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Maler Michael Triegel: „Kirche ist eine Institution, in der Gemeinschaft entsteht“

Der Maler Michael Triegel, der in der ehemaligen DDR atheistisch aufwuchs und sich in der Osternacht 2014 taufen ließ, malt seit 2004 sowohl für die katholische und evangelische Kirche. Nun wird sein Bild „Deus absconditus“ (Der verborgene Gott) der Pfarrei St. Matthias Schöneberg in Berlin als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Im Interview mit der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost sprach der 53-Jährige über sein Werk und seinen Weg im Glauben.

Dass sein Bild „Deus absconditus“ in einer ganz normalen Kirche zu sehen ist, empfindet Michael Triegel als „großartig“ und als „ein großes Geschenk“, weil das Bild, anders als bei der Präsentation in einer Galerie oder einem Museum, so „eine Verbindung zu einem Raum [hat], in dem Glauben gelebt wird, der dort befragt wird“.

Dieses Bild malte Triegel, den die Beschäftigung mit christlichen Motiven zum Glauben führte (wir berichteten), in einer Zeit, als in ihm der Entschluss reifte, sich taufen zu lassen. Gegenüber der Tagespost berichtete der Künstler, dass die Entscheidung zur Taufe mit einem längeren Prozess verbunden war. Als er mit christlicher Kunst beauftragt wurde, habe er seine Auftraggeber erstaunt gefragt:

„Warum kommt ihr zu mir? Ich bin das arme Heidenkind aus dem Osten und male eigentlich nur meine Sehnsüchte und Zweifel. „

Doch genau deshalb habe man ihn von kirchlicher Seite kontaktiert, weil dort gerade der „Blick von außen“ gewünscht war und nicht die bloße Bestätigung von Glaubensgewissheit. Auch als Mensch im Glauben seien bei ihm „zum Teil“ die Zweifel und die „Sehnsucht nach der Sehnsucht“ präsent geblieben. Dazu erklärte der in Leipzig arbeitende Maler:

„Vorher waren es intellektuelle Zweifel, jetzt sind sie existenzieller und stellen eine ganze Lebensentscheidung infrage.“

Somit habe sich mit Blick auf sein künstlerisches Schaffen „zum Glück eigentlich nichts geändert“. So habe er auch verstehen gelernt, dass die Taufe „kein Schlusspunkt, sondern der Beginn eines Weges“ sei. Diesbezüglich hob Triegel hervor:

„Nach der Taufe merkte ich, dass sich mein Blick auf Gott pausenlos verändert. Ich staune, dass mir Gott immer wieder fluide erscheint, mir immer wieder neue Aspekte zeigt und sich auf der anderen Seite wieder neu entzieht.“

Für sein persönliches Leben habe die Entscheidung zur Taufe Veränderungen ergeben und zwar in Form eines neuen Gefühls „von Gemeinschaft, das ich bis dato nicht kannte“, sowie einer Weitung des Horizonts. Insbesondere habe er über die geschlossene „Blase der Kunstwelt“ hinaus neue und andere Menschen kennengelernt. Dazu betont Michael Triegel:

„Ich stellte fest, Kirche ist eine Institution, in der Gemeinschaft entsteht, in der die Mitglieder wissen, dass es etwas Größeres gibt als sie selbst.“

Diese Erfahrung führte auch dazu, dass er mit Blick auf sein berufliches Wirken „bescheidener geworden“ sei und heute „in einer größeren Demut einen Schritt zurücktreten“ könne, weil er wisse, dass es „nicht allein um mich“ gehe.

Auch nach „den furchtbaren und schrecklichen Fällen von Missbrauch und Machtmissbrauch in der Kirche“ betont Triegel, dass er bewusst in der Kirche bleibe, was er wie folgt darlegt:

„Der Grund, warum ich in der Kirche bleibe, ist, dass ich sie tatsächlich als Leib Christi verstehe.“

Mit Blick auf die Beschreibung des Apostel Paulus im Korintherbrief über den Leib Christi (1Kor12,12-27) fühlt sich Michael Triegel aufgerufen, vielmehr „an der Heilung des Leibes mitzuarbeiten“ als auszutreten und sich damit „aus der Verantwortung“ zu entlassen. In diesem Kontext appelliert der 53-Jährige, „nicht die menschliche Institution mit dem Christentum oder sogar mit Gott selbst zu verwechseln“. Dazu betont er:

„Gott ist immer noch da, aber wenn wir ihn nicht mehr wahrnehmen wollen, dann ist er subjektiv gesehen erst einmal abwesend. Letztlich ist es an uns, einen Schritt auf ihn zuzugehen, unsere Augen zu öffnen und ihn wieder neu zu sehen.“

Hinsichtlich der anstehenden Neuaufstellung der Kirche verwies Michael Triegel  als „spät Hinzugekommener“ darauf, dass Erneuerung „nicht von außen aufgezwungen werden“ könne, sondern „von innen“ entstehen müsse. Dabei werden die Kirchenmitglieder möglicherweise überrascht feststellen, dass „weder der knallharte Traditionalismus, noch eine forcierte Modernisierung“ der Weisheit letzter Schluss sind, sondern am Ende „etwas ganz anderes“ entsteht. Mit Rückblick auf die Kirchengeschichte und dem Satz „ecclesia semper reformanda“ sei ihm klar, dass in Zeiten der größten Krise auch große Chancen liegen.

Quelle: tagespost.de