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Pfarrer Schießler: „Ein Evangelium sucht nicht Gründe, sondern Begründungen des Glaubens“

In seinem wöchentlichen Facebook-Impuls geht Pfarrer Rainer Maria Schießler in Auslegung von Lukas 1,1-21 und Lukas 4, 14–21 der Frage nach, was eigentlich ein Evangelium ist. Dabei eröffnet er eine Perspektive, die so ganz anders ist als die religiöser Eiferer oder Stimmen, die gläubigen Menschen Naivität unterstellen.

 

Hier die Worte, die Pfarrer Schießler zu Lk 1, 1–4 und Lk 4, 14–21 mit dem Titel „Was ist ein Evangelium?“ auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat: 

 

Zwei unterschiedliche Stellen legen sich gegenseitig aus und erklären so, was ein Evangelium überhaupt sein will. Lukas gilt ja mit seinen Berichten über die Geburt Johannes des Täufers, die Verkündigungsszene und der Geburt Jesu in Betlehem als der Historiker unter den Evangelisten. Sein Evangelium ist aber, wie die anderen Evangelien auch, kein geschichtlicher Traktat, keine Abhandlung über irgendein Ereignis der damaligen Zeit.

Es ist ein kunstvoll gestalteter Text, der in jeder seiner Zeilen den Zuhörern darlegt, dass sich genau das, was die Propheten damals gesagt haben, an diesem Jesus von Nazareth und durch ihn erfüllt.

`Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu´ nennt er diesen Abschnitt hier, in dem Jesus im Tempel die Schrift aufschlägt, eine Stelle bei den Propheten findet und auslegt.

Wenn Lukas ganz am Anfang sagt, dass er allem von Grund auf nachgehen möchte, sucht er keine historischen Fakten, sondern die religiös fundierte Begründung dafür, dass dieser Jesus Christus tatsächlich die Erfüllung der Verheißung ist, die Gott von Anfang an den Menschen mitgegeben hat. Hier wird keine neue Religion von einem neuen Guru auf den Weg gebracht. Es ist der gleiche Gott, der von Beginn der Schöpfung an die Menschen begleitet, sein mit Abraham begonnenes Offenbarungswerk weiterführt und jetzt in Christus zur Vollendung bringt.

Ein Evangelium sucht nicht Gründe, sondern Begründungen des Glaubens, die verwurzelt sind im Offenbarungsglauben des ersten Testamentes und die den Grund dafür liefern, dass es vernünftig ist, an diesen Jesus Christus als die Erfüllung der Hoffnungen der Menschen zu glauben.

Diese Wirklichkeit des Glaubens reicht eben weit tiefer als reine historische Faktizität. Geschichtliche Begründungen stehen daher nie über theologischer Wirklichkeit, auch wenn es um rein strukturelle Fragen in der Kirche geht wie Zölibat oder Priestertum der Frau. Es geht immer nur um die Verwurzelung der Wirklichkeit im Glauben. Lukas fragt:

Hat das, was von Christus gesagt wird, eine Bedeutung für mich? Ist da eine erlösende, heilende und befreiende Bedeutung für die Menschen spürbar?

Die Bibel ist kein Geschichtsbuch, sie liefert nicht einmal eine Biographie dieses Jesus von Nazareth. Die Evangelien berichten nicht zuerst, was da ein Mann namens Jesus an jenem Tag getan hat. Sie beschreiben diesen Jesus Christus als den, von dem wir glauben: an ihm und durch ihn ist unsere Hoffnung erfüllt.

Amen.