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Pater Christoph Kreitmeir: „Feindesliebe ist schwer, aber weltverändernd“

In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Lk 6, 27-38) geht unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir auf die schier unmöglich anmutende Forderung Jesu nach Feindesliebe ein, mit der Jesus einen so ganz anderer Weg aufzeigt, mit Gewalt umzugehen und auf das Unrecht, das wir erleiden, zu reagieren. Ein Weg der schwer, aber nicht unmöglich ist, wie Vorbilder wie Nelson Mandela, Martin Luther King oder Mahatma Ghandi zeigten.

 

Anbei die Worte der Predigt von Pater Kreitmeir als Audio-Datei und anschließend im Textformat: 

 

 

Immer wieder werden wir durch die Medien über schlimmste Verbrechen informiert, die Menschen an anderen begehen. Das macht uns einerseits fassungslos, andererseits aber auch wütend auf die Täter. In uns regt sich ein Gerechtigkeitsgefühl, das harte Strafe fordert.

In den letzten Wochen erleben wir ganz konkret, wie die Angst vor einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine wächst, eine Angst auch vor einem sich zu einem Flächenbrand ausweitenden Konflikt. Wir empfinden es als richtig und notwendig, dass die Natostaaten sich neu, kräftig und Russland deutlich warnend entgegenstellen. Die Forderung Jesu nach Feindesliebe kommt uns hier mehr als unpassend vor.

Wenn wir uns eine ehrliche Meinung über diese Fragen bilden wollen, dann müssen wir auf uns selbst schauen.

Die Feindesliebe, die Jesus von uns Menschen fordert, ist eine schwere Herausforderung.

Jesus hat uns mit seinen Worten einen ganz anderen Weg aufgezeigt, mit Gewalt umzugehen und auf das Unrecht, das wir erleiden, zu reagieren.

Da tue ich mich aber wirklich schwer, gleich JA zu sagen zu seinen Worten. Es ist ja auch viel einfacher und natürlicher, Rachegedanken zu hegen. Es ist auch viel leichter, zurückzuschlagen, sei es mit Worten oder sei es körperlich, als zu vergeben und zu verzeihen.

Wie oft spüren wir: Da wollen oder können Menschen einfach nicht mehr aufeinander zugehen. Auf Jahre hinaus sind sie verfeindet. Nur selten gehen Feinde aufeinander zu, um endlich einen Schlussstrich zu ziehen. Die Fronten sind verhärtet.

Doch Jesus zeigt uns: es geht auch anders. Gewalt erzeugt nur Gegengewalt. Hass mit eigenem Hass zu beantworten, das kann mich auf Dauer nicht glücklich machen, es vergiftet mich von Innen heraus. Ich stelle mich mit dem anderen, der mir Böses tut, auf eine Stufe. Und das ärgert mich und könnte mir genügend Energie liefern, es nicht zu tun: 

Ich will nicht so sein wie der andere, der Böses tut. Und es ist wie so vieles im Leben – ich muss das lernen und üben.

Da bin ich auch schon bei dem wichtigen Wort: Einüben und üben. Vielleicht kann man alles lernen, auch die Feindesliebe. Je mehr ich übe, umso besser wächst auch die Fähigkeit, einander zu lieben, um so mehr lerne ich auf Unrecht nicht mit Unrecht zu antworten.

Es hat sie gegeben die Menschen, die auf Unrecht nicht mit eigenem Unrecht geantwortet haben. Sie haben das Unrecht nicht einfach hingenommen, sondern sie haben es auf ihre Weise zu überwinden versucht.

Ich nenne hier z.B. Nelson Mandela, der durch eigenes Erdulden und Erleiden das Unrechtssystem der Apartheid in Südafrika zu Fall brachte. Oder Martin Luther King, der amerikanische Bürgerrechtler. Wie einfach hätte er sagen können: wir Farbige werden unterdrückt, die Menschenrechte werden uns vorenthalten. Dagegen kann man nur mit Gewalt angehen. Er wäre von den meisten Menschen verstanden worden. Malcolm X ging den Weg der Gewalt, doch Martin Luther King ging den Weg der Gewaltlosigkeit. Er hatte damit dort, wo er lebte, die Botschaft Jesu vom Reich Gottes konkret verwirklicht.

Ich möchte auch Mahatma Ghandi erwähnen. Wie einfach hätte er es gehabt, gegen die Unterdrückung durch die Briten in Indien mit Gewalt zu kämpfen. Doch auch er geht einen anderen Weg. Obwohl er kein Christ war, so setzte er doch ein Zeichen, dass es möglich ist, die Worte Jesu in die Tat umzusetzen. Ich glaube, dass die genannten Persönlichkeiten stellvertretend für viele Menschen stehen, die in ihrem Bereich versuchen, auf Rache und Vergeltung zu verzichten,  die bereit sind zu vergeben.

Es gibt noch andere Aussagen Jesu im heutigen Evangelium, die nach Umsetzung rufen:

  • Es gibt sie, die Menschen, die anderen Gutes tun, ohne zu fragen, ob sich die anderen revanchieren.
  • Es gibt sie, die Menschen, die sich anderen gegenüber so verhalten, wie sie es von anderen erwarten. Hier zeigt sich die berühmte „Goldene Regel“.

Wir kennen diese Regel in der negativen Form „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“ oder in der positiven, wie Jesus sie gebraucht: „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7, 12).

Und wir spüren sofort: „Das ist es!“ Eigentlich ist es so einfach, fast selbstverständlich. Und doch: Es wäre eine Revolution, wenn die Menschen sich daran hielten. Und wie anders würde die Welt aussehen, wenn ganze Gruppen, ja ganze Völker und Staaten sich dieses Wort zu eigen machen würden!

Eine Illusion? Eine Utopie? Lassen wir diese Frage ruhig offen. Auf jeden Fall ist es eine Vision, die uns Menschen tief ins Herz gelegt ist. Die Goldene Regel ist ein Grundsatz, der dem Verstand als wichtige Basis des Zusammenlebens einleuchtet. Für mich ein Grund, diese Weisung einmal einen Tag lang zu meinem Motto zu machen: Alles, was ich von den anderen erwarte, das will ich auch ihnen tun! Und dann noch einen Tag und noch einen, immer wieder einüben und üben …

Wer versucht, das  zu leben, was Jesus heute im Evangelium in jedem einzelnen Satz sagt, der zeigt, dass er zu Jesus gehört und sich dadurch von anderen unterscheidet.

Jesus wollte Neues, er wollte, dass durch uns als seine Nachfolger und Nachfolgerinnen die unbegrenzte Liebe Gottes in die Welt kommt!

Jesus wollte den Sieg des Guten über das Böse, und zwar durch das Gute.

Ich spüre, dass dieses Evangelium eine Herausforderung ist. Doch ich spüre auch, dass ich mich nicht an diesen Worten Jesu vorbeimogeln darf. Jesus spricht diese Worte zu uns, weil er eine andere Welt aufbauen wollte und durch uns auch heute noch will. Unser Reden und Tun soll Zeugnis für IHN geben.

Ich gebe zu: Es ist nicht immer leicht, das zu leben, was wir im Evangelium gehört haben. Rein menschlich zu handeln, das zu tun, was jeder verstehen könnte, wäre einfacher.

Aber wir können eines tun: Die Liebe zu anderen, sogar zu unseren Feinden, und alles, was Jesus uns heute zumutet oder zutraut, üben, üben und nochmals üben.

Mit seiner Hilfe wird es uns immer mehr gelingen, da bin ich sicher! Und das macht dann wirklich glücklich.

Amen.

Hinweis: In der Rubrik „Ausgelegt“ ist heute auf katholisch.de ein Beitrag von Pater Christoph Kreitmeir erschienen.

Den Beitrag gibt’s

HIER

Im heutigen Evangeliumstext (Lk 6, 27-38) finden sich Zeilen, die als roter Faden des Evangeliums gesehen werden können und jedem Christenmenschen eine gute Orientierung im Handeln sein können. Sie lauten:

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden! Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.“ (Lk 6,36-38)