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Pfarrer Björn Wagner: „Maria ist ein Glied des gläubigen Gottesvolkes durch alle Zeiten hindurch“

Unser geistlicher Begleiter Pfarrer Björn Wagner erläutert mit seinen Ausführungen zum heutigen katholischen Hochfest Mariä Himmelfahrt, was es bedeutet, wenn Katholiken glauben: Assumpta est Maria in coelum. In den Himmel ist Maria aufgenommen. 

Anbei die Predigt zu Maria Himmelfahrt, die Pfarrer Wagner den Zisterzienserinnen der Abtei Thyrnau widmet:

Am 15. August feiert die römisch-katholische Kirche das Hochfest „Mariä Aufnahme in den Himmel“. Ab dem 5. Jh. verbreitete sich, ausgehend von Jerusalem, ein Gedenktag der „Entschlafung Mariens“ im ganzen Orient; seit dem 8. Jh. kennt die Liturgie der Stadt Rom ein Andenken an die „Aufnahme der seligen Maria“.

Die Aussage, dass Maria im Himmel, also bei Gott, vollendet ist, war seit Jahrhunderten im Glaubensleben der Kirche präsent.

Allerdings gab es kein eigenes Dogma hierzu. Papst Pius XII. griff diese Leerstelle als durchaus eigenes Anliegen 1946 auf, als er die Bischöfe weltweit am 1. Mai über die Enzyklika Deiparae Virginis Mariae um eine Stellungnahme zu dem Glaubenssatz bat („Und wünscht Ihr dies mit Eurem Klerus und Eurem Volk?“). Am 1. November 1950, als Höhepunkt des Heiligen Jahres, verkündete Papst Pius XII. nach überwiegend positivem Bescheid der Bischöfe das Dogma, dass Maria „nach Vollendung ihrer irdischen Lebensbahn mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen“ worden sei (Apostolische Konstitution Munificentissimus Deus).

Auch seelsorglich war die Dogmatisierung nach den beiden Weltkriegen des Jahrhunderts von Bedeutung: Es besteht Hoffnung auf leibliche Auferstehung, auf leibliches Heil – trotz der millionenfach zerfetzten und versehrten Leiber.

Für Stadt und Land ist dieses Fest von Bedeutung, viele Kirchen und Ordensgemeinschaften haben an diesem Tag Patrozinium (Benediktiner/innen, Zisterzienser/innen). Mariä Himmelfahrt liegt in Bayern mitten in der Ferienzeit. Das Fest markiert gewissermaßen den Höhepunkt des Sommers; nach dem 15. August beginnt es – gefühlt oder wirklich – zu herbsteln. Im städtischen Raum gibt es an Mariä Himmelfahrt vor allem dort kirchliche Feste, wo in der Vergangenheit Jesuiten lebten. Denn eine ihrer Innovationen, den katholischen Glauben gegen lutherische Strömungen zu festigen, war die Gründung Marianischer Kongregationen. In Städten wie Ingolstadt, München oder Bamberg hatten sie regen Zulauf. Heute gibt es diese frommen Vereinigungen weiterhin, jedoch haben sie nicht die ursprüngliche gegenreformatorische Bedeutung und deren Mitglieder sind nicht mehr merklich an tonangebenden Schaltstellen des öffentlichen Lebens präsent. Es gibt Fotos aus München, auf denen P. Rupert Mayer SJ zu sehen ist, der mit den „Sodalen“ der Marianischen Kongregation bei der Fronleichnamsprozession unterwegs ist. In oberfränkischen Bamberg findet am 15. August bis in die Gegenwart die Prozession der „Marianischen Herren- und Bürgersodalität“ statt – ein Ereignis, bei dem eine wertvolle Silbermadonna vorgezeigt und durch die Straßen der Domstadt getragen wird: Maria, die glänzende Vorzeigegestalt katholischen Lebens („Eine von uns, eine für uns“).

Den Jesuiten lag daran, die marianische Frömmigkeit zu fördern, weil sie die katholische Vorzeigeperson ist – in Abgrenzung zu den vier„sola“ Luthers, die Rettung bringen: Solus Christus (Christus allein), sola scriptura (allein durch die Schrift), sola gratia (allein aus Gnade), sola fide (allein aus Glauben).  Maria ist Urbild des gläubigen Menschen und Gnadenvermittlerin. In ihr kommt die Heiligenverehrung wie in einem Brennglas zusammen; so ist die Lehre von der leib-seelischen Himmelsaufnahme der Gottesmutter theologischer Scheidepunkt dahingehend, mit welchen Hoffnungen ein Leben nach dem Tod verbunden ist. Lutheraner und Gläubige protestantischer Traditionen lehnen den Reinigungsort (Purgatorium, Fegefeuer) ab und vertreten eine Theorie, nach denen der gestorbene Mensch wirklich im Tod bis zum Jüngsten Tag bleibt (sog. Ganztodtheorie). Auf Gräbern evangelischer Christen befinden sich selten Grablichter oder üppiger Blumenschmuck. Beten für Verstorbene („Eine-Messe-lesen-lassen“) ist unstatthaft, weil wirkungslos. Wenn Katholiken ihr aufwändiges Verstorbenen-Gedenken an Allerseelen mit dem Hochfest Allerheiligen und dem Gräbergang verknüpfen, halten Lutheraner eher nüchtern und sinnlich zurückhaltend den Toten- und Ewigkeitssonntag in Ehren – der letzte Sonntag vor dem ersten Advent. Die bekannte Kantate von Bach „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 140) gehört zu diesem Sonntag.

An Mariä Himmelfahrt bekunden Katholiken in Stadt und Land ihre Hoffnung auf ein Leben nach dem Sterben, sie rufen Maria um ihre Hilfe am göttlichen Thron an – „jetzt und in der Stunde unseres Todes“ (Ave Maria).

Das Gebet für die sog. „Armen Seelen“ (katholisch für Verstorbene) hält die Hoffnung hoch, dass im Sterben sich lediglich Leib und Seele scheiden. Der Leib wandert ins Grab, die Seele erhebt sich zu Gott, ihrem Schöpfer, und wartet auf die Auferstehung des Fleisches am Ende der Zeit.

Diese schöpfungstheologische Dimension von Mariä Himmelfahrt wird vor allem im ländlichen Raum betont. Jetzt, wenn Wiesen und Auen ihre Kräuter und Gewürze erntereif präsentieren, werden kunstvoll bunte Wurz- und Kräuterbuschen gebunden, die zu den Gottesdiensten mitgebracht oder dort erworben werden können. Nach der Segnung werden sie z.B. im Herrgottswinkel oder in den Ställen angebracht. Oftmals ist es so, dass das weihnachtliche Futter der Tiere mit den Kräutern des letzten 15. Augusts verfeinert wird. So haben die Tiere Anteil am Segen, der den Sträußen anhaftet. Mancherorts werden in der weihnachtlichen Festzeit diese Kräuter angezündet und wie Weihrauch in den Ställen verweht.

An Mariä Himmelfahrt steht in unseren Breiten die sommerliche Herrlichkeit in ihrer vollen Pracht. So wird das äußere Erscheinungsbild der Natur zu einem Bild des Jüngsten Tages, in dem Gottes Schöpfung Vollendung erfährt und dann dauerhaft blüht, ohne jemals wieder zu vergehen.

Die vergängliche Schönheit der sichtbaren Welt wird transzendiert in die Hoffnung auf die ewige Herrlichkeit, in der es dann kein Vergehen von Lebendigem geben darf. Kein Tod darf mehr erlitten werden, das Sterben ist ein für alle Mal vorbei – der Tod ist dann Geschichte, er hat keine Zukunft.

Für Katholiken legt das Fest Mariä Himmelfahrt ein Panorama des Glücks, der guten Hoffnung, des begründeten Trostes frei: Wir gehen der Herrlichkeit (griech. doxa, lat. gloria) entgegen – zuversichtlich und freudig mit Maria, die diese Herrlichkeit seit ihrem Hinscheiden genießen darf und auch uns dorthin führen will. So schreiben die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium (LG): „In den Himmel aufgenommen, hat sie diesen heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken“ (LG 62).

Das Hochfest Mariä Himmelfahrt zeigt durch die Texte der Liturgie seinen österlichen Charakter nach außen. Maria wird als diejenige Christin vorgestellt, an der die Erlösung durch Christus, die allen Menschen angeboten ist, exemplarisch vollzogen wurde.

Maria wird deshalb als Vollerlöste verehrt und angerufen, nicht aber als Miterlöserin angebetet (vgl. 1 Tim 2,5-6).

„Wie die Mutter Jesu, im Himmel schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche ist, so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn (vgl. 2 Petr 3,10) als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ (LG 68). In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Maria von den Konzilsvätern des zweiten Vaticanums kein eigenes, nur ihr gewidmetes Dokument bekam, das feierlich verabschiedet worden wäre.

Maria ist Teil der Kirche, ein Glied des gläubigen Gottesvolkes durch alle Zeiten hindurch; aus diesem Grund ist das abschließende Kapitel der Kirchenkonstitution LG ein marianisches. Maria erlöst nicht, sie hat selbst Erlösung vollumfänglich erfahren. Deshalb nennt man sie Urbild (Typus) des christlichen Glaubens (vgl. LG 63) und Vorbild für die Gläubigen (vgl. LG 65).

Mariä Himmelfahrt ist ein österliches Fest. An Maria ist vollzogen, was uns angeboten wird: Ewiges Leben – mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren, mit allem, was wir sind und uns ausmacht. Unsere Individualität, unsere Persönlichkeit vergeht nicht im Sterben, sondern geht dem Leben ohne Ende entgegen: In des Himmels Herrlichkeit.

Amen.

 

Anbei ein wunderschönes Marienlied, das die Worte von Pfarrer Wagner unterstreicht: