Pater Christoph Kreitmeir: „Das Berühren von Wunden kann Wunder bewirken“
In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mk 7, 31-37) ermutigt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, dessen neues Buch „Zuversicht in schwerer Zeit“ aktuell im benno-Verlag erschienen ist, zu einem Leben mit offenen Augen und Herzen.
Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:
Wir sehen und bemerken sie überall: Jüngere und mittlerweile auch ältere Menschen, die mit Stöpseln in den Ohren umherlaufen und sich dort, wo immer sie sich aufhalten und bewegen, mit Musik beschallen lassen und sich von ihrer Umwelt isolieren. Das kann verschiedene Gründe haben: Entspannung und Abschalten, einen Gegenpol zu dieser immer lauter werdenden Welt setzen, leider aber auch das Sich-Abmelden von der Mitwelt und das Wachsen von Desinteresse.
Auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln sind sie schon zur Selbstverständlichkeit und manchmal auch zur Plage geworden, ebenso diejenigen, die es überhaupt nicht stört, inmitten vieler ungewollt Mithörender zum Teil intimste oder total unwichtige Dinge, völlig ungeniert, mittels Handy oder Smartphone auszutauschen.
Also, mir geht es manchmal auch so, dass ich da lieber die Ohren verschließe, das Zugemutete ausblende und neben dem Schutz meines Inneren leider auch das mich Umgebende wegdrücke. Auf Dauer, und man kann es wirklich immer mehr beobachten, verschließen die Menschen nicht nur vermehrt ihre Ohren, sondern auch ihre Wahrnehmung für die Not anderer.
Wir wollen heute wieder auf JESUS und sein heilendes Verhalten schauen, das uns helfen will, dass wir wieder offener werden für das Eigentliche im Leben.
Jesus nimmt einen Taubstummen auf die Seite. Ein Mensch, der schon immer nicht hören und nicht reden konnte oder der erst im Laufe des Lebens verstummte und nichts mehr hören wollte. Auf jeden Fall ist er ein vom Leben hart gezeichneter Mensch.
Jesus nimmt ihn beiseite, weg von den Menschen. Er eröffnet ihm in der ganzheitlichen Begegnung und Behandlung neu einen Weg zur Heilung. Dabei legt er ihm seine Finger in die Ohren, berührt seine Zunge mit Speichel, betet zu Gott und sagt zu dem Taubstummen: Effata – Öffne dich! Er überlässt ihm nach seinen Hilfen letztlich die Entscheidung, sich gegenüber der Welt und den Menschen (wieder) zu öffnen. Denn Krankheit, jede Krankheit zieht auch immer soziale Isolation nach sich …
UND Jesus tat das fern von der Öffentlichkeit, fern von Medienwirksamkeit und gaffender Neugierde. Er wollte aus seinem therapeutischen Tun keine Show machen und keine Selbstdarstellung.
Jesus ging es allein um Heilung dieses einen Menschen und um den Hinweis auf Gott, der letztlich frei und heil macht.
Wie viel ein aufbauendes Gespräch, eine gute Behandlung oder eine Berührung bewirken können, erfahren wir immer wieder, wenn uns das Leid anderer nicht kalt lässt und wir immer wieder neu lernen, nicht primär auf das Äußere zu sehen.
Ich muss gestehen, dass auch ich nicht davor gefeit bin, auf Äußerlichkeiten hereinzufallen. Auch mir, und da bin ich wohl nicht alleine, sagen mehr die Menschen zu, die äußerlich sauber und schön gekleidet sind, als die, die unordentlich und vielleicht auch streng riechend daherkommen.
Auch ich meine, dass ein gepflegtes Äußeres auf ein gepflegtes Inneres schließen lässt. Oft stimmt das ja auch, aber eben nicht immer! Und deshalb ist es gut, hier durch Worte, wie wir sie in der Lesung gehört haben, auf Fallen hingewiesen zu werden, in die wir gerne und nicht selten hineintappen: „Wenn … ihr auf den Mann in prächtiger Kleidung blickt und ihn zu euch holt und den Armen in schmutziger Kleidung abweist …, macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen?“
Ja, machen wir, leider!!!
Jeden Tag (im Klinikum) werde ich aber eines Besseren belehrt. Nicht das Äußere ist letztlich ausschlaggebend, nicht, ob einer oder eine gut aussieht oder gut riecht.
Wenn wir unsere Sinne und unsere Seele nicht verschließen und wenn uns die körperliche und seelische Not des anderen anrührt, dann können wir selbst mit unserer eigenen Schwäche und Bedürftigkeit anders umgehen lernen.
Das Berühren von Wunden, seelischen wie auch körperlichen, kann Wunder bewirken: Im anderen und in mir. Es öffnet mich und ihn, es öffnet uns für das, worauf es ankommt, die Liebe.
Amen.
Hinweis:
Am 3. Sept. erschien das neue Buch „Zuversicht in schwerer Zeit“ von Pater Christoph Kreitmeir. Mit praxis-erprobten Strategien für mehr Hoffnung, Vertrauen & Resilienz beschreibt der erfahrene Seelsorger und spirituelle Autor Wege, um Zuversicht als innere Kraftquelle zu entdecken.
Mehr Infos zu seinem neuen Buch gibt es HIER und in Kürze in einem Interview auf unserer Webseite.