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Pfarrer Kreitmeir: „Die 10 Gebote erinnern mich an meine von Gott geschenkte Freiheit“

In seiner Auslegung zur Sonntagslesung am 3. Fastensonntag (Ex 20, 1-3.7-8.12-17) geht unser geistlicher Begleiter Pfarrer Christoph Kreitmeir dem Zusammenhang der biblischen 10 Gebote mit dem Wert der Freiheit und der Verantwortung nach. Dabei umreist er auch die Gefahr, die von einer „Vergöttlichung des Menschen“ ausgeht.

Hier die Worte seiner Predigt „Welche Freiheit hätten’s denn gern“ als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:

 

 

Irgendwie kennt man auch heute noch die 10 Gebote Gottes, von denen wir in der Lesung gehört haben, irgendwie kennt man sie auch heute noch … mehr oder weniger.

Bei vielen bleibt, auch wenn sie gar nicht mehr den Wortlaut der 10 Gebote wissen eine Erinnerung an oder ein Gefühl von Gängellung, Verbot oder Sündencheckliste übrig. Das will man alles nicht mehr, da sind wir heutzutage in der Moderne, Spätmoderne oder einfach im Jahr 2021 drüber hinweg.

Man misstraut allem was nach Einschränkung von Freiheiten riecht, sei von Gott, Kirche, Staat oder sonstwem. Autoritäten gibt es keine mehr, jeder ist sich selbst nicht nur der Nächste geworden, sondern der alleinige Gesetzgeber. Gestalten, wie Donald Trump, der noch lange nicht von der Bildfläche der Welt verschwunden ist, zeigen uns dies allzudeutlich.

Warum sind die 10 Gebote eigentlich im Judentum entstanden und haben über das Christentum sich über den ganzen Globus ausgebreitet?

Die Freiburger Theologin Dr. Carolin Neuber z. B. stellt folgendes Bedenkenswertes heraus:

„Gleich im ersten Satz steht die Selbstvorstellung Gottes: „Ich bin der HERR, Dein Gott, der Dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Diese Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei endet ja nicht damit, dass die Israeliten in der Wüste sitzen bleiben. Die Perspektive ist das Leben im verheißenen Land.

Die Zehn Gebote braucht es als Orientierung für die Frage: Wie gestalten wir jetzt die Freiheit, die wir neu gewonnen haben?“

Gerade der letzte Satz erscheint mir in unserer Zeit als sehr wichtig und entscheidend: Was machen wir mit unserer Freiheit, die wir gewonnen haben?

Die Freiheit von etwas kann und darf nicht um sich selbst kreisen, sie muss, soll sie einen Sinn haben, eine Freiheit zu etwas hin werden.

Der Wiener Psychiater Viktor Emil Frankl, der die Hölle der KZs überleben durfte, sprach immer wieder davon, dass die Amerikaner an der Ostküste eine Freiheitsstatue haben, eine Verantwortungsstatue an der Westküste aber fehlt.

Freiheit ohne Verantwortung artet in Willkür aus und führt letztendlich zu Chaos und dem „Recht des Stärkeren“.

Dem egozentrischen Individualismus sind in einer funktionierenden Demokratie Gott sei Dank, so möchte ich es bewusst ausdrücken, Grenzen gesetzt, denn das deutsche Grundgesetz z. B. baut nach der Katastrophe von Nationalsozialismus auf Werten auf, deren Wurzeln in der Aufklärung, dem Christentum und dem Judentum liegen.

Wie richtig die Aussage „Freiheit braucht Verantwortung“ ist, soll folgende Gegenüberstellung der 10 Gebote Gottes mit den sog. zehn Geboten des neuen Atheismus zeigen, die 2007 im „Der Spiegel“ (Alexander Smoltczyk, Der Kreuzzug der Gottlosen, in: Der Spiegel, Nr. 22/2007 (26.05.2007), S. 56-69,  https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-51714183.html) zu finden waren.

Hier sind die 10 Gebote Gottes aufgelistet. Ein Klick auf jedes einzelne und schon kommen tiefere Erklärungen dazu von DDDr. Peter Egger.

  1. Du sollst an einen Gott glauben!
  2. Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen!
  3. Du sollst den Tag des Herrn heiligen!
  4. Du sollst Vater und Mutter ehren!
  5. Du sollst nicht töten!
  6. Du sollst nicht die Ehe brechen!
  7. Du sollst nicht stehlen!
  8. Du sollst nicht lügen!
  9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau!
  10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut!

 

Die Zehn Gebote des Neuen Atheismus lauten in Kurzform:

  1. Du sollst nicht glauben.
  2. Du sollst dir kein Selbstbildnis machen und es Gott nennen.
  3. Du sollst keine Götter neben dir dulden.
  4. Du sollst keinen Schöpfer haben.
  5. Du sollst deine Kinder ehren und sie deshalb mit Gott in Frieden lassen.
  6. Sei gut auch ohne Gott.
  7. Du sollst keine anderen Götter neben der Wissenschaft haben.
  8. Liebe deinen Nächsten – ohne schlechtes Gewissen.
  9. Du sollst den Sabbat nicht ehren.
  10. Du sollst nicht knien als Schöpfer.

Anfanghaft dürften wir als gläubige Menschen, die wir Gott sei Dank sein dürfen, nach dem Lesen oder Hören dieser Sätze ein ungutes Gefühl haben, denn spätestens jetzt dürfte uns bewusst werden, wohin diese „Vergöttlichung des Menschen“ führen könnte.

Die 10 Gebote Gottes können als Mittel der Gängellung und des Machtmissbrauchs verwendet werden. Die dunklen Seiten der Kirchengeschichte zeugen davon.

Die sog. zehn Gebote des neuen Atheismus führen aber in die Gefahr eines neuen Sklaventums einer von Menschen geschaffenen Ersatzreligion.

Hinter den 10 Geboten Gottes stehen Grundwerte gleichsam wie Säulen, auf denen das Weltgebäude aufgebaut ist.

Ohne Glauben, Ehrfurcht, Verehrung, ohne Schutz des Lebens und der Familie, der Liebe, des Eigentums, der Wahrheit, der Treue und des sozialen Friedens gibt es auf Dauer kein funktionierendes Leben für den einzelnen und die soziale Gemeinschaft. Die Missachtung dieser für alle Menschen und Völker geltenden Grundwerte wird auf Dauer kein Volk, kein politisches oder ideologisches System überstehen.

Abschließend möchte ich die Frage stellen, warum Gott den Menschen im Volk Israel seine Gebote übermittelte? Was war seine Absicht? Vor der Aufzählung der 10 Gebote steht der oft vernachlässigte oder verschwiegene, aber entscheidende Satz: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ (Ex 20, 1)

Dies bedeutet doch: Ich bin der Gott, der dich liebt, der deine Freiheit will, der will, dass dein Leben gelingt.

Die 10 Gebote Gottes sind Worte zum Leben und Wegweiser im Alltag. Sie nehmen mir nicht die Freiheit, sondern sie erinnern mich an meine von Gott geschenkte Freiheit, die ich in Verantwortlichkeit Gott, der mich umgebenden Natur mit Pflanzen und Tieren und den anderen Menschen gegenüber gestalten darf.

Amen.

 

Ein Song von Peter Maffay, der schön zu den Worten von Pfarrer Kreitmeir passt: