Winfried Kretschmann: „Europa ist zutiefst durchtränkt von christlichen Überzeugungen“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der vor Jahren nach einer Zeit der Abstinenz ganz bewusst wieder in die katholische Kirche eingetreten ist, machte bei einem überkonfessionellen Gottesdienst am 28. April in Ravensburg auf die christliche Prägung Europas aufmerksam und rief zur Sonntagsheiligung auf. Er sprach zum Thema „Europa – eine noch christlich geprägte Gemeinschaft?“ beim „Auszeit“-Gottesdienst der katholischen Gemeinschaft Immanuel Ravensburg. Darüber berichtete aktuell idea.

Der 70-jährige betonte vor etwa 200 Zuhörern, dass Christen den Sonntag als Tag des Gebets und Gottesdienstbesuches pflegen sollten, damit der Sonntagsschutz nicht weiter ausgehöhlt wird. Den Sonntag bezeichnete Kretschmann als ein „Geschenk der Gläubigen an die ganze Gesellschaft“.

Darüber hinaus wies der Grünen-Politiker darauf hin, dass Europa nach wie vor von einem reichen christlichen Erbe geprägt sei. So hätten das Christentum und allen voran die Klöster die europäische Kultur, Wissenschaft und Bildung hervorgebracht. Tragende Säulen der europäischen Gemeinschaft basierten auf christlichen Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Religionsfreiheit, Toleranz und den Menschenrechten. Biblische Geschichten wie den „barmherzigen Samariter“ verstünden alle, auch wenn sie selber keine Christen seien. Dazu betonte er zusammenfassend:

„Europa ist zutiefst durchtränkt und imprägniert von christlichen Überzeugungen.“

Dass der christliche Glaube eben keine Privatsache ist, drückte Kretschmann dahingehend aus, indem er betonte, dass es Auftrag der Christen sei, wie „ein Sauerteig“ in die Gesellschaft hineinzuwirken.

Auch bezog der 70-jährige Stellung zur Sinnfrage und betonte, dass er den Sinn des Lebens darin sehe, „das zu tun, wozu Gott mich berufen hat“, was für ihn bedeutet, im Dienst an der Gemeinschaft zu arbeiten und seiner politischen Leidenschaft zu folgen.

Zu seinem persönlichen Glauben sagte Winfried Kretschmann in einer Weihnachts-Umfrage des Magazins Bunte im Dezember 2012:

„Der Glaube ist mir wichtig. Er ist etwas, was mich befreit. Ich weiß, als Politiker kann ich immer scheitern. Zu wissen, dass man vor Gott und seiner Familie nicht scheitert, ist wichtig.“

Auf Grundlage seines Glaubens könne er sein Amt ohne Angst ausüben. Durch den „Rückhalt in Gott und in meiner Familie“ gehe er seine Aufgaben als Ministerpräsident „mit“ Gelassenheit an, so Kretschmann damals weiter.

Winfried Kretschmann war nach seinem Austritt aus der katholischen Kirche vor Jahren wieder eingetreten. Dazu sagte er im Interview mit dem Journalisten Hanno Gerwin:

„Ich glaube, ohne Kirche kann man kein Christ sein. Das Christentum ist eine Gemeinschaftsreligion, eine soziale Religion. Jesus ja, Kirche nein – das halte ich für einen blöden Spruch. Christ ist man in einer Gemeinschaft, das geht anders nicht.“

Und weiter:

„Wieder in eine Kirche einzutreten ist anders als auszutreten, weil man seinen Frieden mit der Institution gemacht haben muss, und zwar radikal, mit alldem, was einem nicht passt.“

Dabei ist Winfried Kretschmann ein vernunftbegründeter Glaube wichtig. Zum Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft sagte er im Jahr 2010 gegenüber der Stuttgarter Zeitung:

„Der religiösen Rede geht es nicht wie den Wissenschaften um das Gesetz von Ursache und Wirkung, sondern um die Erschließung von Sinn, den sie durch Symbole und Erzählungen zu erfassen sucht.“

Der Glaube sei eben kein Wissen, sondern „ein Urvertrauen in das Gute“, so Kretschmann.

Quellen: idea.de, Bunte 52/12, gerwintrifft.de, Spinnler, Rolf, Glaube heißt: Urvertrauen in das Gute, in: Stuttgarter Zeitung Nr. 77 (2010), Sa. 3. April