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Pater C. Kreitmeir: „Eine Kirche, die Menschen aufrichtet und ermutigt passt zum Evangelium“

In seiner Auslegung zur Sonntagslesung (Sir 27, 4-7) und zum Sonntagsevangelium (Lk 6,39-45) nimmt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir Bezug auf einen bewegenden Fernsehauftritt zwischen dem Benediktinerpater Anselm Grün und dem Fernsehmoderator Jörg Kachelmann in der TV-Talkshow „Riverboat“ (wir berichteten). Dabei verbindet er diesen Talk mit den Worten des Evangeliums.

Anmerkung: Seine Predigt hat Pater Kreitmeir bereits am Anfang der Woche vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine geschrieben. Gebete und Gedanken von ihm zur Situation in der Ukraine (inkl. Darlegung, warum Beten sich lohnt) finden Sie

HIER

 

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format: 

 

 

Was für Worte in der heutigen Lesung:

  • Im Sieb bleibt, wenn man es schüttelt, der Abfall zurück; so entdeckt man den Unrat eines Menschen in seinem Denken …
  • Der Brennofen prüft Töpferware und die Erprobung des Menschen geschieht in der Auseinandersetzung mit ihm …
  • Lobe keinen Menschen, ehe du nachgedacht hast; denn das ist die Prüfung für jeden …

Sieben, Schlechtes Denken – Schlechte Handlung, Brennofen, Prüfen, Auseinandersetzung, Nachdenken vor Loben

Wir befinden uns seit über 12 Jahren in unserer katholischen Kirche in genau so einer Situation: Durch das immer größere Auftauchen von Unrat in der Kirche, dem Vertuschen, Verschweigen oder Wegschieben ist ein großer Schaden entstanden, der tiefe und bleibende Wunden geschlagen hat. Wir befinden uns nun vielleicht auf dem Höhepunkt dieser markerschütternden Krise, wo von allen Seiten mit Fingern auf die Kirche, ihre Priester und ihre Mitglieder gezeigt wird und man sich als Katholik immer unwohler in seiner Haut fühlt.

Es fehlen landauf landab Männer und Frauen, die mit ehrlichen Worten die Dinge benennen, sich selbst authentisch und aufrichtig in der Kirche engagieren und dabei ein Hoffnungszeichen geben. So ein Beispiel will ich nun nennen.

Im MDR, dem mitteldeutschen Rundfunk, gibt es eine Sendung mit dem Namen „Riverboat“. Hier werden Geschichten interessanter Menschen und prominenter Persönlichkeiten erzählt. Am 4. Februar diesen Jahres war P. Anselm Grün im Fokus eines Interviews, das der Fernsehmoderator Jörg Kachelmann auf sympathisch faire Weise führte. Andere Moderatoren und Moderatorinnen, Schauspieler, Entertainer und Exfußballer waren mit in der Runde. Nun muss man wissen, dass Jörg Kachelmann sich in den Jahren 2010 und 2011 – damals noch als Wettermoderator bekannt – unter Verdacht einer schweren Vergewaltigung mit Körperverletzung an seiner Geliebten stand. Nach belastenden Monaten stellte sich heraus, dass die Frau vorsätzlich die Unwahrheit sagte und sich die Verletzungen selbst zugefügt hatte.

Warum ist dies erwähnenswert?

So ein Moderator musste am eigenen Leib erfahren, wie weh es tut, wenn man in aller Öffentlichkeit solcher Dinge beschuldigt wird. So jemand geht mit anderen fair um. Und genau das tat er im Interview mit Pater Anselm Grün. Es war ein sympathisches und auch leicht seichtes Ping-Pong-Spiel zwischen den beiden. Als es aber auf einmal um die schlimme Lage der katholischen Kirche ging und Pater Anselm dazu seine Sicht sagen sollte, da wurden die Anwesenden sehr interessiert.

Wie verhält sich dieser Kirchenmann? Wiegelt er ab? Windet er sich heraus?

Seine Antworten kamen aus seiner Lebenserfahrung. Über 30 Jahre arbeitete er als Seelsorger im Münsterschwarzacher Recollectiohaus mit Opfern von sexuellem Missbrauch, mit ausgebrannten Geistlichen oder Kirchenvertretern, die andere Schwierigkeiten hatten.

Die Kirche, so Pater Anselm, habe zu lange moralisierend gewirkt und sich dabei oft nicht an die eigenen hohen Ansprüche gehalten. Sie lebte nicht, was sie verkündete. Sie muss lernen, auf die Menschen zu hören und nicht ständig zu moralisieren, sie muss demütiger werden und spüren, was ihre eigentliche Aufgabe ist: Nämlich die Menschen aufrichten, sie ermutigen und nicht sie klein zu machen.

Hier passen genau die Worte des heutigen Evangeliums: Wir sollen keine Heuchler sein, den Splitter im Auge des anderen entfernen wollen und dabei den Balken im eigenen Auge übersehen. Und wie ein guter Baum gute Früchte hervorbringt und keine schlechten, so ist es auch mit den Menschen. Das Gute und das Böse müssen ins Sieb, der Unrat muss ausgesiebt und das Gute gerettet und gestärkt werden.

Sehr verwundert war ich als Zuschauer als Jörg Kachelmann dann Pater Anselm Grün bat, für die katholische Kirche zu beten.

Zuerst leicht abwehrend, dann aber umso klarer fand der Geistliche Worte des Gebetes, die auch mich berührten. Bevor ich sie als Gebet an das Ende dieser Predigt stellen möchte, will ich meiner positiven Verwunderung Ausdruck darüber verleihen, wie sich die Anwesenden verhielten. Sie gingen nach Innen, waren ganz bei sich oder beim Hören der Gebetsworte oder bei dem Gott oder Sinn, an den sie glauben. Das war echt, nicht gestellt, das war beeindruckend für mich.

Wenn jemand authentisch und glaubwürdig ist, dann wird das wahrgenommen. Dann hört man seine Worte mit Wohlwollen in einer Zeit, die mehr Heilung und weniger Kritik benötigt.

Jetzt darf ich mit den Worten von P. Anselm Grün für unsere Kirche beten:

„Barmherziger und guter Gott, sende deiner Kirche den Geist der Wahrheit, dass sie alles aufdeckt, was sie verletzt hat und was an Mist herumliegt. Sende den Geist der Klarheit, dass sie gereinigt wird durch diese Krise. Und sende deinen Geist der Liebe, dass sie die Menschen nicht mehr beugt, sondern aufrichtet, dass die Menschen sich in ihr verstanden fühlen und nicht bewertet fühlen und dass sie einen Raum schafft, wo die Menschen mit ihrer spirituellen Sehnsucht in Berührung kommen, wo sie frei werden und sich aufrichten können und den Sinn ihres Lebens neu entdecken. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.“

Anbei das ganze Video vom TV-Talk mit P. Anselm Grün und Jörg Kachelmann:

 

 

Wer nur den Teil mit dem Gebet sehen will, der findet ihn unter folgendem Link:

mdr.de