Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner: „Lasst unsere Gipfelkreuze in Ruhe!“

Neben der aktuellen Debatte um das klassische Familienbild (Witwenrente, Elterngeld, Ehegattensplitting) schwappt dieser Tage zudem aus Tirol und Italien eine Debatte um die Gipfelkreuze ins Land. In einer Gesellschaft, die ihre Zeit nach Christus rechnet, mahnen einige politische Verantwortungsträger zur Besonnenheit.

Das Erreichen des Gipfelkreuzes markiert für viele Bergwanderer den Höhepunkt der Bergtour verbunden mit einem kurzen Innehalten. So weit so gut. Doch nun regt sich nach heftigen Diskussionen in Österreich und Italien Widerstand gegen die Gipfelkreuze. Das Aufstellen eines neuen Gipfelkreuzes löste die Diskussion aus. Der italienische Alpenverband „Club Alpino Italiano“ bezeichnete die Gipfelkreuze als nicht mehr zeitgemäße religiöse Symbole. Das wird im österreichischen Alpenverband ähnlich gesehen. Wie Der Spiegel berichtet, erklärte der Präsident des Österreichischen Alpenvereins, Andreas Ermacora, in einem Interview mit dem ORF Tirol u.a.: „In den West- und Ostalpen haben wir rund 4000 Gipfelkreuze. Wir sind aber nicht dafür, dass auf jeder Erhebung ein Kreuz steht. Es gibt ja auch Steinmandln oder tibetische Gebetsfahnen, die zur Orientierung dienen können.“

Unterstützung bekommen diese Stimmen von Bergsteiger-Legende Reinhold Messner, der im Jahr 2016 im Interview mit dem Magazin Chrismon erklärte, dass er nichts dagegen habe, dass die Leute glauben, doch dass er selbst folgender Auffassung ist: „Alle Götter, die wir kennen, sind von menschlicher Fantasie produziert.“ Im November 2013 sagte er gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gar, dass er „alle Religionen der Welt für Sekten“ halte, religiöse Menschen jedoch akzeptiere (Quelle: focus.de).

Nun schaltet der 78-Jährige sich auch in die entstehende Gipfelkreuz-Debatte ein. Gegenüber der BILD-Zeitung brachte Messner zum Ausdruck, dass er es als „Manie“ empfindet, „auf jeden Hügel oder Berg ein Kreuz aufzustellen“. Dazu erklärte er, dass es ihm „am liebsten“ wäre, „wenn gar nichts mehr auf den Berggipfeln stünde“ und er der Meinung ist, dass niemand das Recht habe, „einen Berg für seine Religion zu besetzen“. Messner plädiert trotzdem dafür, bestehende Kreuze stehen zu lassen und auch verrottende Kreuze zu ersetzen, aber keine neuen Kreuze aufzustellen.

Auch wenn Österreichs Alpenverband-Präsident ausdrücklich ausschließt, bestehende Kreuze abzubauen, mehren sich mahnende Stimmen aus Politik und Gesellschaft immer mehr, die den Anfängen wehren wollen und darauf verweisen, dass die Gipfelkreuze mit unserer Zeitrechnung in Verbindung stehen.

Wie Der Spiegel berichtet, betonte Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig:

„Gipfelkreuze sind Teil unserer christlichen Tradition und unserer alpinen Kultur. […] Die Gipfelkreuze gehören zu unseren Bergen, und dort sollen sie auch bleiben.“

 

CSU-Generalsekretär Martin Huber führt in der Debatte an, dass die Gipfelkreuze nicht nur ein Symbol für die Gipfelbesteigung sei, sondern auch auf Tradition und Glaube verweisen. Dazu betonte er:

„Das Gipfelkreuz gehört auf den Berg wie der weißblaue Himmel zu Bayern.“

 

Die Bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die selbst Bergsteigerin ist, sagte gegenüber der BILD-Zeitung:

„Lasst unsere Gipfelkreuze in Ruhe!“

Kreuze seien Teil der bayerischen Kultur und Tradition. In Tibet denke niemand nach, Gebetsfahnen am Berg zu verbieten. Weiter erklärte sie:

„Die Leute aus der Region schütteln darüber nur den Kopf. Das versteht keiner bei uns.“

 

Warum solch eine Debatte über neue Gipfelkreuze überhaupt entbrannte, ist mit Blick auf die Realität mehr als fraglich, wenn der Präsident des Deutschen Alpenvereins, Roland Stierle, gegenüber dem BR erklärt, dass es in Deutschland „auf fast allen nennenswerten Gipfeln oder Aussichtspunkten ein Kreuz“ gebe. Auch der österreichische Alpenvereins-Präsident, Andreas Ermacora, berichtet, dass beim Österreichischen Alpenverein seit dem letzten Beschluss der 1990er-Jahre genau zwei Anträge für neue Gipfelkreuze eingegangen seien.

Zur aufkommenden Debatte äußerte sich auch das Erzbischöfliche Ordinariat München und Freising und erklärte u.a., dass es bei den Gipfelkreuzen nicht darum gehe, einen künstlichen Kalvarienberg (Nachbildung von Golgatha) zu inszenieren, sondern den Beistand Gottes herbeizurufen, in einer besonders herausfordernden Natur.

Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV) erinnerte daran, dass nach den Weltkriegen manchmal Kreuze aus Dankbarkeit für das Überleben aufgestellt wurden. Andere gingen auf Wetterkreuze zurück, die Hirten und Waldarbeiter an Übergängen und Pässen aufstellten, um für einen unfallfreien Auf- und Abstieg zu danken.

 

Indes bekommt dieser Tage die Benediktenwand als Hausberg im Landkreis Bad-Tölz/Wolfratshausen ein neues Gipfelkreuz. Seit 1877 ziert ein Kreuz diesen 1.800 Meter hohen Gipfel in den bayerischen Voralpen. Jetzt im Juli wird das Gipfelkreuz zum mittlerweile fünften Mal ersetzt. Der Tradition folgend wollen die Benediktbeurer die insgesamt rund 1,4 Tonnen schweren Teile zu Fuß zum Gipfel bringen. Wie die BILD-Zeitung dazu berichtet, erklärte Benediktbeuerns Bürgermeister Anton Ortlieb:

„Man hätte das auch mit dem Helikopter machen können, aber wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, das Kreuz wie 1958 zum Gipfel zu bringen.“

Warum gibt es eigentlich in Benediktbeuern keine Debatte ums Kreuz? Wie der BR berichtet, sagte Lorenz Kellner von der Freiwilligen Feuerwehr dazu folgendes:

„Das Gipfelkreuz hat eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Kritische Stimmen sind uns gegenüber überhaupt nicht geäußert worden. Natürlich tritt es in den sozialen Medien hin und wieder auf. Aber wir im Dorf freuen uns, dass wir es erneuert haben.“

Gott sei Dank!

Quellen: spiegel.de, bild.de (1), chrismon.evangelisch.de, focus.de, gmx.net, bild.de (2), br.de