SZ-Journalist Tobias Haberl: „Gott macht mein Leben klarer und freier“
Im März 2023 schrieb Journalist Tobias Haberl im Magazin der Süddeutschen Zeitung einen Essay mit dem Titel „Unter Heiden“, in dem er sich als Christ outete und darlegte, wie er sich in einer säkularistischen Gesellschaft zunehmend unverstanden fühlt. Damit traf er einen Nerv. Vielfache Leser-Reaktionen mit dem Unterton „Endlich sagt es mal einer“ waren die Folge. Daraufhin schrieb Haberl das Buch „Unter Heiden – Warum ich trotzdem Christ bleibe“, das im Herbst 2024 erschien und mittlerweile zum stillen Bestseller avanciert ist.
Nach einer Lesung von Tobias Haberl am 23.11.24 in Kloster Beuerberg lernten sich PG-Initiator Markus Kosian und Tobias Haberl kennen und verabredeten sich zum PromisGlauben-Interview, das am 20. Februar 2025 im Rahmen eines Schulkurses an der Berufsschule für Medienberufe in München stattfand. Zwischen Haberl und Kosian, die beide im katholischen Glauben aufgewachsen sind und beide 1982 eingeschult wurden, entwickelte sich ein Gespräch über den Schatz des christlichen Glaubens für die Gesellschaft sowie die eigene Persönlichkeit.
Zur Tatsache, dass sein Essay solch vielfache und positive Reaktionen hervorrief, konstatierte Tobias Haberl, dass es in der Leserschaft vermutlich mehr Christen gibt als man gemeinhin meint. Dadurch, dass der christliche Glaube außerhalb der Missbrauchsfälle in der Kirche so wenig mediale Beachtung erfährt, habe man das Gefühl, dass es bei tatsächlich 40 Millionen Christen in Deutschland gefühlt nur noch 200 gäbe, so Haberl. Insbesondere in seinem beruflichen Umfeld nehme er sich manchmal wie ein „Eisbär auf der schmelzenden Scholle“ wahr. Dabei begegne er Menschen, die eine sehr undifferenzierte Meinung zum Glauben an Gott an den Tag legen, ohne wirklich eine Ahnung von seinem Glauben zu haben, den er als „riesengroßes Abenteuer“ empfindet. Dazu betont er:
„Ich spüre, dass es eine andere Dimension gibt.“
Und:
„Gott macht mein Leben klarer und freier.“
Haberl schilderte, dass er ganz selbstverständlich in den 1970er und 1980er Jahren in der bayerischen Oberpfalz im katholischen Glauben aufwuchs, was seinem Leben Rhythmus gegeben habe. In der Zeit zwischen seinem 20. und 40. Lebensjahr habe er in Distanz zu seinem Glauben gelebt. Er hätte sich vermutlich auch in dieser Zeit als Christ bezeichnet, nur habe er damals den Glauben nicht praktiziert. Vor 10 Jahren sei der christliche Glaube „mit voller Wucht“ zu ihm zurückgekehrt. Der heute 49-jährige Katholik schilderte, dass es dafür kein konkretes Ereignis gab, sondern er vielmehr eine Sehnsucht nach dem Getragensein und dem Rhythmus im Glauben verspürt habe. Er begann wieder „eine Routine des Tuns“ in seinem Glauben zu leben mit täglichem Gebet und Gang in die Sonntagsmesse. Zu dem dabei Erlebten erklärte er:
„Mach einfach die Dinge, die in deinem Glauben eine Rolle spielen. Mach‘ sie einfach und du wirst merken, dass sie etwas mit dir machen. Halte Ordnung in deinem Leben, dann hält die Ordnung dich.“
Er versuche im Gebet, in Situationen des Alltags, beim Lesen in der Bibel und in der Heiligen Messe Gott zuzuhören, schilderte Haberl seinen Zugang zu Gott. Dazu betont er:
„Man kann Gott über Jesus Christus kennenlernen.“
Jesus sei ihm wichtiger als „alle Verordnungen“ der Kirche, fügte Haberl an und bemerkte, dass im Jahr 2025 nach Christus 2,6 Milliarden Menschen nach dem Vorbild Jesu leben würden. Die Frage „Was würde Jesus tun?“ sei für ihn von elementarer Bedeutung. Insbesondere in der Eucharistie erfährt Tobias Haberl einen intensiven Zugang zu Jesus Christus.
In einer Zeit, in der Menschen von einer Abhängigkeit in die nächste stürzten, um sich lebendig und frei zu fühlen, erlebt der Journalist durch das Praktizieren seines Glaubens Ehrfurcht, nachhaltige Orientierung, wahre Freiheit, Vielfalt und Nächstenliebe, die über Solidarität hinausgeht. Zudem nehme das Gebet und der Gottesdienstbesuch der menschlichen Angst ihren Schrecken. Mit Blick auf den christlichen Glauben an einen barmherzigen Gott (vgl. Lk 6,36) betont Haberl:
„Glaube ist in seiner perfekten Form das Ende der Angst.“
Zudem motiviere das Bewusstsein des Todes zu einer sinnerfüllten Lebensgestaltung, denn:
„Mit dem Bewusstsein des Todes erscheint das Leben strahlender.“
Überdies zeigt sich Haberl gewiss:
„Eine kollektivere Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit ist eine lohnende Investition in eine menschlichere und krisenfestere Gesellschaft.“
Der Kirche rät er, nicht zu zeitgeistig zu sein. Im Glauben gehe es um Wahrheit und nicht um Zeitgemäßheit, ist Haberl überzeugt. Man könne erkennen, dass die Kirche aktuell sehr verunsichert sei und eine Tendenz zur Zeitgeistigkeit an den Tag lege. Diesbezüglich gibt der 49-jährige Katholik zu bedenken:
„Es ist der große Wert der Kirche, dass sie anders ist als die Welt um sie herum, dass sie eine Alternative darstellt.“
Weiter betont er:
„Das Evangelium ist eben kein politisches Programm. Es verweist auf eine Dimension, die nichts mit dem zu tun hat, was wir in der Zeitung lesen oder in den Talkshows besprechen. Das Evangelium verweist darauf, dass Erlösung im Reich Gottes möglich ist, das anbrechen wird, und wir uns gar nicht vorstellen können, wie toll das ist.“
Mit Blick auf nationale, innerkirchliche Interessen verwies Haberl darauf, dass die Kirche ein „internationales Phänomen“ mit über 1,4 Milliarden Katholiken auf der Welt ist. Dies könne er heute auch erkennen, wenn er die Sonntagsmesse in der Münchner Theatinerkirche besucht, was der in München lebende Journalist wie folgt beschreibt:
„Die Vielfalt in der Theatinerkirche ist größer als auf jeder Journalistenparty. (…) Die Buntheit der Welt findet man in der Sonntagsmesse.“
So sehr sich Tobias Haberl gewiss ist, dass sein Leben durch den neuentdeckten Glauben reicher ist, so sehr ist er sich bewusst, dass Glaube und Zweifel zusammengehören und der Zweifel sogar die Triebfeder für einen reifen Glauben ist. Dazu erklärt er:
„Im Zweifel liegt für mich der Reiz des Glaubens.“
Anbei das Video zum PromisGlauben-Interview mit Tobias Haberl: