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Pater Christoph Kreitmeir: „Erst in der gelebten Spannung entsteht wirkliches Leben“

Das heutige Sonntagsevangelium (Joh 2, 1-11) berichtet vom ersten öffentlichen Auftreten Jesu bei der Hochzeit von Kana. Unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, der vergangene Woche auf Radio Horeb in einer Standpunktsendung zum Thema „Der Seele eine Heimat geben“ zu hören war, setzt in seiner Auslegung des Sonntagsevangeliums einen besonderen Akzent und plädiert für Mut zur Veränderung.

Hier die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat: 

 

 

„Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung“ oder „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“

Dieses berühmte Zitat des griechischen Philosophen Heraklit vor 2.500 Jahren hat auch heute nichts an seiner Gültigkeit eingebüßt.

Wir Menschen leben in einem ständigen Widerspruch. Warum? Zum einen wollen wir Veränderungen, vor allem, wenn wir damit eine Verbesserung anstreben. Zum anderen tun wir uns schwer, Altbewährtes loszulassen. Dieser Zwiespalt macht vielen Menschen sehr zu schaffen und führt zu vielerlei Problemen.

”Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen.”

 Auch dieses Zitat haben wir schon mal gehört. Indem das Wasser im Fluss sich bewegt und ständig ein neues ist, ist der Fluss nie der gleiche. Ja, genauso ist es. Sowohl das Wasser im Fluss verändert sich ständig, als auch wir, Sie und ich, sind in steter Verwandlung. Mediziner und Psychologen sagen, dass wir uns alle sieben Jahre in unseren Zellen so nach und nach erneuert haben (vgl. faz.net).

Veränderung ist immer und doch wollen wir sie meist nicht so gerne haben oder erleben. Wenn wir aber lernen, diese unabänderliche Tatsache zu akzeptieren und anzunehmen, dann werden wir nicht nur glücklicher, sondern auch lebensweiser.

Im heutigen Evangelium erleben wir heute das erste öffentliche Wunder Jesu und gleichzeitig eine für unsere Ohren komische Kommunikation zwischen ihm und seiner Mutter. Wieso spricht er so hart, so distanziert mit ihr auf ihren Hinweis „Sie haben keinen Wein mehr“?

„Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“, ist nicht die feine englische Art …

Wer redet denn so mit seiner eigenen Mutter? Wohl niemand. Jesus ist auch nicht irgendwer und diese uns aufstoßende Anrede zeigt etwas Besonderes an.

Jesus verwandelt sich vom einfachen Sohn zu jemandem, der immer mehr seinen inneren Auftrag zu spüren beginnt.

Dieser Auftrag ist etwas Außergewöhnliches und etwas Besonderes und somit wird er auf der Beziehungsebene seiner Mutter enthoben, ja sogar immer wieder entfremdet. Maria, die leibliche Mutter Jesu, lässt sich durch die Schroffheit ihres Sohnes nicht abschrecken. Sie war schon bei der Verkündigung durch den Engel offen für Neues, für göttliches Wirken und sie ist es jetzt auch wieder. Sie rät den Dienern „Was er euch sagt, das tut.“

In dieser Evangeliumsgeschichte von der Hochzeit zu Kana geht es um vielfältige Hinweise auf Jesu göttliche Natur, die sich im Laufe der Zeit immer mehr entfalten wird.

Gleichzeitig wird er immer mehr den familiären Bindungen enthoben werden und sich in seinen Nachfolgern und Jüngern eine neue Familie suchen.

Diese Spannung zwischen Familie und neuen Bindungen, zwischen Alt und Neu, zwischen Eingebundensein und der Notwendigkeit, seinen eigenen Weg gehen zu müssen, kennen wir alle aus unserer Entwicklung vom Jugendlichen zum Erwachsenen.

Wer sich nicht aus seiner Kernfamilie gesund heraus entwickelt und eigene Bindungen und Beziehungen aufbaut, der wird immer abhängig, Kind und unreif bleiben.

Und gleichzeitig brauchen wir alle trotz und gerade wegen unserer eigenen Weiterentwicklung eine gesunde Rückbindung zu unserem Ursprung, zu unseren Eltern, zu unserer Herkunft.

Auch, wenn Jesus gegenüber seiner Mutter immer wieder Abgrenzung zeigte, er lebte von ihrer Liebe, ihrem Glauben an ihn und ihrer Treue zu ihm. Immer war sie in seiner Nähe, in seiner Gefolgschaft – sie war seine „alte“ und seine neue Familie. Maria stand die schwersten Stunden, vor allem die unterm Kreuz ihres Sohnes durch und sie war bei der geistvollen und pfingstlichen Neugründung der Kirche mit dabei. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, nahm sie zu sich und kümmerte sich um sie … und Jesus war ihr Verbindungsglied.

Änderung und Gleichbleiben, Festigkeit und Wandlung, Zärtlichkeit und Kraft – erst in der gelebten Spannung entsteht wirkliches Leben.

Amen.

Anbei die Standpunktsendung „Der Seele eine Heimat geben“ mit Pater Kreitmeir zum Nachören: