Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Verleihung Ehrenring des Rheinlandes an Pfarrer Meurer-2921, CC BY-SA 4.0

Manfred Lütz: „Wir müssen alle mehr Christentum wagen“

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Der Psychiater, Theologe und Bestsellerautor Manfred Lütz, der von 1997 – 2019 das Alexianer-Krankenhaus in Köln leitete, hatte am 4. April in der ZDF-Sendung von Markus Lanz erklärt, dass unser Land wieder mehr Christentum brauchen würde. In einer Sendung, die sich um die Schieflage an deutschen Schulen drehte, plädierte Lütz für eine grundsätzliche Debatte, die sich nicht in technischen Details verliert, sondern der Frage nach der grundlegenden Werteorientierung unserer Gesellschaft nachgeht (wir berichteten).

Anfang Oktober forderte Manfred Lütz in einem bemerkenswerten Kommentar in der überregionalen Tageszeitung „Die Welt“ erneut eine Rückbesinnung auf den christlichen Glauben, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Dabei benannte er neben dem Gebot der Feindesliebe, die Werte Toleranz, Mitleid und Internationalität als „christliche Erfindung“.

In einer Zeit, in der in Deutschland der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder darauf hinweist, dass es bei der an bayerischen Schulen neu eingerichteten Verfassungsviertelstunde darum gehe, die Prinzipien hinter der Verfassung zu verstehen, und der Allgemeinpädagoge Prof. Dr. Klaus Zierer in seinem neuen Buch die Ehrfurcht vor Gott zum wichtigsten Bildungsziel einer modernen Gesellschaft erklärt, fordert Manfred Lütz eine Rückbesinnung auf die christlichen Wurzeln unserer Verfassung. In seinem Kommentar legt er den Finger in die Wunde und beschreibt den aufkommenden Extremismus im Allgemeinen als handfestes Problem unserer Zeit. Den Zulauf zur AFD sieht er dabei darin begründet, „dass neuerdings Religion durch Moral ersetzt wird, linke und grüne Ideologen den erhobenen Zeigefinger mit echter Politik verwechseln und der Pranger wiedereingeführt wurde“. Um diesem Phänomen etwas entgegenzusetzen, fordert der renommierte Psychiater:

„Wir müssen alle mehr Christentum wagen.“

Diese These begründend ging er auf das Gebot der Feindesliebe sowie die Werte Toleranz, Mitleid und Internationalität  als „christliche Erfindungen“ ein.

Die Weisung Jesu Christi „Liebet eure Feinde, tuet Gutes denen, die euch hassen“ wirke damals wie heute realitätsfern und könne nur mit Jesu Gebot „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“ verstanden werden, schilderte Lütz. Mit Verweis auf den Ausschwitzüberlebenden Jehuda Bacon, der einmal erklärte, dass das Gebot der Nächstenliebe nur ganzheitlich funktioniert, betont Manfred Lütz:

„Wie soll ich einen wildfremden Menschen, den ich gar nicht kenne, lieben! Aber wenn ich glaube, dass ich von Gott geschaffen und geliebt bin und auch der Nächste von Gott geschaffen und geliebt ist, dann ist das möglich, wenn ich Gott liebe.“

Darauf würden sogar nicht-gläubige Menschen verweisen. So hätten der Philosoph Jürgen Habermas, der sich einmal als „religiös unmusikalisch“ bezeichnete, vor Jahren „rettende Übersetzungen“ der jüdisch-christlichen Begrifflichkeit von der Gottebenbildlichkeit des Menschen gefordert und der Linken-Politiker Gregor Gysi, der sich als Heide bezeichnet, seine Angst vor einer gottlosen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht.

Dass er Toleranz sogar als christliche Erfindung sieht, begründet Lütz damit, dass der Begriff etymologisch ursprünglich „Lasten tragen“ bedeutete und erst die Christen den Begriff weiter fasten, hin zu „Menschen anderer Meinung ertragen“. Das christliche Toleranzgebot könnte seiner Meinung nach in der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Situation weiterhelfen. So gelte es heute das christliche Toleranzangebot jungen Menschen wieder überzeugend zu vermitteln. Dazu betont Lütz:

‚Tuet Gutes denen, die euch hassen‘, ist jedenfalls wirksamer als jedes Antiaggressionstraining.“

Auch in der aktuell politisch und gesellschaftlichen Lage könne das christliche Toleranzverständnis weiterhelfen, führte Lütz in seinem Welt-Kommentar näher begründend aus. Wenn es dadurch gelingen sollte, „dass Menschen weniger an den Pranger gestellt werden, nur weil sie eine andere Meinung haben“, könne dies „den Populisten das Wasser abgraben“, schlussfolgerte der Bestsellerautor (aktuelles Werk „Der Sinn des Lebens“).

Weiter führte Lütz aus, dass auch der Wert des Mitleids eine christliche Erfindung sei, was die historische Wissenschaft bestätigen würde. Dies begründet er mit der im Christentum sich ausbreitenden Ansicht, dass man „in allen Menschen in Not Gott selber, nämlich Christus begegnen könne“.

Überdies befand der 70-Jährige, dass auch Internationalität eine christliche Erfindung sei. Dies begründet er damit, dass Christen an einen Gott glauben, „der alle Völker und alle Menschen gleich geschaffen hat“. Diese Botschaft sei gerade in unseren Zeiten von neu aufkommenden Nationalismus und Antisemitismus „unabdingbar für den Frieden der Welt“, betonte Manfred Lütz abschließend.

Hinweis: Den kompletten Kommentar von Manfred Lütz gibt es unter:

welt.de