Foto: Manfred Werner - Tsui, Thomas Geierspichler Wien2008, cropped, CC BY-SA 3.0

Thomas Geierspichler: „Ich glaube, dass ich durch den Glauben meine Bestimmung gefunden habe“

Der österreichische Rennrollstuhlfahrer Thomas Geierspichler weiß, was es heißt, dass das Leid nicht das letzte Wort hat. Mit 18 Jahren erlitt Thomas Geierspichler eine Querschnittslähmung durch einen Autounfall. Nach Drogen- und Alkoholexzessen kam er zum Glauben an Gott und zur Erkenntnis: Alles ist möglich dem, der glaubt.“ Er ließ die Drogen hinter sich und startete als Rennrollstuhlfahrer durch, wurde fünfmal Weltmeister, sechsmal Europameister und Paralympics-Sieger über 1500 Meter und im Marathon, wo er auch den Weltrekord hält. Nun war der heute 46-Jährige in der zehnten Ausgabe des Sky Sport Austria Talkformats „RIESENrad“ zu Gast und ließ das Erlebte Revue passieren.

Ein Autounfall nach einer Disconacht im Jahr 1994, als Thomas Geierspichler als Beifahrer im Auto eines Freundes auf dem Heimweg mitfuhr, endete für den damals 18-jährigen Salzburger mit einer Querschnittlähmung. Er fällt daraufhin in ein tiefes Loch, Drogen und Alkohol werden zu ständigen Begleitern, um den Alltag zu bewältigen. Nach einigen Jahren findet er Kraft durch den Glauben und stellt sich seiner Situation. Durch hartes Training und starken Willen wird er zehn Jahre nach seinem Unfall Paralympics-Sieger. 2011 beschreibt er in seinem fesselnden und sehr berührendem Buch „Mit Rückgrat zurück ins Leben“, wie er den Glauben als das tragende Fundament erfuhr, das es ihm ermöglichte sein Leben zu meistern und darüber hinaus sportliche Höchstleistung zu erbringen.

Im September 2012 sprach Thomas Geierspichler im Interview mit dem Tagesspiegel über seinen tiefen Glauben an Gott und wahre Sieger. Durch die Orientierung, die er durch den christlichen Glauben erfuhr, gelang es ihm sein Leben neu anzupacken, wobei sich destruktive Emotionen verwandelten. So erklärte Geierspichler auf die Reporterfrage, wie er über seinen Freund dachte, der den Unfall verursachte:

„Zuerst habe ich ihn gehasst. Ich habe mir gedacht: Wie bescheuert kann man sein, dass man beim Autofahren einschläft? (…) Mit der Zeit habe ich durch den Glauben an Gott jedoch gelernt, dass mein Hass nichts daran ändern wird, dass ich im Rollstuhl sitze. Man trägt vielmehr einen schweren Rucksack mit sich, der einen belastet. Deswegen hat mir Gott gesagt: ‚Du musst diesen Rucksack aufmachen und hineinschauen, auch wenn es am Anfang weh tut.‘ Das hat mich frei gemacht und ich habe ihm verziehen.“

Bevor er diese lebensverändernde Orientierung fand, suchte er Hilfe mit Alkohol und Drogen. Zu seiner Sicht auf seine Behinderung erklärte er im Tagesspiegel-Interview:

„Ich wollte subjektiv nicht sein, was ich objektiv war. Und das habe ich dann mit Alkohol und Drogen begossen.“

Durch den Glauben bekam sein Leben eine so lebensbejahende Wende, dass der erfolgreichste Rennrollstuhlfahrer der Welt auf die Frage, ob er auch ohne Sport ein erfülltes Leben führen könne, wie folgt antwortete:

„Ohne Sport schon, aber nicht ohne den Glauben. Ein mittelmäßiges Leben hätte ich mit der Zeit wohl schon gefunden, nur jetzt bin ich einfach zufrieden und glücklich. Der Glaube an Gott hat mir die Kraft gegeben, zu mir selber zu finden.“

Durch die Verbindung zu Gott könne er trotz schlechter Erfahrungen immer an das Gute glauben, was er wie folgt versinnbildlichte:

„Wenn jemand in einer Gletscherspalte etwa gefangen ist, dann lässt ihn meistens der Glaube an Rettung überleben. Der Glaube ist der Zielanker, zu dem ich hin möchte. Wenn du auf Schlechtes schaust, dann siehst du auch nur Schlechtes. Ich erlebe auch Rückschläge. Aber dann stellt sich wieder die Frage: Gehst du zugrunde daran oder geht es trotzdem weiter?“

 

Im Sky Sport Austria Talkformat „RIESENrad“ bestätigte Thomas Geierspichler nun, dass sein Glaube nachhaltig ist.

Abermals beschreibt er seine Gefühlslage, die er damals nach seinem Unfall hatte, mit Wörtern wie „einfach eine Scheißzeit“, „eine hoffnungslose Zeit für mich“, „diese verhasste Rollstuhlsituation“. Er habe „einfach geglaubt, mein Leben ist so nicht lebenswert“. Seinen damaligen Gefühlszustand beschreibt er rückblickend wie folgt:

„Ich bin geflohen vor der Realität, die verhasst war und die ich nicht haben wollte. Wollte das Ganze einfach nicht akzeptieren und mich selbst nicht mehr fühlen, weil da Gefühle hochgekommen sind im Rollstuhl, die ich nicht wollte. Habe damals auch ein Ende in meinem Leben herbeigesehnt, weil ich war zum Schluss echt arg drauf, war jeden Tag eingekifft.“

Zum Wendepunkt in seinem Leben kam es, als er bei Freunden, die Christen waren, eingeladen war. Geierspichler schildert, dass diese Freunde ihn mit echter Fürsorge nach seinem Befinden fragten, so dass es nicht bei seiner üblichen Antwort „Ja, passt schon“ blieb. Dazu schildert der 46-Jährige rückblickend:

„Und dann hat es mir so einen Stich im Herzen gegeben und dann war da eine Stimme bei mir die gesagt hat: ‚Ja, scheiße geht es mir.‘ Davor habe ich diese Stimme nie wahrgenommen.“

Die Gastgeberin habe ihm dann am Ende des Abends eine Bibel geschenkt. Auf dem Nachhauseweg habe er sich dann eine Zigarette anzünden wollen, dabei aber festgestellt, dass er in den „sechs, sieben Stunden“ in der christlichen Gemeinschaft kein Verlangen „nach einer Zigarette, Alkohol oder Drogen“ gehabt habe. Die folgende Auseinandersetzung mit diesem Gedanken schildert Geierspichler wie folgt:

„Und dann haben sich zwei so Stimmen bei mir gemeldet, wie Engerl und Teuferl und daraufhin habe ich gesagt: Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann hilf mir dabei, dass ich aufhöre zu rauchen und auch gleich mit dem anderen Zeugs. Dann ist Tage danach extrem viel Energie in mir aufgestiegen, andere würden sagen, das sind Entzugserscheinungen, aber ich habe gemerkt: Nein, das ist Energie, die gewartet hat, dass ich sie irgendwo reinlasse und dann habe ich angefangen in der Bibel zu lesen. Da ist mir dann ein Vers ins Auge gestoßen, nämlich: ,Alles ist möglich dem, der da glaubt.´ (Markus Evangelium 9,23). Da habe ich gemerkt, dass ich die Rollstuhlsituation nicht akzeptieren wollte und das habe ich mit Drogen bekämpft. Da habe ich gemerkt, dass ich der Realität in die Augen schauen muss.“

Ein weiteres Schlüsselerlebnis folgt, als er den schweren Sturz des österreichischen Ski-Stars Hermann Maier bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano sieht und Maier drei Tage später Gold holt. Als er die anschließende Siegerehrung gesehen habe, habe er eine Gänsehaut bekommen und weinen müssen. In der Verarbeitung des Ganzen sei in ihm folgender Gedanken aufgekommen:

„Mir ist bewusst geworden, wie Gott arbeitet. Er kommt nicht vom brennenden Busch raus und sagt: ,Das ist dein neuer Weg und wenn du es nicht machst, dann kommst du ins Fegefeuer´. Nein, sondern er gibt uns ganz tief drinnen einen Wunsch rein und wenn du dem folgen würdest, dann würde es dich glücklich machen. Da ist mir klar geworden, dass ich zwar nicht Rennrollstuhlfahrer werden wollte, aber dass ich eigentlich immer Sportler werden wollte.“

Dies führte zur Wende in seinem Leben. Er habe dann den österreichischen Chemiker und Rollstuhl-Leichtathlet Christoph Etzlstorfer kennenglernt, der ihm den Weg in den Behindertensport ebnete. Eine unfassbar erfolgreiche Zeit als Rennrollstuhlfahrer mit Welt- und Europameistertiteln sowie paralympischem Gold und Weltrekord begann, die er mit einer Teilnahme bei den Paralympischen Spielen 2024 krönen möchte. Auf seinen Weg zurückblickend ist Thomas Geierspichler überzeugt:

„Ich glaube einfach nicht, dass es Zufall war, sondern dass ich durch den Glauben meine Bestimmung gefunden habe, im Rennrollstuhlfahren.“

Zu seiner Sichtweise aufs Leben hält er abschließend fest:

„Schicksal kann man nicht vermeiden, wichtig ist einfach, wie man danach damit umgeht.“

Ein entscheidender Parameter für diese Einstellung ist sein Glauben an Gott und die damit verbundene Gewissheit, dass das Leid im Leben nicht das letzte Wort hat.

Quellen: sportreport.biz, tagesspiegel.de, Geierspichler, Thomas: Mit Rückgrat zurück ins Leben (Verlag Überreuter, 2011).

Anbei ein tiefberührendes sowie inspirierendes Interview – Thomas Geierspichler zu Gast bei Kratky: