Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Verleihung Ehrenring des Rheinlandes an Pfarrer Meurer-2921, CC BY-SA 4.0

Bestsellerautor Manfred Lütz: „Wir brauchen wieder mehr Christentum“

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Der Psychiater, Theologe und Bestsellerautor Manfred Lütz, der sich in seinem neuesten Bestseller dem Sinn des Lebens widmet, war am vergangenen Donnerstag in der TV-Sendung von Markus Lanz zu Gast, die sich um die Schieflage an deutschen Schulen drehte. Lütz plädierte hinsichtlich der Bewältigung der Probleme für eine grundsätzliche Debatte, die sich nicht in technischen Details verliert, sondern der Frage nach der grundlegenden Werteorientierung unserer Gesellschaft nachgeht.

Zu Beginn der Sendung teilte Markus Lanz mit, dass allein in Berlin die Polizei mittlerweile pro Tag zu fünf Einsätzen an Schulen ausrückt. Dass dies nicht nur ein „Millionenstadt-Phänomen“ ist, legte die Schulleiterin Anja Mundt-Backhaus, die in einem Brandbrief an die Stadt Hannover die katastrophalen Zustände an ihrer Schule öffentlich gemacht hatte, in alarmierender Weise dar. Sie beklagt, dass an ihrer Gesamtschule Konflikte unter Schülern, Beleidigungen, Handgreiflichkeiten, sexualisierte Gewalt und Vandalismus zum Alltag gehören, weshalb viele Kinder Angst vor dem Gang in die Schule hätten, so die Pädagogin. Weiter schilderte sie, dass „viele Konflikte“, eine „raue Sprache“, „Machtkämpfe“ und Statusgehabe an der Tagesordnung sind. Dabei betonte sie, dass dies „kein rein schulisches Problem“, sondern „ein gesellschaftliches Problem“ sei (Anmerkung: Mehr dazu gibt es unter: bild.de).

 

Manfred Lütz sprach in dieser Runde, in der neben ihm und Schulleiterin Anja Mundt-Backhaus auch noch die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien und der Soziologe Aladin El-Mafaalani zu Gast waren, darüber, worauf es bei unseren Kindern ankommt und was wir da gerade übersehen.

Der Facharzt für Nervenheilkunde, der von 1997 bis 2019 das Alexianer-Krankenhaus in Köln leitete und neben Psychologie und Medizin auch Philosophie und Theologie studierte, argumentierte in seinen Redebeiträgen in einer Tiefe und Weisheit, so dass Moderator Markus Lanz am Ende feststellen konnte, viel in dieser Sendung gelernt zu haben.

Zuvorderst forderte Lütz einen Bürokratieabbau an Schulen, so dass Pädagogen wieder mehr Zeit für die Kinder und Jugendlichen haben. Bezüglich der Gewaltfrage an Schulen, die unbedingt gelöst werden müsse, weil unter Angst nicht gelernt werden könne, plädierte Lütz dafür, eine grundsätzlichere Debatte zu führen. Seiner Meinung nach werde häufig nur auf der technischen Ebene diskutiert mit der Folge, dass man dann zum Beispiel Anti-Aggressionstrainings abhält. Dazu betonte der Universalgelehrte:

„Wir müssen ein bisschen mehr über die Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung reden.“

Gerade in einer Zeit, in der Menschen sichtbar werden, die „aus einer völlig anderen Vorstellung“ kommen, gelte es „wieder grundlegende Fragen, Fragen nach der Werteorientierung unserer Gesellschaft“ zu stellen. Dahingehend betonte er:

„Wir brauchen wieder mehr Christentum.“

Diese Einsicht hätten heutzutage nicht nur Christen, sondern auch Atheisten. Als Beispiel nannte Lütz den Linken-Politiker Gregor Gysi, der sich als nicht gläubig bezeichnet und sagte, dass er Angst vor einer gottlosen Gesellschaft habe, weil dieser die Solidarität abhanden kommen würde. [Anmerkung: Selbst der markanteste Atheist unserer Zeit, der britische Biologe Richard Dawkins, warnte aktuell vor dem Verlust des Christlichen in der Gesellschaft (wir berichteten)].

Damit umfassend an Schulen ein Verständnis der Grundlagen unserer Gesellschaft gebildet wird, gelte es nach Ansicht von Manfred Lütz, insbesondere den Kunst- und Musikunterricht zu fördern, was der 70-Jährige wie folgt begründete:

„Kunst ist eine Möglichkeit über kulturelle Grenzen und Meinungsgrenzen hinweg, tatsächlich zu spüren, was human ist.“

Für sein neues Buch „Der Sinn des Lebens“ beschäftigte sich der Bestsellerautor mit den Kunstwerken in Rom. Zur Bedeutung dieser Kunstwerke erklärte er:

„Man kann in der Kunst tatsächlich Werte sehen. Ich glaube, dass jemand in der Pieta von Michelangelo das ganze Christentum sehen kann. Das, was darin zum Ausdruck komme, könnten auch Atheisten sehen.“

Die Schriftstellerin Elke Heidenreich, die sich als Atheistin bezeichnen würde und die zu seinem neuen Buch ein Geleitwort schrieb, habe ihm erzählt, dass sie als Schülerin im Alter von 16 Jahren bei Anblick der Pieta von Michelangelo in Tränen ausgebrochen sei, weil sie von der Darstellung so ergriffen war. [Anmerkung: Die Pieta ist in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus.]

Auf die Schule übertragen plädiert Lütz dafür, dass man auch an diesem Bildungsort mal Ruhezeiten haben sollte, in denen Kunst und Musik eine Rolle spielen. Dazu erklärte er, dass ihm aufgefallen sei, „dass die Polarisierung in unserer Gesellschaft häufig über Worte, über Texte“ geschehe. In der Beschäftigung mit Kunst könne man erkennen, „dass jeder Mensch, ein Menschrecht hat“, so der Philosoph und Theologe. Weiter führte er aus:

„Meine Sorge, die ich im Moment habe, ist, dass auch in der Weltpolitik diese ursprünglich christliche Auffassung, dass jeder Mensch eine gleiche Würde hat, wegfällt.“

In einer Zeit, in der vielfach die Meinung vorherrscht, ohne Gott leben zu können, und in der bei der Formulierung nachhaltiger Bildungsziele der Begriff Gott und die damit verbundene Verantwortung oft ausgeblendet wird, erinnerte Lütz an die Wurzeln unserer Gesellschaft, ohne die unsere Vorstellung von Gleichheit und Freiheit nicht nachvollziehbar sind. Dazu schilderte er, dass unter den Germanen in vorchristlicher Zeit jemand von einem anderen Stamm gar nicht als Mensch gesehen wurde und man ihn wie ein Tier jagen konnte. Aus dieser Zeit gebe es Berichte, wonach ein siebenjähriges Kind ein anderes Kind im gleichen Alter getötet hat, weil es beim Ballspielen verloren hat. Ein weiteres Kind habe im Alter von neun Jahren schon zwei Leute tot geschlagen. Dies sei nicht als Fehlverhalten gesehen worden, vielmehr hätten die Eltern „mit Begeisterung“ davon erzählt und diese Kinder als Helden gesehen. Im Anschluss an diese Ausführungen fuhr Lütz fort:

„Und da kam das Christentum mit der Vorstellung, dass jeder Mensch eine eigene Würde hat und das prägt unsere westliche Gesellschaft.“

Es gelte heutzutage die Menschen wieder für die Wertegrundlagen unserer Gesellschaft zu sensibilisieren. Darüber müssten wir reden, so der Mediziner und Theologe.

Auf die anschließende Frage von Moderator Markus Lanz, welches problematische Frauenbild offensichtlich die ein oder anderen Jungs von heute hätten, erklärte der Soziologe Aladin El-Mafaalani, dass das natürlich eine Komponente beinhalte, „die etwas mit Migration zu tun“ habe.

In einem weiteren beeindruckenden Redebeitrag plädierte Manfred Lütz dafür, die Frage nach dem Sinn des Lebens „nicht nur als kirchliche Debatte“, sondern gesamtgesellschaftlich „als eine grundlegende Debatte“ zu führen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens stelle sich jeder Mensch. Es gebe zwar viele Bücher über den Sinn des Lebens, „wo irgendein Guru sagt, was er richtig findet“. Darum gehe es aber nicht. Lütz erinnerte in diesem Kontext an den Kern des Evangeliums, der in der Kunst seinen Ausdruck gefunden hat. Dazu sagte er:

„Ich finde die Kultur des Abendlandes zeigt uns in der großen Kunst des Abendlandes, welche humanen Werte da sind.“

Lütz verdeutlichte wie tief der Kern der christlichen Botschaft in unserer Gesellschaft verankert ist. So sei der christliche Satz „Liebet eure Feinde und tut Gutes, denen die euch hassen“, in dem die Botschaft Jesu von der Gottes- und Nächstenliebe gipfelt, eigentlich „total unplausibel“. Normalerweise werde der Feind erschlagen, was für die Germanen damals klar gewesen sei und auch für Leute wie zum Beispiel Putin heute klar sei. Lütz führte mit Blick auf das Gebot der Feindesliebe fort:

„Das ist eine christliche Position aus der heraus auch der Mensch anderer Meinung, anderen Volkes, anderer Kultur zu respektieren ist.“

Lütz erklärte, dass das Fundament dieser Position in der Annahme der Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen liegt. Das Gebot der Nächstenliebe, das ja vielmehr ein Doppelgebot „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“ ist, werde „immer zu kurz“ zitiert, bemängelte Lütz. In dieser Kurzsicht werde es schwierig den Nächsten zu lieben, wenn dieser „ein Idiot“ sei. Als entscheidend für die Nächstenliebe beschreibt Lütz den zugrundeliegenden Gottesbezug, was er wie folgt darlegte:

„Aber weil der Nächste eben auch von Gott geschaffen ist, der ihn liebt, kann man ihn vielleicht deswegen lieben.“

Dieser Gedanke müsse gesellschaftlich und nicht nur konfessionell durchdacht werden. Dabei könne jemand der nicht gläubig ist, auch Atheist bleiben. Dies sei dabei „nicht der Punkt“.

Eine Möglichkeit dafür sieht Lütz in der Reflexion von Kunstwerken. Dazu erklärte er:

„In der Kunst kann man tatsächlich Humanität erleben.“

 

Die stellvertretende Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, Karin Prien, erklärte daraufhin, dass es unbestritten sei, dass kulturelle Bildung „ein wesentliches Vehikel [ist], um Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenzubringen“. Es gehe künftig darum, „die Scheu zu verlieren darüber zu sprechen, was dieses Gesellschaft ausmacht und was uns wichtig ist“. Dabei gelte es jungen Menschen klar zu machen und dafür zu werben, dass man in einer freiheitlichen Gesellschaft besser miteinander lebt und dass es ein unglaubliche Glück ist, in einem freiheitlichen Land zu leben.

Quellen: zdf.de, bild.de

Hinweis: Die beschriebene Lanz-Sendung zum Nachsehen gibt es:

HIER

Manfred Weber, der Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP ist und seit 2004 dem Europäischen Parlament angehört, plädierte aktuell dafür, sich der christlichen Prägung Europas wieder bewusst zu werden.

 

 

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