Foto: NASA/Bill Ingalls Bill Ingalls creator QS:P170,Q71171454, James Webb Space Telescope Briefing (NHQ202206290010), als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Astrophysiker Thomas Zurbuchen treibt die Schönheit der Natur an

Den schweizerisch-US-amerikanischen Astrophysiker Thomas Zurbuchen, der von Oktober 2016 bis Ende 2022 Wissenschaftsdirektor der NASA war, zog es einst aus dem Berner Oberland in die USA, um sich dort intensiver mit dem Weltall zu beschäftigen. Nun kehrte der 55-Jährige in die Schweiz zurück. Dort sprach er aktuell im Interview mit der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) auch über das Verhältnis von Wissenschaft und Religion.  

Zurbuchen wuchs in Heiligenschwendi am rechten Ufer des Thunersees als Sohn eines Freikirchenpredigers auf, der, wie die NZZ berichtet, die fünfköpfige Familie mit Gaben und Glauben ernährte. Während seine Geschwister noch heute glückliche Gemeindemitglieder seien, habe er sich einst aus „der strikten Umgebung der Freikirche“ entfernt, „weil es mir nicht wohl war“, berichtete Thomas Zurbuchen im NZZ-Interview.

Auch wenn seine Familie „überhaupt nicht“ wissenschaftlich orientiert war, habe die Natur „immer im Zentrum gestanden“. Daraus leitet Zurbuchen seine Motivation für die Erforschung der Natur ab, was er wie folgt beschreibt:

„Ihre Schönheit hat auch meine Familie fasziniert – und dieser Schönheit auf den Grund zu gehen, treibt mich bis heute an.“

Zu seinem Gottesbild ließ der Astrophysiker im Verlauf des Interviews wissen:

„Wenn man unter ‚Gott‘ die Ordnung der Natur versteht, dann gibt es Gott.“

Einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Glauben und Naturwissenschaft sieht der ehemalige Forschungsdirektor der NASA indes nicht. Dazu betont der 55-Jährige:

„Es wird erst gegensätzlich, wenn man theoretische Grundlagendiskussionen anfängt: Sind die ersten Kapitel im Moses eine wahre Geschichte?“

Er habe neben der Bibel „in der Zwischenzeit in vielen heiligen Büchern gelesen“ und könne gute Gründe ableiten, warum Religion für Menschen wichtig ist. Wenn Menschen durch ihren Glauben zu besseren Menschen werden, indem sie etwa beginnen, armen Menschen zu helfen, bewertet Thomas Zurbuchen das als „bestens“. Religion werde erst dann zum Problem, wenn sie intolerant gegenüber anderen Glaubensüberzeugungen auftritt. Fundamentalismus, gegenüber dem er „in den Abwehrkampf“ gehe, erkennt er dabei nicht nur in der Religion, sondern auch in seinem Fachgebiet, was er wie folgt darlegt:

„Wenn sich Wissenschafter religiös verhalten. Das macht mich verrückt.“

Eine wissenschaftliche Theorie müsse prinzipiell falsifizierbar sein. So ärgere es ihn, „wenn Wissenschafter extreme Aussagen machen, die nicht haltbar sind“. Diesbezüglich betont Zurchbuchen weiter:

„Wissenschaft wird religiös, wenn sich einer wie ein Prediger auf ein Podest stellt und meint, er habe die ultimative Weisheit.“

Danach gefragt, wie er mit Dingen umgehe, die er nicht wisse, erklärte der Astrophysiker, der die Mission des James-Webb-Weltraumteleskops verantwortete, dass wir „95 Prozent des Universums nicht wirklich“ verstünden. Die Erkenntnis zu erlangen, dass es gut sei, wenn man etwas nicht weiß, empfindet er als beruhigend. Ein glücklicher Mensch sei der, der „immer am Lernen“ sei und das Leben „nicht im Rückspiegel“ anschaue, so der 55-jährige Naturwissenschaftler.

Zu seinem Zitat „Wenn wir nicht in die Zukunft denken, sind wir nicht die besten Menschen, die wir sein können“ erklärte Thomas Zurbuchen, dass es dafür wichtig sei, sich klarzuwerden, „welche Werte wir weitergeben wollen, welche Nachwuchskräfte wir fördern“. Um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen, brauche es seiner Meinung nach „Wissen, Weitblick und Wagemut“. Mit Blick auf seine Persönlichkeit führte er fort:

„Mir hilft die Auseinandersetzung mit Kunst, mit Literatur, mit Science-Fiction, um über die Grenzen des Möglichen hinauszudenken.“

Quelle: nzz.ch