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Pfarrer Björn Wagner: „Die Krippe führt zum Kreuz, dann erst ist Auferstehung“

Am heutigen 2. Weihnachtsfeiertag war von 10:05 Uhr bis 11 Uhr im Radio auf „Bayern 1“ oder Deutschlandfunk live das Hochamt zu Weihnachten aus der Pfarrkirche St. Augustinus in München mit unserem geistlichen Begleiter Pfarrer Björn Wagner zu hören. In seiner Predigt (zu Apg 7,54-60 und Mt 10,17-22) hob Pfarrer Wagner die Bedeutung des ersten christlichen Märtyrers für die kirchlichen Gemeinden von damals wie heute hervor. Dabei erklärte er, warum diesem Stephanus gerade an Weihnachten besonders gedacht wird.

 

Anbei die Worte seiner Predigt: 

 

Immer am zweiten Weihnachtstag ist das Stephansfest. Stephanus gilt als der erste Blutzeuge der Christenheit. Also als einer, der bereit war, für den Glauben an Jesus Christus zu sterben. So, wie viele der frühen Christen.

Die Texte, die wir Jahr für Jahr an seinem Tag hören, die stören die weihnachtliche Stimmung. Da geht es um eine religiöse Auseinandersetzung, die am Ende zu einem Mord führt. Die Lektorin hat uns das ja vorgetragen (Apg 7,54-60) . Und das Evangelium (Mt 10,17-22) ist auch nicht viel weicher: Jesus beruft seine zwölf Apostel und macht ihnen klar, was sie erwartet, wenn sie für ihn unterwegs sind: Gerichtliche Auseinandersetzungen und Folter. Hass und Streit und Zwietracht und Parteiungen bis in die engste Familie hinein.

Und ziemlich am Ende dieses 10. Kapitels nach Matthäus steht der berühmte Satz: „Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert“ (Mt 10, 38).

Das ist die biblische Ausgangslage für den heutigen Tag. Mitten im Weihnachts-Fieber. Na, bravo! – werden manche jetzt denken.

Liebe Schwestern und Brüder! So, wie wir heute Weihnachten feiern, darf man ruhig den Eindruck haben: Das Datum für das Gedenken an den Diakon Stephanus muss ein liturgischer Betriebsunfall sein. Das passt doch nicht zusammen: Unser schönes Weihnachten und dann solche groben Texte!

Aber! So, wie wir heute Weihnachten feiern, mit all dem Glamour, mit Lametta, mit knusprigen Gänsen und gebeiztem Lachs auf den Tischen und der allgemein akzeptierten Romantik-Pflicht – so feierten in früher Zeit die Christen ihr Weihnachtsfest nicht.

Das Weihnachtsfest war ein stilles, war ein nachdenkliches Ereignis.

„Betlehem“ war ja nicht lange her. Es hat sich auch erst langsam entwickelt, dieses Fest – Schritt für Schritt, im Lauf von drei Jahrhunderten. Zum ersten Mal wurde es für Rom am 25. Dezember des Jahres 336 erwähnt.

Man hatte bis dahin im Kalender eher an die christlichen Helden gedacht. An die Märtyrer. Daran, in welche Schwierigkeiten Menschen geraten, wenn sie sich zu Jesus bekennen. Und Stephanus, das wussten alle, den Stephanus hat´s als ersten erwischt …

Für die frühen Christen hatte das Hinaufschauen zu einem Vorbild, zum Beispiel zu Stephanus, Konsequenzen: „Weil er durchgehalten hat, kann auch ich durchhalten“ – so dachten viele.

Dennoch! Die Brutalität dieses Gewaltverbrechens war lange, sehr lange im Bewusstsein. So etwas vergisst keine Gemeinschaft. Stephans Ehre ist darin begründet, dass er nicht eingeknickt ist, dass er standhaft geblieben ist und tapfer war bis zum Schluss. Er wusste genau: „Wenn es ernst wird, dann muss ich stark sein. Wie Jesus ein paar Jahre vorher.“ Und er erinnerte sich gewiss an seine Worte: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert“ (Mt 10, 38).

Der Evangelist Lukas beschreibt in der Apostelgeschichte den Diakon Stephanus als einen, der den Weg Jesu konsequent gegangen ist.

Der sterbende Stephanus ähnelt dem sterbenden Jesus.

Mehr literarische Ehre kann es nicht geben. Mehr Motivation für uns aber auch nicht.

 

Die eine Frage aber bleibt: Warum Stephanus an Weihnachten feiern? Warum ist es angemessen, sein Fest gerade heute zu begehen?

Mit Stephans Geschichte reift auch unser Glaube.

Sein Schicksal berührt uns. Das Kind in der Krippe ist der Grund, warum Stephanus hingerichtet wurde. Und dieses Kind spricht als Erwachsener Worte, die viele Menschen bereitwillig annehmen, etliche aber brutal ablehnen. Dieses Kind ist das „Zeichen […], dem widersprochen wird“ (Lk 2,34). Bis heute ist dies so.

Der Stephanitag möchte Weihnachten auf realistische Füße stellen.

Wer Christ ist, darf ruhig in Betlehem ein bisschen verweilen. Aber er sollte auch nach dem Weg nach Jerusalem fragen. Die Krippe markiert gewissermaßen den Anfang eines Weges. Es ist der Weg Jesu. Und dieser Weg führt zur Erfahrung des Kreuzes, mitten in das Leid hinein, mitten in die Nacht der Angst und Verzweiflung. Und gerade Stephanus zeigt uns, dass das Leiden zum Glaubensweg gehört. Nachfolge Jesu, echte Nachfolge, beginnt dort, wo ich begreife: Alles, was im Leben passiert, gehört zu meinem Glaubensweg. Die Auferstehung wird dann der Trost sein, dass wir innerlich nicht beim „holden Knaben im lockigen Haar“ stehen geblieben sind.

Die Krippe führt zum Kreuz, dann erst ist Auferstehung.

(Diesen Absatz verdanke ich Pfarrer Johannes Lohscheidt der evang.-luth. Friedenskirche München.)

Liebe Schwestern und Brüder, Sie kennen vielleicht das Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippe hier“ von Paul Gerhardt. Für mich das schönste Lied zum Christfest. In der dritten Strophe heißt es so passend für das Stephansfest: „Ich lag in tiefster Todesnacht, du [Jesus] warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht, wie schön sind deine Strahlen“ (GL 256, 3). Amen.

Hinweis: Das heute Hochamt aus St. Augustinus in München zum Nachhören gibt es (in den nächsten 7 Tagen) unter folgendem Link:

br.de

Anbei das beschriebene Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippe hier“: