Philosoph Godehard Brüntrup über Nahtod: „Man taucht ein in eine überwältigende Liebe“

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Der Philosoph und Jesuit Godehard Brüntrup, der seit 2003 Professor für Philosophie an der Hochschule für Philosophie München mit den Schwerpunkten Metaphysik, Philosophie des Geistes und Sprachphilosophie ist, sprach im Interview mit der Tageszeitung Die Welt über seine persönliche Nahtoderfahrung, die der heute 65-Jährige im Alter von Ende 20 nach einem Herz-Kreislauf-Versagen erlebte.

Brüntrup beschreibt dabei vier Phasen, die er damals durchlebte: Zunächst ein „Gefühl zu sterben und der damit verbundenen Angst“, dem ein Gefühl, tot zu sein, folgt, wobei das Angstgefühl von „einer großen inneren Ruhe und Gelassenheit, die alles übersteigt“, abgelöst wird. In diesem Zustand der Klarheit erfolge dann ein Lebensrückblick, „in dem man sein eigenes Leben radikal hinterfragt: Wo habe ich geliebt? Wo habe ich verletzt?“. Dieser Rückblick sei „so detailreich“ und reiche bis in die früheste Kindheit zurück. Brüntrup schildert dabei, dass er selbst überrascht sei, „wo diese Erinnerungen überhaupt gespeichert gewesen sein sollen“. Zuletzt erlebte er dann einen Übergang, in dem er durch einen Tunnel in eine andere Welt kam, in der er auch andere personale Wesen wahrnahm. Dazu erklärte der Philosophie-Professor:

„Man taucht ein in eine überwältigende Liebe, ein Gefühl fast bis zur Selbstauflösung: Man ist zwar immer noch da, aber dieses Gefühl, geliebt zu sein, ist schlicht überwältigend.“

Nach diesem Übergang in diese andere Realität erfuhr er, dass er nicht allein war, und spürte dabei „eine gewisse positive Zuwendung von anderen“. Dies zu beschreiben sei schwer, „ohne lächerlich zu klingen“, so Brüntrup. Das sich anschließende „allumfassende Gefühl der Liebe“ beschreibt er als „mystische Erfahrung“ und „Gotteserfahrung“.

Eine Nahtoderlebnis, das „immer noch eine Erfahrung in dieser Welt“ sei, werfe jedoch „einige philosophische und auch einige naturwissenschaftliche Probleme auf“, weil der Betroffene in einer Situation, in der das Gehirn „nach Standardwissen“ dazu eigentlich nicht mehr in der Lage ist, noch ganz viel von seiner Umgebung mitbekomme.

Wenn Menschen Nahtoderfahrungen als reine Prozesse des Gehirns erklären, ist dies für Professor Godehard Brüntrup nach dem selbst Erlebten zu wenig, was er wie folgt darlegt:

„Diese Erfahrung ist so intensiv, dass der Verweis auf Tricks des Gehirns für mich letztlich ein Glasperlenspiel ist.“

In einer strengen Wissenschaftsgläubigkeit könne man letztendlich „alle menschlichen Erfahrungen zu Gaukeleien des Gehirns erklären“, zeigte sich Brüntrup kritisch gegenüber solchen Interpretationen. Für ihn sei diese Erfahrung „die wichtigste“ in seinem Leben gewesen, weshalb er sein Leben „in die Phase davor und die Phase danach“ einteile. Nach dem Erlebten war ein rein materieller Beruf für ihn nicht mehr erstrebenswert. Dazu sagt er:

„Das Leben mit seiner ganzen Existenz auf die Gottesfrage zu setzen war für mich danach irgendwie klar.“

Der Kerninhalt der Nahtoderfahrung, „dass die tiefste und bedeutendste Realität Liebe ist“, habe ihm verdeutlicht, dass es im Leben nicht darum gehe, „der Macht, dem Geld, dem Einfluss, der Schönheit, der Gesundheit hinterherzurennen“. Vielmehr gebe es zwei Dinge, die für ihn im Leben Bedeutung haben: „einerseits lieben und geliebt werden, andererseits nach der Weisheit zu suchen“, so der Jesuitenpater.

Auch mit diesem Erlebnis, im Sterben unendliche Liebe zu vernehmen, sei es aber nicht so, dass er nicht mehr hoffen müsste. Gewiss ist sich Brüntrup, dass das Sterben anders ist, als wir es uns allgemeinhin vorstellen, wenn wir glauben, dass beim Sterben „das innere Licht“ langsam erlischt. Aufgrund seiner eigenen Erfahrung betont der 65-Jährige:

„Das Licht geht an, und wie!“

Quelle: welt.de

Hinweis: Professor Brüntrup erklärte im Welt-Interview, dass der Inhalt der Nahtoderfahrung, „dass die tiefste und bedeutendste Realität Liebe ist“, auch die Sicht des Christentums ist. Im Januar 2006 veröffentlichte Papst Benedikt XVI. seine erste Enzyklika „Deus caritas est“ („Gott ist die Liebe“).

Die Presseerklärung zu dieser Enzyklika gibt es:

HIER

 

Die Enzyklika online gibt es unter:

vatican.va

Anbei die SRF-Doku „Nahtoderfahrungen – Was passiert, wenn wir sterben?“: