Foto: Jarvin - Jarle Vines, Jon Fosse, CC BY-SA 3.0

Jon Fosse: „Mit Mitte 20 wurde ich zum Gläubigen im christlichen Sinn“

Der norwegische Autor Jon Fosse hat den Nobelpreis für Literatur verliehen bekommen. Im Zuge dessen berichtet die Tagesschau von einer prägenden Erfahrung in der Kindheit und von der Hoffnung, die man in den Werken des 64-Jährigen findet. Die Freie Presse berichtet von der den Autor charakterisierenden Suche nach Gott. Jon Fosse ist gläubiger Christ.

tagesschau.de schreibt zum Literatur-Nobelpreis für den 64-Jährigen: ‚Schon in jungen Jahren wurde Jon Fosse mit dem Tod konfrontiert – das Erlebnis prägte das Leben und Wirken des Literatur-Nobelpreisträgers. Und doch findet man Hoffnung in seinen Werken.‘

Auf freiepresse.de wird mit folgenden Worten berichtet: ‚Die Entscheidung der Akademie ist keine Überraschung, aber gut so. Berühmt machten Fosse unter anderem seine Theaterstücke – und seine Suche nach Gott.‘

Ausgelöst wurde bei Jon Fosse die Suche nach Gott durch eine Nahtoderfahrung im Alter von sieben Jahren, worüber der Autor im Dezember 2022 ausführlich im Interview mit der Neuen Züricher Zeitung sprach.

Mit 12 Jahren begann Jon Fosse mit dem Schreiben, im Alter von 20 Jahren schrieb er seinen ersten Roman. Wie freiepresse.de berichtet, erklärte er diesbezüglich:

„Seit damals suche ich nach dem, was wir als Gott bezeichnen. Nach dem Gott in einer gottlosen, zumindest in intellektuellen Kreisen vollkommen säkularisierten Welt.“

Im Dezember 2022 beantwortete Jon Fosse, der eine Künstlerresidenz im Schloss des norwegischen Königs bewohnt und dort bis zu seinem Tod Gastrecht genießt, im NZZ-Interview die Gretchenfrage mit einem klaren „Ja“. Dazu schilderte er, dass er als Kind „keinen Glauben“ gehabt habe, bis es im Alter von sieben Jahren „zu einer ersten Zäsur“ in seinem Leben gekommen sei. Nach einem „schlimmen Unfall“, bei dem er „ungeheure Mengen an Blut“ verloren habe, habe er „ein Nahtoderlebnis“ erfahren, bei dem er sich „aus der Ferne“ gesehen habe. Dazu erklärte er rückblickend:

„Es war ein dramatischer Moment, zugleich aber ein sehr friedlicher.“

Seit diesem Tag, an dem er etwas erfahren habe, „von dem die meisten nichts wussten“, habe er die Angst vor dem Tod verloren, wobei er aber noch keinen konkreten Glauben hatte, was der Schriftsteller wie folgt darlegt:

„Ich war noch kein gläubiger Christ. Doch ich wusste von da an, dass da etwas Größeres ist.“

Einen Widerspruch zwischen seiner Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnis sieht Jon Fosse dabei nicht. Darauf angesprochen, dass er sein Nahtoderlebnis spirituell deute, wobei sich aber vielleicht lediglich ‚eine seltene chemische Reaktion‘ in seinem Gehirn vollzogen habe, reagierte der Nobelpreisträger auf diese vermeintliche reine Wissenschaftsgläubigkeit gelassen, indem er erklärte:

„Alles, was wir erleben, lässt sich auf Chemie zurückführen. Doch das erklärt nichts. Es ändert nichts daran, was ich erlebt habe.“

Diese Erfahrung sei vielleicht „das realste Erlebnis meines Lebens“ gewesen, das ihn auch mit 12 Jahren zum Schreiben geführt habe. Motiviert habe ihn dabei die Hoffnung, mit dem Schreiben die Distanz zu überbrücken, die er gegenüber Mitmenschen fühlte, die seine Erfahrung nicht teilten.

Zu einem konkreten, ihn tragenden Glauben fand Jon Fosse erst später. Dazu berichtete er im NZZ-Interview:

„Mitte 20 wurde ich dann zum Gläubigen im christlichen Sinn.“

Die Sehnsucht, Gott näher zu erfahren, habe mit „dem Mysteriums des Schreibens“ zu tun. Als er eine Erklärung dafür suchte, woher seine Einfälle beim Schreiben kamen, wurde ihm klar, dass „etwas da draußen sein [musste], das mit meiner Art zu schreiben in Beziehung stand“. Im Zuge dessen habe er angefangen, „über Gott nachzudenken“, Messen zu besuchen und theologische Schriften zu lesen.

Der Skepsis seines Interviewpartners, ob er als studierter Philosoph nicht ständig im Widerspruch von Glauben und Vernunft stehen müsste, entgegnete Fosse, dass dies „keineswegs“ der Fall sei, und legte den vorgebrachten Kategorienfehler wie folgt offen:

„Alles, was existiert, kann man rational analysieren. Nicht rational analysieren kann man dagegen, wer die Dinge geschaffen hat.“

Weiter merkte der Literatur-Nobelpreisträger an, dass sich das Transzendentale dem Raum und der Zeit entziehe und damit auch der naturwissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeit. Als Beispiel verwies er auf „die Ehrfurcht, die der Physiker Albert Einstein angesichts der Kreation des Universums“ empfunden habe.

Anschließend wurde Jon Fosse im NZZ-Interview noch mit der Herausforderung der Theodizee-Frage konfrontiert, auf die er „eine sehr einfache, aber einleuchtende Antwort“ gefunden habe. Seiner Meinung nach gebe das Neue Testament Hinweise, dass Gott „erst am Ende aller Tage allmächtig“ sein werde. Dazu erklärte der Schriftsteller weiter:

„Es gibt das Gute in der Welt, aber auch das Böse. Dadurch gibt es den freien Willen. Der Mensch kann sich entscheiden – für das Gute, für die Liebe.“

Seinen Entschluss nach einer inspirierenden Zeit als Quäker zum Katholizismus zu konvertieren, begründete Jon Fosse mit der Sehnsucht, sich „mit einer größeren Glaubensgemeinschaft“ zu verbinden und die personale Beziehung zu Gott zu erfahren. Nachdem er schon früh in seinem Leben den Bezug zur Spiritualität für sich entdeckte, wuchs die Sehnsucht nach einem Bezug zu Jesus Christus. Dazu betonte Fosse:

„Und um ein wahrer Christ zu werden, muss man sich mit Jesus Christus verbinden.“

Diese Beziehung erfahre er insbesondere über die Eucharistie, was er wie folgt beschreibt:

„Während der Kommunion fühlte ich eine ungeheure Präsenz von etwas. Etwas, das über mir stand.“

Diese Präsenz fühle er bis heute in einem Gottesdienst beim Empfang des Leibes Christi.

In einer Zeit, die an vielen stellen der Kirche das Gute abschreiben möchte und sich in der Berichterstattung nahezu ausschließlich auf die Verfehlungen fokussiert, gibt Jon Fosse zu bedenken:

„Schauen Sie, der katholischen Kirche ist in den vergangenen 2000 Jahren etwas höchst Erstaunliches gelungen. Sie hat das Mysterium des Glaubens durch die Zeit gerettet.“

Bereits 2015 berichtete der Deutschlandfunk mit der Headline „Warum Jon Fosse zum Katholizismus konvertierte“ über den ‚außergewöhnlichen Weg‘ des Norwegers zum katholischen Glauben.

Quellen: tagesschau.de, freiepresse.de, faz.net, fr.de, magazin.nzz.ch, deutschlandfunkkultur.de