Nora Gomringer: „Ich sehe mich in einem Verständnis, das tief europäisch, christlich und jüdisch ist“

Die schweizerisch-deutsche Lyrikerin Nora Gomringer, die seit 2010 in Bamberg das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia als Direktorin leitet und 2015 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde, sprach im Interview mit dem SRF über ihren jüngsten Gedichtband „Gottesanbieterin“, in dem sie über den Tod, ihren christlichen Glauben und den Verlust eines guten Freundes schreibt. Dabei erklärte die 45-Jährige auch, warum sie sich zu ihrem Glauben bekennt, obgleich das bei Kulturschaffenden eher ’selten‘ wäre.

Danach gefragt, warum in ihren Werken Begriffe wie Sünde oder Erlösung zum Vokabular gehörten, verwies Nora Gomringer, die als eine der wichtigsten deutschen Dichterinnen der Gegenwart gilt, auf die Tradition, auf der das Heute basiert. Sie sehe sich „in einem Verständnis, das tief europäisch, christlich und jüdisch ist“. Weiter betonte die Lyrikerin:

„Wir haben die Verantwortung, uns unserer Tradition zu besinnen. Ich bin überrascht, wie Menschen so weltlich werden können und sagen: ‚Brauche ich alles nicht, ist nicht mein Ding.'“

Die Ausblendung der Transzendenz ist die Sache Gomringers nicht. So ist ihr zwar bewusst, dass sie in ihrem Leben „das eine oder andere“ selbst erlernt, aber überdies fühle sie, dass ihre Kreativität von Gott komme, was sie wie folgt näher darlegte:

„Eine gewisse Leitung, Fügung und vor allem Zutrauen, bestimmte Dinge tun zu können und zu dürfen – das fühlt sich an wie von Höherem geleitet.“

In jungen Jahren habe sie sogar einmal den Wunsch gehabt, Nonne zu werden. Sie sei es aber nicht geworden, weil dies „keine Frage des Wollens“ sei, sondern eine spürbare Berufung, sein Leben ganz Jesus Christus zu widmen. Da sie diesen Ruf nicht empfangen habe, wäre ein eigenwilliger Entschluss in ihren Augen „sehr hart“ gewesen. Dazu erklärte sie weiter:

„‚Learning by doing‘ stelle ich mir als Nonne schwierig vor.“

 

Im Sommer 2020 äußerte sich Nora Gomringer im Interview mit dem Magazin Chrismon wie folgt zur ihrer Vorstellung von Gott

„Wie alles in der Schöpfung empfinde ich mich als Ausdruck einer göttlichen Zugewandtheit.“

Weiter hob sie hervor, dass sie in ihrem Leben bis heute noch „nie eine Vertrauenskrise mit Gott“ gehabt habe. Diesbezüglich begründete die Lyrikerin:

„Meine Gottgläubigkeit ist in einem ruhigen Kinderzimmer meines Gehirns abgespeichert, da passieren keine Stürme.“

Über ihre christliche Prägung berichtete Nora Gomringer im Herbst 2020 im Interview mit der Tageszeitung Die Glocke, dass sie in ihrer Kindheit einen „fröhlichen Katholizismus“ vermittelt bekomme habe und auch heute wie ihre Mutter „den Glauben nach rheinischer Art“ lebe. Zu ihren Erfahrungen im Kindheits- und Jugendalter im Umfeld der Kirche sagte sie:

„Ich war eine begeisterte Ministrantin und habe als melancholischer Teenager Stabilität im Glauben gefunden.“

Quellen: srf.ch, chrismon.evangelisch.de, die-glocke.de

In der SRF-Sendung „Sternstunde Religion“ sprach Nora Gomringer aktuell über das Verstummen in der Trauer, das Gestaltungspotenzial der Frau in der römisch-katholischen Kirche und über Jesus, „dem seit zweitausend Jahren keiner die Wunden verbindet“: