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Pater Dr. Peter Uzor: „Heiligkeit ist nicht begrenzt“

In seiner Auslegung zum Lesungstext (Offb 7,2-4.9-14) und zum Evangeliumstext (Mt 5,1-12) zu Allerheiligen beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor den Kern des Festes Allerheiligen. Seine Predigtworte stellt er dazu unter den Titel „Was die Heiligen ausmacht“.

 

Anbei die Worte seiner Predigt: 

 

In der Lesung aus der Offenbarung des Johannes erfahren wir, was die Heiligen am Ende aller Zeiten ausmacht. Und da das Reich Gottes, dessen Vollendung in der Offenbarung verheißen wird, schon jetzt angebrochen ist, erfahren wir auch, was heute die Heiligen ausmacht.

Die Heiligen sind Knechte Gottes.

Knecht, das ist kein Wort, das wir heute häufig benutzen. Man könnte auch Diener sagen. Doch das würde die Bedeutung des Wortes nur begrenzt erfassen. Die Fremdartigkeit des Begriffes Knecht hat durchaus etwas für sich. Der Knecht war häufig jemand, der nicht nur zu Diensten war, sondern auch zum Haushalt seines Herrn gehörte. Knechte teilten häufig das ganze Leben mit dem Herrn.

Die Heiligen sind also Menschen, die in einem besonders engen Verhältnis zu Gott stehen.

Zugleich ist dieses Verhältnis hierarchisch organisiert: Gott ist uns übergeordnet, auch das kommt im Wort Knecht zum Ausdruck.

Aber: Die Heiligen sind durch Jesus nicht nur Knechte. Sie sind Freunde, Weggefährten Jesu. Die Hierarchie, die immer da ist, wird durch Jesus zugleich überwunden, der uns Gott und Mitmensch ist, Herr und Bruder.

Diese Beziehung wird im Gebet gepflegt. Das Sprechen mit Gott, darauf verweist uns der Text, ist ein Sprechen in der Anbetung. Seit der Antike ist die Orantenhaltung bekannt: das Stehen mit erhobenen Armen. So ähnlich, wie der Priester das heute noch beim Gebet tut. Das ist nicht ohne Belang. Stehen, das bedeutet, ich bin aufmerksam, ich bin wach, ich bin da; und die Arme verweisen auf den Ort, auf den wir hinsprechen, die ausgebreiteten Arme sind ein Gestus des Empfangens.

Der Heilige, er ist also jemand, der wach ist für Gott, offen ist für den HERRN und der aus dieser Wachheit und Offenheit heraus hört und das Gespräch sucht.

Die Heiligen, sie kommen aus allen Völkern und Nationen. Das ist in der Religionsgeschichte keineswegs selbstverständlich. Es gibt Religionen, bei denen die Mitglieder einer Religion und die Mitglieder eines Volkes mehr oder weniger identisch sind, etwa die Juden, denn als Jude muss man eigentlich geboren sein, Konversionen sind selten und schwierig. Ähnlich bei den Hindus: Dort kann man gar nicht konvertieren, hier wird die Zugehörigkeit durch die Religion der Eltern bestimmt.

Das Christentum hat diese Begrenzung einer Religion auf ein Volk aufgehoben.

Christ ist man, egal ob man aus Deutschland, aus Venezuela, aus China, aus Australien oder aus Burkina Faso kommt, gleich, wer die eigenen Eltern sind.

Heiligkeit ist also nicht begrenzt, sondern sie ist unbegrenzt über die Menschheit verstreut.

Doch obwohl die Heiligen aus allen Völkern und Nationen kommen, gehören sie zum Volk Israel. Freilich nicht mehr genealogisch zu jenem Volk, aus dem die Juden hervorgegangen sind, sondern zu dem Israel, das die Verheißung empfangen hat.

Wir sind darauf verwiesen, dass wir uns, obwohl wir keine Juden sind, auch als Volk Israel begreifen dürfen. Die Texte Israels sind auch unsere Texte, ihre Geschichte ist auch unsere Geschichte.

Die Heiligen, sie sind bezeichnet. In früheren Zeiten wurden wichtige Dokumente mit einem Siegel aus Wachs versehen. Und bis heute siegelt ein Notar. Er bestätigt die Richtigkeit eines Dokumentes. Was gesiegelt ist, das ist zutreffend. So ist es auch mit den Heiligen, die mit einem sichtbaren Zeichen versehen sind, nämlich der Taufe. Sie zeigt an, dass man Gott angehört und sie wäscht die Sünden des Menschen hinfort.

Auf die Taufe verweist auch das weiße Gewand. Ein wirklich weißes Gewand herzustellen, das war früher aufwendig. Stoffe sind ja nicht aus sich selbst strahlend weiß. Sie müssen erst behandelt werden. Die Togen und Tuniken der römischen Senatoren etwa waren überwiegend weiß. Ein wirklich weißes Gewand, das konnten sich nur die Wohlhabenden leisten. Weiß verweist uns daher nicht nur auf die Reinheit, sondern es verweist uns auch zugleich darauf, dass wir Anteil haben am Reichtum Gottes.

Ein Reichtum, der uns erworben wurde. Früher sprach man vom Gnadenschatz der Kirche. Die Gnade, die durch das Opfer Jesu Christi und der Heiligen erworben wurde, konnte von der Kirche ausgeteilt werden, um den Menschen bei seiner Heiligung zu unterstützen.

Der Ursprung der Gnade ist das Blut Jesu Christi, die Gerechtigkeit, die er den Menschen am Kreuz erworben hat.

Ein sperriger Begriff. Im Grunde sagt er: Der Mensch wird nicht nur nach seinen Taten gerichtet. Nein, der Gläubige erhält Anteil an der Gerechtigkeit Jesu. Als Heiliger ist er Empfänger der Gnade.

Die Heiligen kommen aus einer großen Bedrängnis, sagt die Offenbarung. Dazu muss man wissen, dass die heutige Forschung häufig davon ausgeht, die Offenbarung des Johannes reflektiere frühe Formen der Christenverfolgung im Römischen Reich. Heute ist es für viele von uns leichter, Christ zu sein als damals. An anderen Orten der Welt freilich, in China, in Indien etwa, sieht das anders aus. Dort kann Christsein ein lebensbedrohliches Bekenntnis sein oder wenigstens eines, das sozialen Ausschluss bedeutet.

Freilich: Wer ernst macht mit seinem Christsein, der wird immer wieder in Situationen geraten, auch hier bei uns in Europa, in denen er Bedrängnis erlebt.

Denn: Christsein bedeutet heilig sein, heilig sein bedeutet Anteil an jenem Reich Gottes zu haben, das jetzt schon angebrochen, aber doch noch nicht vollendet ist und auf eine Verheißung hin zu leben, von der die Offenbarung spricht.

Amen.

Anbei der Song „Holy“ von Michael Patrick Kelly: