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Pater Christoph Kreitmeir: „Der ‚Weinberg‘ ist nicht das Eigentum weniger“

Seine Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mt 21, 33-44) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir unter die Überschrift „Nature is speaking – Die Natur erhebt ihre Stimme“ und beschreibt dabei mit Blick auf das Evangelium die Verantwortlichkeit für die Herausforderung durch den Klimawandel.

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Dieses Evangelium mit dem eben gehörten Gleichnis von den bösen Winzern kann auf verschiedene Weise gehört und verstanden werden. Jahrhundertelang wurde es z. B. so verstanden, dass das Volk der Juden das Recht auf den Weinberg Gottes verloren hatte und die neuen und anscheinend besseren Winzer die Christen sind, denen der Weinberg gegeben wurde.

Diese Deutung hatte furchtbare Konsequenzen: Auf Juden durfte “mit dem Segen von oben“ herabgeschaut werden und leider noch viel mehr … Ob die Christen dann die besseren Winzer waren und sind … das lässt sich wirklich bezweifeln …

Ich möchte heute einen ganz anderen Blick auf dieses Evangelium werfen. Mir geht es um die immer drängender werdende Frage nach dem Weinberg.

Der Weinberg steht für mich als Sinnbild der Schöpfung, der Natur, von „Mutter Erde“.

Alle ernstzunehmenden Wissenschaftler und Forscher bestätigen uns Erkenntnisse der zunehmenden Gefährdung unserer Lebensgrundlagen. Wir Menschen sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. Wir wissen es und die notwendigen Gegenmaßnahmen werden nur sehr halbherzig in Angriff genommen oder verschleppt.

Nature is Speaking – die Natur erhebt ihre Stimme: Unter diesem Motto hat die Umweltorganisation „Conservation International“ eine Serie von Kurzfilmen in vielen Sprachen produziert, die eine einfache Botschaft verkünden: Die Natur braucht den Menschen nicht – der Mensch aber braucht die Natur. Für die deutschen Beiträge (https://www.conservation.org/nature-is-speaking/german) konnten mit den Schauspielern Marie Nasemann, + Hannelore Elsner, Hannes Jaenicke und Oliver Mommsen prominente Persönlichkeiten des deutschen Films für das Projekt gewonnen werden. Als Synchronsprecher leihen sie  „Der Erde“ (Nasemann), „Mutter Natur“ (+ Elsner) dem „Ozean“ (Jaenicke) und dem „Boden“ (Mommsen) in den gleichnamigen Kurzfilmen ihre Stimme.

Es ist so wichtig, die warnenden Stimmen zu hören, die vom Gefährdetsein des Weinberges ERDE sprechen.

So konnte ich gestern an der Premiere des Stückes „Spuren und Geister“ im Ingolstädter Stadttheater teilnehmen. Dort wurde  durch starke schauspielerische Leistung im ersten Teil eindringlich und fast apokalyptisch darauf hingewiesen, wie viele Tier- und Pflanzenarten der Mensch schon ausgerottet hat und eigentlich seine Zeit auf dieser Welt abgelaufen ist. Der zweite Teil führte ein Oratorium Georg Friedrich Händels durch Orchester und Solisten auf, in dem vier Allegorien – die Schönheit, das Vergnügen, die Zeit und die Erkenntnis – im Ringen miteinander versuchten zur echten Wahrheit, die wirklich glücklich und frei macht, zu führen.

Wer wird siegen in unserer heutigen Zeit? Das reine Vergnügen, die Nach-mir-die-Sintflut-Einstellung oder die Erkenntnis, endlich die Apokalypse zu bremsen oder aufzuhalten. Oder über allem die Zeit, die am Ende auf jeden Fall die Ernte einfahren wird? Dieser Abend im fast ausverkauften Ingolstädter Theater wirkt sehr in mir nach.

Jesus wendet sich im heutigen Evangelium an die Hohenpriester und Schriftgelehrten mit deutlich warnender Stimme. Ihm geht es besonders um das Reich Gottes, das er durch Engstirnigkeit und Egoismus gefährdet sieht. Jesus sieht eindeutig die Frage der Verantwortlichkeit bei den Führenden des Volkes, religiös und auch politisch. Damals und heute.

Wenn heute Präsidenten reicher Industriestaaten schlichtweg den Klimawandel und andere globale Probleme leugnen, dann werden sie ihrer Verantwortung für die Menschen und die uns anvertraute Erde nicht gerecht. Sie werden über kurz oder lang aber zur Verantwortung gezogen werden. Da sind Jesu Worte eindeutig und klar.

Wir sind den sogenannten Hohen und Führern nicht schutzlos ausgeliefert. Das Eigentliche, worum es im Leben geht, ist etwas, bei dem GOTT sich vorbehält, Kehraus zu machen, wenn die, die er beauftragt hat, sich nicht an Ausgemachtes halten. So ein Kehraus findet m. M. n. zur Zeit auch in der katholischen Kirche statt.

Wir müssen wachsamer und kritischer gegenüber schlechten, ja bösen Winzern werden, die mit dem ihnen Anvertrauten tun und lassen, wie sie es wollen. „Fridays for Future“, Greenpeace und viele andere haben die Zeichen der Zeit erkannt. Die Klimakleber der sog. „letzten Generation“ übertreiben und gehen meiner Meinung nach den falschen Weg. Ihre Einsätze nützen dem Schutz des Klimas nicht, sie bringen nur die Menschen gegen sich auf. Eins ist aber auf jeden Fall richtig:

Der „Weinberg“ ist nicht das Eigentum weniger, die Erde gehört uns allen.

Nein, sie gehört uns nicht, wir sind als Treuhänder und Verwalter des „Weinberges“ bestellt. Wir einzelne können uns nicht billig vor eigener Verantwortung mit dem Hinweis auf „die da oben“ entschuldigen.

Der Ruf nach Führern und Leadern, die autokratisch den starken Mann geben und selbstherrlich das Ruder in die Hand nehmen, wird derzeit wieder lauter. Wer aber sein Recht auf Selbstgestaltung des Lebens und politisch-demokratische Mitbestimmung zu leichtfertig abgibt, der muss sich nicht wundern, wenn er ausgenutzt und fehlgeleitet wird. Wir sollten endlich erwachsen werden, sollten als freie und mündige Bürger in der Welt und in unserer Gesellschaft Verantwortung für uns selbst, füreinander und für unsere „Mutter Erde“ übernehmen.

„Sehen – Urteilen – Handeln“ ist unsere Aufgabe als Christen in Kirche und Welt und nicht „Sehen – Urteilen – an andere delegieren und dann im besten Falle meckern oder einfach nur wegducken“.

Noch haben wir Zeit, aber, wie es so gut dargestellt wird in den Kurzfilmen: Die Natur braucht den Menschen nicht – der Mensch aber  braucht die Natur. Noch haben wir Zeit, als Verwalter des Weinberges gute Früchte abzuliefern … Noch, aber nicht mehr allzu lange …

Amen.

Hinweis: Vor kurzem ist das neue Buch „Welche Farbe hat der Tod?“ (Gütersloher Verlagshaus, 30.8.2023) von Pater Christoph Kreitmeir erschienen. Mehr Infos dazu gibt es in unserem Interview mit Pater Kreitmeir:

HIER