Gerlinde Kaltenbrunner: „Gott ist für mich die höchste Kraft in ihrer reinsten Form“

Die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, die eine der erfolgreichsten Höhenbergsteigerinnen der Welt ist, sprach aktuell im Interview mit der Kärtner Kirchenzeitung „Sonntag“ über ihre Vorstellung von Gott, die sich durch ihre Expeditionen in der Natur vertiefte.

Gerlinde Kaltenbrunner berichtete, dass sie in ihrer Kindheit nicht religiös erzogen wurde, ihre Eltern aber das Interesse ihrer Tochter an der katholischen Jungschar und an Gottesdienstbesuchen zuließen. Zu den Auswirkungen dessen erklärte die heute 52-Jährige:

„Durch unseren damaligen Gemeindepfarrer – er war ein sehr weltoffener, naturverbundener und begeisterter Mensch und Bergsteiger – tauchte ich dann tiefer in den Glauben ein.“

Ihr Glaube half ihr später auch, um Höchstleistungen im Bergsteigen zu erbringen. Mit dem Erreichen des Gipfels des K2 am 23. August 2011 ist Gerlinde Kaltenbrunner, wie auf Wikipedia zu lesen ist, die zweite oder dritte Frau, die alle vierzehn Achttausender bestiegen hat, und die erste, der das ohne zusätzlich mitgeführten Sauerstoff gelang.

Die Grenzerfahrungen im Bergsteigen und die Begegnung mit Menschen anderer Religionen hatten für Gerlinde Kaltenbrunner eine positive Auswirkung auf ihr Gottesbild. Dadurch ließ sie das Bild eines strafenden, kontrollierenden Gottes hinter sich und entwickelte eine tiefere, tragfähige Vorstellung von Gott. Dazu erklärt sie gegenüber der Kärntner Kirchenzeitung „Sonntag“:

„Heute ist der Begriff Gott für mich die höchste Kraft in ihrer reinsten Form, in allem und jedem vorhanden– unabhängig von Religionen, Kulturen und Gesellschaften.“

Bei seinem Deutschlandbesuch 2006 erklärte Papst Benedikt XVI. bei der Messfeier seinerzeit in München: „Wir leiden an der Schwerhörigkeit Gott gegenüber. Wir können Gott nicht hören, zu viele andere Frequenzen haben wir im Ohr.“

Dass es, um Gott zu erfahren, den Zustand der Ruhe und Fokussierung braucht, erfuhr Gerlinde Kaltenbrunner bei ihren Expeditionen in der Natur. Diesbezüglich berichtete die Bergsteigerin:

„Vor allem in der stillen Abgeschiedenheit, weit weg von jeglicher Zivilisation und reduziert auf ein Minimum, spüre ich die göttliche Kraft am intensivsten.“

Kurz bevor sie den Gipfel des K2 erreichte, habe sie „diesen Zustand des Eins Sein, verbunden mit allem und jedem, ohne Trennung von irgendetwas, ganz bewusst erfahren“. Diese Erfahrung war für sie lebensverändernd. So trage sie dieser Zustand „seither durch alle nur denkbar schwierigen Momente“, so die 52-Jährige.

Gott ist für sie aber nicht nur in der Natur erfahrbar. Dazu betont Gerlinde Kaltenbrunner:

„Das Göttliche, Gott, oder wie immer man es auch benennen mag – ist für mich immer da, in jedem Moment.“

In der Stille der Natur sei man ihrer Meinung nach aber „offener“, um Gott wahrzunehmen.

 

Im Sommer 2015 gab Gerlinde Kaltenbrunner in der Süddeutschen Zeitung ein Glaubensbekenntnis ab. Dabei erzählte sie, dass sie in ihrer Kindheit der Ortspfarrer sehr geprägt hat. Nach dem Gottesdienst sei er mit den Ministrantinnen und Ministranten Bergsteigen gegangen, wodurch sie „schon in jungen Jahren einen sehr intensiven Zugang zur Natur bekommen“ habe. Diesbezüglich erinnerte sie sich:

„Der Schöpfung gegenüber achtsam zu sein – das hat uns dieser Pfarrer mitgegeben.“

Auch damals berichtete Kaltenbrunner, dass sie in der Verbundenheit mit der Natur, zu sich finden und die Nähe Gottes „richtig spüren“ könne. Sie glaube an diese höhere Macht, die wir Gott nennen. Auch wenn sie mit einigen Dingen in der katholischen Kirche nicht einverstanden sei, glaube sie unabhängig davon „an die Schöpfung“ sowie „an das Gute im Menschen“ und „an die wahre Liebe, die in jedem von uns wohnt“, schilderte Gerlinde Kaltenbrunner.

Zu ihrem Glaubensleben im Alltag berichtete sie:

„Ich bete zweimal jeden Tag, morgens und abends.“

Bevor sie in das Zwiegespräch mit Gott geht, den sie als „etwas Kraftvolles, voller Licht und Liebe“ empfindet, lasse sie „durch Meditation völlige Stille und innere Ruhe einkehren“. Aus dieser Verbindung zu Gott schöpfe sie „Stärke und Zuversicht“, so Kaltenbrunner.

Quellen: kath-kirche-kaernten.at, sueddeutsche.de