dem ich jetzt schon zu Hause bin.“

 

Prof. John Lennox erkennt bei Positionen wie sie von Stephen Hawking oder Richard Dawkins geäußert wurden bzw. werden, wenn sie Gott als Lückenbüßer definieren, eine „große Verwirrung“, wie er im Interview mit dem christlichen Medienmagazin Pro im Februar 2015 erklärte. Aufgrund der Festsetzung von Gott als Lückenbüßer kämen Hawking oder Dawkins dann zum Standpunkt, dass man zwischen Glauben und Naturwissenschaft wählen müsste, aber eben genau deshalb, „weil sie Gott so definiert haben“. Diesen logischen Fehler würden sie nicht merken, „weil sie Gott nicht verstehen“. Sie würden nicht begreifen, dass sie von einem Gottesbild ausgehen, das eben nicht das Gottesbild der Bibel ist bzw. der Gott, an den Christen glauben, so Lennox damals weiter. Weiter merkte er an, dass es mehr Erfahrungen im menschlichen Leben gebe, als die rein naturwissenschaftliche.

Im Pro-Interview erklärte Lennox auf die Frage, was Gott für ihn sei:

„Gott ist für mich zum einen der ewige Schöpfer des Alls und der Halter des Alls. Er ist auch der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Das bedeutet, dass nicht ich als Mensch versuche, Gott zu definieren. Gott hat sich selber sowohl in der Natur als auch in der Bibel geoffenbart, vor allem in Jesus Christus. Wenn ich also wissen will, wie Gott ist, dann schaue ich Jesus Christus an.“

Dies sei die kurze Antwort, so Lennox weiter.

Dass im christlichen Glauben, Gott als Liebe gesehen wird, die sich in Jesus Christus gezeigt hat, kann in der Enzyklika „Deus caritas est“ („Gott ist die Liebe“), die Papst Benedikt XVI. im Januar 2006 veröffentlichte, nachgelesen werden.