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Pater Dr. Peter Uzor: „Die für Menschen größtmögliche Tiefe der Gotteserkenntnis kommt von Christus“

Seine Auslegung zur Sonntagslesung (Ex 16,2-4.12-15) und des Sonntagsevangelium (Joh 6,24-35) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor unter die Überschrift „Brot des Lebens“. Dabei beschreibt er, wie Christus den Hunger und Durst in der Tiefe der Seele stillt.

Den heutigen Gottesdienst in seiner Pfarrgemeinde St. Otto Ebersdorf leitete er mit folgenden Worten ein:

„Menschen suchen Jesus. Davon hören wir auch heute im Evangelium. Jesus aber gibt ihnen unendlich mehr, als sie suchen. Jesus ist das Brot des Lebens. Was immer uns bewegt, diesen Gottesdienst miteinander zu feiern, was immer wir uns wünschen und erhoffen: Jesus schenkt uns mehr als wir erbitten. Öffnen wir uns für seine Liebe, die leben lässt. Seine Liebe spricht aus seinem Wort. Sie ist greifbar in Brot und Wein.“

 

Anbei die Worte seiner Predigt zu Ex 16,2-4.12-15 und Joh 6,24-35:

 

„Jetzt geht das schon wieder los.“ Schon wieder „murrt“ das Volk. Das Wort „murren“ erinnert doch sehr an das Volk Israel, das in der Wüste gegen Gott und Mose aufbegehrt. Es „murrt“, weil die Menschen Hunger haben. Vergessen sind die Tage der Sklaverei in Ägypten und die Befreiung. Jetzt fordern die primären Bedürfnisse ihren Tribut. Das Volk hat Hunger und will essen. Und Gott sättigt sein Volk mit Wachteln und mit Manna.

In der großen Brotrede des Johannesevangeliums, von der wir in diesen Wochen des Kirchenjahres hören, markiert das Murren die erste dramatische Wende (von der zweiten wird am nächsten beziehungsweise übernächsten Sonntag die Rede sein).

Wenn jedoch die Menschen jetzt gegen Jesus murren, dann nicht, weil er ihnen nicht genug zu essen gegeben hätte. Die wunderbare Brotvermehrung ist noch nicht lange her. Sie wurde unmittelbar vor der Brotrede von Johannes in seinem Evangelium erzählt.

Wenn sie jetzt murren, dann geht es nicht um das materielle Grundbedürfnis nach Nahrung. Vielmehr erfolgt hier – wie so oft im Johannesevangelium – ein Wechsel von der materiellen, vordergründigen Ebene hin zu einer geistlichen Deutung. Denn jeder Jude denkt bei dem „Brot vom Himmel“ sofort an das Manna. Ebenso sollten sich die Menschen, die nun gegen Jesus murren, aber auch daran erinnern, dass das Murren gegen Gott ein klares Zeichen nicht nur der Undankbarkeit des Volkes war. Es war auch ein Zeichen mangelnden Glaubens und fehlenden Gottvertrauens.

Und das ist der Punkt. Auch für das Johannesevangelium geht es hier um den Glauben. Um den Glauben an Jesus als den, der die Brücke zu Gott, dem Vater schlägt und zwar er allein. Diese Sichtweise aber setzt den Glauben an ihn voraus: Niemand kann zu Jesus kommen, den nicht der Vater zieht. Das ist für das Johannesevangelium keineswegs eine Beschränkung der Berufenen. Denn der Vater zieht alle. Alle werden Schüler Gottes sein, heißt es darum ausdrücklich in unserem Evangelium.

Doch ebenso klar ist für das Johannesevangelium:

Die für Menschen größtmögliche Tiefe der Gotteserkenntnis kommt von Christus.

Hier deutet sich der hohe Selbstanspruch und zugleich das hohe Selbstbewusstsein der Christinnen und Christen der Frühzeit an. Nicht, dass es nur im Christentum echte Gotteserfahrung gäbe.

Aber von Christus her wird das Wesen Gottes in unüberbietbarer Weise deutlich. Er ist die Brücke zwischen Himmel und Erde – Gott und den Menschen. Er ist das Brot vom Himmel, das ewiges Leben gibt.

Wie kann das sein? – So fragen sich die Leute. Damals und wohl auch heute. Er ist der Sohn Josefs. Wir kennen seinen Vater und auch seine Mutter. Wir kennen seine Herkunft. Er ist ein Mensch. Einer von uns. Er hat eine besonders tiefe Gotteserkenntnis. Ja, vielleicht. Aber mehr auch nicht.

Hier klingt eine Begebenheit an, die wir vor einigen Wochen gehört haben. In seiner Heimatstadt Nazaret konnte Jesus keine Wunder tun, weil man ihn dort zu gut zu kennen glaubt. Wie also sollte dieser Jesus das Brot des Lebens sein können? Wie kann ein so winziges Stück Brot, wie das, das wir in der Eucharistiefeier empfangen, das Brot des Lebens sein? Wie soll dieses bisschen Brot den Hunger der Menschen stillen? Wie kann – wie soll das möglich sein?

Möglich ist das nur, wenn hier wirklich Gott im Spiel ist. Das aber kann nur der Glaube erfassen. Hier geht es nicht um ein vordergründiges Sattwerden. Hier geht es um den Hunger und Durst in der Tiefe der Seele.

Was hilft einem Menschen zu überleben? Sicher Brot und Wasser. Die Grundnahrungsmittel. Doch sie allein reichen nicht. Warum sonst sind Menschen des Lebens müde, obwohl sie genug zu essen haben?

Der Prophet Elija ist dafür das beste Beispiel. Er hat einfach genug. Er will nicht mehr. Er leidet. Wir würden heute sagen: Am Burnout. Er ist schlichtweg am Ende und sieht keinen Sinn mehr in dem, was er tut. Warum soll er noch leben?

Viktor Frankl war ein bekannter Wiener Psychotherapeut. Er sagt: Menschen können auch extremste Situationen überleben, wenn und solange sie einen Sinn in dem sehen, was geschieht. Daraus kann man Hoffnung schöpfen. Er kam zu dieser Erkenntnis durch seine Arbeit mit Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager.

Menschen brauchen Sinn, um zu überleben. Materielle Versorgung allein reicht nicht. Solcher Sinn ist „Brot zum Leben“.

Für Christinnen und Christen ist Jesus dieses Brot schlechthin.

Er ist das „Brot vom Himmel“. Er ist Wegzehrung – nicht nur für den letzten Weg im Sinne der Sterbesakramente. Er ist Wegzehrung für das ganze Leben. Denn für Christinnen und Christen ist das ganze Leben ein Weg mit Gott und auf Gott hin. Ein Weg zum ewigen Leben.

In der Eucharistiefeier kommen deshalb immer dieses Leben hier und jetzt und die Erwartung der Vollendung im Reich Gottes zusammen. Beispielhaft werden wir dies gleich wieder bekennen, wenn wir sagen: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“.

Damit ist auch deutlich:

Die Eucharistiefeier ist kein Rückzug aus der Welt, sondern Stärkung für das Leben in dieser Welt.

Wie könnte sie auch Rückzug sein, wenn es hier wirklich um das Brot des Lebens geht? Das, was wir in der Eucharistie feiern, wird deshalb Auswirkungen auf unser Leben haben. Sonst betreiben wir „Fassadenkunst“: Schön anzusehen, aber ohne Gehalt.

  • Wir können hier nicht das Brot des Lebens teilen und die vergessen, die kein Brot zum Leben haben.
  • Wir können nicht von der Versöhnung durch Christus reden und uns den Friedensgruß zusagen, diese Versöhnung und den Frieden aber dem Nachbarn zu Hause verweigern.
  • Wir können nicht Mahlgemeinschaft – Communio – zelebrieren, zugleich aber Menschen ausgrenzen und nur mit denen Gemeinschaft pflegen, die genau so denken wie wir.

Die Sakramente sind keine netten, punktuellen, in sich ruhenden Feiern jenseits des Alltags, sondern sie wollen das Leben feiern und prägen. Deshalb bezeichnet das Zweite Vatikanische Konzil die Eucharistiefeier als „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“.

Jede Eucharistiefeier ist daher immer auch kritische Anfrage an meine – an unsere konkrete Lebensgestaltung. Sie ist nie eine rein spirituelle Feier, die mit dem Leben nichts zu tun hat.

Wer das Leben von Gott her denkt und von Christus her leben will, der wird wie Christus „proexistent“ leben – also für die anderen.

Sehr drastisch ausgedrückt am Ende unseres heutigen Evangeliums: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich hingebe für das Leben der Welt“.

Wenn wir gleich Eucharistie feiern, haben wir sein Wort im Ohr: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ Wenn wir Eucharistie feiern, erinnern wir uns auch daran, dass der Auferstandene seinen Jüngern am See von Tiberias erschienen ist, sie eingeladen hat: „Kommt her und esst“, und sie ihn daran erkannten, genau so wie die Emmausjünger ihn erkannt haben, als er das Brot nahm, den Lobpreis sprach und das Brot brach. Wenn wir Eucharistie feiern, können wir spüren: Jesus lebt, in unserer Mitte, auch in unserer Zeit. Amen.

Anbei ein das Kirchenlied „Wenn das Brot, das wir teilen“, das die Worte von Pater Peter schön nachklingen lässt: