Pater Christoph Kreitmeir: „Hinter echter Entschiedenheit verbirgt sich wahre Freiheit“

In seiner Auslegung des heutigen Sonntagsevangeliums (Lk 14, 25-33) erklärt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir die darin enthaltenen unbequeme Forderung Jesu im Kontext der Situation, in der diese Worte gesprochen wurden.

 

Hier die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

„Da muss man einfach darüber hinweg hören …“

Das könnte eine Reaktion auf das heutige Evangelium sein. Wenn Jesus das so gesagt hat – so werden damals etliche Leute wohl auch gedacht haben – Nein, das kann man sich ja nicht anhören.

Die Evangelien berichten von einigen ähnlichen Situationen, in denen sogar Leute aus dem engeren Jüngerkreis verärgert weggegangen sind. Es scheint eine durchaus einseitige und heute sehr beliebte Vorstellung zu sein, dass die Botschaft Jesu ohne Ecken und Kanten war.

Jesus und seine Botschaft werden heute gerne „weichgespült“ – dies wird ihm aber nicht gerecht … und dem Leben, das nicht als Wellnessveranstaltung daherkommt, auch nicht…

In unserem heutigen Evangelium haben wir auch so eine kantige Botschaft. Mehr als bei anderen Texten werden wir wahrscheinlich den Wunsch brauchen: Das Wort des Evangeliums stärke unseren Glauben.

Wenn ein Evangelium harmonisch endet, dann passt das in unser Welt- und Gottesbild und wir sind etwas getröstet. Wenn aber eine unzumutbare Forderung gestellt wird, kann die Frage aufkommen, wie ist das denn mit meinem Glauben? Kann ich aushalten, was ich nicht auf Anhieb verstehe? Oder biege ich zurecht, was kantig ist, damit es dem Zeitgeist und vor allem mir selbst gerecht wird?

Theologen, die sich auch stellvertretend für andere sehr intensiv mit der Hl. Schrift beschäftigen, sagen:

Die unbequemen Texte der Hl. Schrift haben eine große Gewissheit, dass sie echt sind.

Sonst hätte man sie in der zweitausendjährigen Überlieferung längst so glatt gebügelt, dass sich keiner mehr an ihnen stößt und ärgerlich oder neugierig über sie nachdenkt.

Bei unserem Nachdenken dürfte es allerdings auch eine Rolle spielen, wie die Worte Jesu zur Hl. Schrift geworden sind. Als der Evangelist Lukas das Wanderleben Jesu schriftlich weitergab, waren etwa 50 Jahre nach dessen Tod und Auferstehung vergangen. Aber das waren nicht Jahre, in denen nichts geschehen war mit der Botschaft vom Heil, das Jesus verkündete.

Mit der Botschaft Jesu sind die Menschen schwanger gegangen.

Sie lebten in einer Welt des Erzählens und Überlieferns. Da wurden nicht ständig neue Lebensratgeber und alle paar Sekunden Twitter-, WhatsApp-, Facebook- oder Instagram-Botschaften  geschrieben, sondern es wurde Lebensweisheit weitergesagt, bei der man spüren konnte, die reicht weiter als das eigene irdische Leben. Solche Lebensweisheiten machen Mut, aber sie ducken sich auch nicht weg, wenn von Entscheidung, Abschied und Tod gesprochen werden muss.

Und in eine solche Situation nimmt Jesus uns mit, wenn er heute davon spricht, liebgewonnene Menschen und auch das eigene Leben gering zu achten. Wir erinnern uns, wie Jesus bei anderen Gelegenheiten genau das Gegenteil gesagt hat. Was er jetzt mit seinen Worten meint, können wir nur erahnen, wenn wir bedenken, in welcher Situation er selbst ist:

Jesus geht nach Jerusalem. Das ist das Ziel seiner Lebens- und Verkündigungsreise. Für ihn ist klar, was das bedeutet: Nämlich Abschied von allem und totale Lebenshingabe. Niemand kann sagen, was Jesus wirklich empfunden hat. Aber wir können aus dem Erleben mit Menschen, die auf den Tod zugehen, durchaus nachvollziehen, dass der Blick auf die Welt mit Beziehungen und Wichtigkeiten sich verändert.

Da bekommen Worte, die wir sagen, einen anderen Sitz im Leben. Sie drücken Wahrheit im Angesicht des Todes aus und können in ihrer Radikalität sogar verletzend und irritierend sein. Aber sie sind bedenkenswert, wenn jemand uns bis in den Tod liebt.

So war es bei Jesus damals und er will, dass wir entschiedener in unserem Leben werden. Denn: hinter echter Entschiedenheit verbirgt sich Freiheit, wahre Freiheit.

Amen.

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