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Pater Kreitmeir: „Religiös sein heißt noch lange nicht, Jesus verstanden zu haben“

In seiner Predigt am 2. Adventssonntag (Lesung: Jes 11, 1-10; Evangelium: Mt 3, 1-12) beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, was die adventliche Aufforderung zur Umkehr in der Tiefendimension bedeutet.

 

Anbei die Worte der Predigt von Pater Kreitmeir als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Wenn man sich mit dem Auto verfahren hat, dann sagt die Stimme des Navi: „Wenn möglich, bitte wenden!“

Wir werden heute zur Umkehr aufgefordert. Hier stockt etwas in uns. Haben wir nicht schon genug Mühe und Eifer für den Glauben aufgebracht? In der Kirche wird ständig die Bekehrung der Bekehrten angemahnt. Bekehren müssten sich ganz andere unserer Zeitgenossen, die über Leichen gehen, die nur ihren Vorteil im Blick haben oder andere ohne Gewissen ausnutzen. Wir Christen sind doch im Glauben aufgewachsen, an die Praxis gewöhnt, was soll da die große Umkehr, dazu noch jedes Jahr aufs Neue? Sie scheint überflüssig zu sein. An die Praxis gewöhnt … da ist schon die erste Falle derer, die meinen, Umkehr nicht mehr nötig zu haben…

„Wenn möglich, bitte wenden!“, sagt die Navistimme. Fühle ich mich persönlich ab und an auf einem falschen Weg? Dann wäre es wirklich besser, eine Wendung, eine Umkehr in meinem Leben vorzunehmen.

Die Aufforderung zur Umkehr bei Johannes dem Täufer kommt mit harten Worten daher. Solche Worte wollen wir heute nicht mehr hören, auch wenn sie vielleicht genauso notwendig und notwendend wie damals wären.

Religiös sein heißt noch lange nicht, Jesus verstanden zu haben und in seiner Gesinnung zu handeln.

Der Vorwurf vieler an die Verkündiger und deren treue Anhänger lautet: Zu viel Routine, man hört fast nur noch Schablonen von Erlösung und Heil, Worte, die nicht greifen, denen das Packende fehlt. Die Folgen sieht man ja: Die Menschen laufen in Scharen den Kirchen davon. Andererseits gibt es spirituelle Aufbrüche außerhalb und Gott sei Dank auch innerhalb der Kirchen, deren Echtheit und Intensität auch kritischer Beurteilung stand halten. Die Frage nach der Fruchtbarkeit des religiösen und kirchlichen Lebens und Wirkens, nach den Früchten der Umkehr stellt sich tatsächlich mit großer Dringlichkeit.

„Gott ist nicht tot, er ist innen, in der Tiefe unseres Herzens“, sagen alle, die Gott in sich entdeckt haben.

Die Gottesferne unserer Zeit, über die so häufig geklagt wird, hat ihren Grund darin, dass die Menschen das Sinnesorgan für Gott verloren haben.

Dass man Gott beglückend spüren, von ihm ergriffen sein, sich von ihm lenken lassen kann, ist für die meisten undenkbar. Auch jene, welche von Berufs wegen über Gott reden, müssten sich fragen, ob sie diese Erfahrung kennen, sie immer wieder neu suchen und sich danach orientieren.

Die Umkehr, die von uns Frommen gefordert wird, besteht darin, die Aufmerksamkeit von außen nach innen zu wenden und den Blick zu schärfen für das, was in uns selbst ist, was in der Tiefe unserer Seele vorgeht, von welchen Motiven wir geleitet sind und welche Möglichkeiten in uns ruhen. Dann kann eine innere Betroffenheit wirklich zu einer inneren Wende werden und sich eine neue Ausrichtung des Empfindens und Denkens anbahnen.

Zur Zeit schreibe ich an einem Buch über Franz von Assisi und seine Beziehung zu Schwester Tod. Dabei wird mir, der ich seit über 40 Jahren im Orden der Franziskaner bin, wieder mehr als bewusst, wie seine innere Betroffenheit durch eine Reihe von Bekehrungserlebnissen bei ihm wirklich zu einer Umwandlung von innen heraus führte. Und diese änderte nicht nur sein Denken, Fühlen und Tun, sondern er hatte eine Ausstrahlung auf andere, die bis heute in ihrer Echtheit wirkt und gute Früchte trägt.

Eine innere Betroffenheit kann wirklich zu einer inneren Wende werden und das Fühlen, Denken und Tun eines Menschen von Grund auf verändern. Das „von innen heraus“ liegt auf einer ganz anderen Ebene, als wenn wir uns immer wieder Vorsätze machen und sie doch nicht einhalten. Diese kommen nämlich vom Kopf her.

Echter Glaube kommt vom Herzen, von innen heraus.

Fragen, die uns helfen können, innerlicher zu werden und Gott in der Gottferne der Moderne dennoch finden zu können:

Du kennst dich nicht mehr aus?
Schau nur voraus!
Da ist einer,
der dich führen will!

Du bist erschöpft?
Schau hinter dich!
Da kommt einer,
der dich stützen will!

Du bist verzagt?
Schau neben dich!
Da steht einer,
der dich trösten will.

Du bist verletzt?
Schau über dich hinaus!
Da wartet einer,
der dich heilen will!

Der Mann aus Assisi – Franz von Assisi – und der Mann aus der Wüste – Johannes der Täufer – haben vieles gemeinsam. Sie erregten durch ihre Erscheinung und durch die Gewalt ihres Wortes Aufmerksamkeit und brachten die gewohnte Welt positiv durcheinander.

Wie Johannes sprach auch Franziskus gerne vom Feuer aber nicht von einem, das verbrennt, sondern das die Herzen zur Liebe entzündet. …

„Wir sagen euch an den lieben Advent, sehet die zweite Kerze brennt … Wenn möglich, bitte wenden …“ Amen.

 

 

Hinweis: Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es auf seiner Webseite unter:

www.christoph-kreitmeir.de