Kulturwissenschaftler Jan Assmann: „Ob es Gott gibt, ist eine offene Frage“

Der Ägyptologe, Religions- und Kulturwissenschaftler Jan Assmann sprach im Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ darüber, ob Religion eine Illusion, eine unbestreitbare Wahrheit oder etwas Drittes sei.

Der 83-Jährige warnte vor „einer billigen Funktionalisierung“ Gottes, in dem Sinne, dass man Gott auf seine Funktion reduziere. Nur weil Glaube und Religion gut täten, sage dies „gar nichts über ihre Wahrheit“ aus. Dazu betonte Assmann:

„Ob es Gott gibt, ist eine offene Frage.“

Gewiss sei er sich jedoch, dass es Gott „auf jeden Fall“ nicht gebe, „weil wir ihn brauchen“. So halte er auch „nichts von der Idee, dass mit dem Glauben an Gott die Moral steht und fällt“. Seiner Ansicht nach habe die Moral „ihren Ursprung in der Sozialität des menschlichen Daseins“ und lasse sich durch Kants kategorischen Imperativ „auch immanent begründen“. In diesem Sinne teilt Jan Assmann die Ansicht, dass Atheisten genauso moralische Menschen sein können wie tief Religiöse. Dabei verweist er aber darauf, dass „auch der Atheismus mit seinen Dogmen eine Religion“ sei. Gegenüber der atheistischen Religion bezeichnet Assmann „die Bilderwelt des Glaubens“ und die Hoffnung im Glauben als schön, auch wenn dies seiner Meinung nach „keinen verlässlichen Realitätsstatus“ habe. Dazu sagt er u.a.:

„Sicher stirbt man auch glücklicher in der Gewissheit: Es gibt einen Gott, der den Geist, den man da aufgibt, aufnimmt.“

Zur Ansicht in Lessings Ringparabel „Nathan der Weise“, dass man den Wahrheitsgehalt einer Religion nicht dogmatisch beweisen, aber im Handeln bezeugen könne, merkte Assmann an:

„Eine Religion, die im Namen Gottes Menschen umbringt, widerlegt sich selbst. „

Seiner Ansicht nach liege im Glauben eine Wahrheit, die „nicht gegeben, sondern herzustellen“ sei. In diesem Sinn betont er:

„Ich bin nicht gläubig, aber religiös.“

Die letztgültige Wahrheit sei uns verborgen, was auch gut sei. Denn eine Auffassung, die annehme, die Wahrheit „schwarz auf weiß“ zu haben, sieht Jan Assmann als „verhängnisvoll“.

Im Oktober 2018 sprachen Jan Assmann und seine Frau Aleida im Interview mit domradio.de über das Heilige, mit dem sie sich verbunden fühlen, die Bedeutung von Religion in ihrem Leben und die tröstende Kraft der biblischen Psalmen. Dabei betonte Jan Assmann:

„Man kann nicht leben ohne das Gefühl eines Getragenseins von etwas, das jenseits des Wissbaren liegt.“

Quellen: diepresse.com, domradio.de