Mirijam Günter und Pfr. Dominik Meiering schrieben besondere Weihnachtsgeschichte
Die Schriftstellerin und Publizistin Mirijam Günter, die Trägerin des ersten Preises im Bereich Kinder und Jugendliteratur der 7. Bonner Buchmesse Migration ist, bekennt sich auf Nachfrage ganz selbstverständlich zu ihrem katholischen Glauben, der für sie nach mehreren Aufenthalten in Kinder- und Jugendheimen lebensprägend wurde (wir berichteten). Dazu erklärte sie u.a. einmal:
„Ich würde nicht dastehen, wo ich stehe, wenn es die katholische Kirche in meinem Leben nicht gegeben hätte.“
Zusammen mit dem leitenden Pfarrer der Kölner Innenstadtgemeinden und Domkapitular am Kölner Dom, Dominik Meiering, hat Mirijam Günter eine besondere Weihnachtsgeschichte mit dem Titel „Dieser Säugling ohne Papiere: eine Weihnachtsgeschichte für Gläubige und Ungläubige“ geschrieben, die zuerst in Wochenzeitung „Der Freitag“ erschienen ist und die wir – mit freundlicher Genehmigung von Mirijam Günter – als Impuls zum heutigen Sonntag sowie als Reflexion zu den hinter uns liegenden vier Adventssonntagen nun auch hier veröffentlichen.
Dieser Säugling ohne Papiere: eine Weihnachtsgeschichte für Gläubige und Ungläubige
Stellen wir uns also vor, dass wir in der Adventszeit an einer Kreuzung stehen und im Laufe der vier Wochen alle vier Wege ausprobieren.
Am ersten Advent gehen wir geradeaus. Die Bibel schreibt, dass die Menschen zu der Zeit bestürzt und ratlos waren und Ängste ausstanden. Das liest sich ja wie von heute. Ja und? Dürfen wir Menschen nicht bestürzt und ratlos sein? Ich bin froh, wenn ich in diesen Zeiten, in denen so viele Leute auf alle Fragen eine Antwort haben, genau wissen, was richtig und falsch ist, jemanden treffe, der sagt: Ich bin bestürzt, bin ratlos, habe solche Angst.
Was für eine Freude, sagen zu können: Wir Gläubigen haben euch eine Christenfreude in dieser Heidenangstzeit mitgebracht.
Wenn wir am zweiten Advent an der Kreuzung rechts abbiegen, treffen wir Johannes. Das war der Typ, der Jesus angekündigt hat, als dieser noch nicht unterwegs war. Also praktisch war Johannes die Vorankündigung. Und Johannes war richtig sauer. Und beschimpfte die Leute. In der Bibel hagelt es Schimpfwörter. Man muss ja Tacheles mit den Leuten reden, sonst raffen sie es nicht. Warum war Johannes so sauer? Er taufte ja die Leute, aber die ließen das nicht aus Überzeugung machen, sondern nach dem Motto: Kann ja nicht schaden. Kommt mir bekannt vor. Dumme Sprüche über meinen Glauben musste ich mir von meiner Zeit im Heim bis heute von (meist linken) Leuten anhören. Das sei doch nur ein Märchen, an das ich da glauben würde? Ja und? Ist doch ein gutes Märchen. Aber irgendwie auch süß. Dieselben Leute, die das sagen, schicken mir Herzchen, wenn ich in der Kirche für sie oder ihre Anliegen eine Kerze aufstelle. Manchmal werde ich beauftragt, dies zu tun.
Am zweiten Advent also war Johannes ziemlich sauer, weil die Menschen sich nicht aus Überzeugung tauften. Vielleicht taten sie es wegen der Stimmung? Gibt ja Leute, die gehen nur an Heiligabend in die Kirche, weil sie das für ihr Weihnachtsfeeling brauchen. Mein letztes Mal Heiligabend in der Kirche liegt schon ein paar Jahre zurück. Hinten am Taufbecken war ein Mann, um die 30, festlich angezogen. Er rauchte eine Zigarette und aschte ins Taufbecken. Als ich ihn bat, das zu unterlassen, beschimpfte er mich und die ganze Katholikenbrut als konservative Scheißspießer. Na danke, das brauch ich mir an Weihnachten echt nicht zu geben.
Und wenn wir links abbiegen, steht da am dritten Advent noch mal der Johannes. Und der ist radikal sozial, fast schon sozialistisch unterwegs. Wer zwei Gewänder hat, soll eins davon einem geben, der keins hat. Die Leute fragen ihn, was sie tun sollen. Weil sie selbst ohnmächtig geworden sind, nicht mehr wissen, was eigentlich richtig wäre oder dran wäre. Sie brauchen irgendwie einen Tipp, was jetzt das Notwendige, das Not-Wendende ist. Und so gibt er Hinweise, die eigentlich selbstverständlich sind, die aber offensichtlich in Vergessenheit geraten sind. Den Leuten sagt er: Teilt das Essen! Den Soldaten: Misshandelt niemanden, erpresst niemanden! Sind eigentlich Alltagsweisheiten, aber es schadet nichts, wenn man die auch heute mal wieder manchem in Erinnerung ruft. Es gibt so viele Leute, die rennen gerade jetzt in der Adventszeit wirr durch die Gegend und machen Extrem-Shopping. Und dabei brauchen wir das meiste von all den Dingen gar nicht.
Wichtiger ist, was der Johannes sagt: Teilt! Seid gerecht!
Immerhin sind die Leute so beeindruckt von seiner Predigt da am Jordan, wo er die Leute zur Umkehr aufruft und tauft, dass sie sagen: Der ist ein Prophet. Das ist einer, der überirdische, göttliche Tipps gibt. Aber Johannes will davon nichts wissen. Er schickt alle zu Jesus, der sei der eigentlich wichtige, mit Gott verbundene Mensch.
Am vierten Advent gehen wir in die letzte Richtung. Und da macht sich die eine Frau zu der anderen Frau auf. Maria geht zu ihrer Cousine Elisabeth, die ist allerdings um einiges älter. Aber beide bekommen ein Kind: Elisabeth den Johannes den Täufer und Maria den Jesus. Irgendwie schön, wie die beiden aufeinander zugehen und sich helfen.
Und Johannes hüpft sogar vor Begeisterung im Mutterleib, einfach weil es so schön ist – und weil der da schon gewusst haben soll, dass dieser Jesus der mit Gott verbundene Mensch ist, der Gottessohn, wie es in der Bibel heißt.
Da sind zwei kleine, noch nicht geborene Babys, aber die werden noch einige Berühmtheit bekommen. Da wird man noch Jahrtausende später drüber reden. Was aus Kindern nicht alles werden kann! Glauben nur zu wenige Leute dran. An das göttliche Potenzial, das in jedem Kind drinsteckt.
Und dann ist es endlich so weit. Wir sind zurück am Anfang, mitten auf der Kreuzung. Der Heilige Abend ist da. Abend! Nicht Nachmittag. Und während Dominik Meiering an diesem Abend katholische Messen in der Kölner Innenstadt hält, schmeißt Mirijam Günter Steine in den Rhein und denkt sich: Was für ein Wahnsinn. Unsere ganze Hoffnung, unser ganzes Gebet gilt einem kleinen Jungen aus dem Orient, der keine Papiere besitzt und nirgends willkommen ist. Willkommen, du kleiner Säugling! Halleluja!
Von Mirijam Günter mit Dominik Meiering
Hinweise:
- Einen Artikel zum Glauben von Mirijam Günter gibt es:
- Mehr Infos über das Wirken von Mirijam Günter gibt es unter: