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Pater Christoph Kreitmeir: „Gott dienen bedeutet Freiwerden und Freisein“

In seiner Auslegung zum Evangelium am 1. Fastensonntag (Lk 4, 1-13) geht unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir auf drei entscheidende Lebensfragen ein: Wovon lebe ich? Vor wem gehe ich in die Knie? Kann ich mich auf Gott verlassen?

 

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Wir stehen am Beginn der Fastenzeit. Diese dauert 40 Tage lang in Anlehnung an die 40 Tage, die Jesus in der Wüste verbrachte. Davon hören wir jedes Jahr im Evangelium von der Versuchung Jesu in der Wüste. Jesus geht bewusst in die Wüste, um sich Gott und sich selbst auszusetzen.

Die Wüste ist nicht nur als Ort der Ödnis, der Gefahren oder der menschlichen Ohnmacht anzusehen, sie ist biblisch gesehen seit jeher ein Ort des Zu-sich-selbst-Kommens, der Reifung und der Gottesbegegnung.

Es sind drei Versuchungen, die durch den Teufel an Jesus herangetragen werden. Und diese gehen wirklich an die Substanz seiner menschlichen und sogar seiner göttlichen Natur. Diese Grundversuchungen betreffen drei entscheidende Lebensfragen, die auch uns immer wieder umtreiben:

  1. Wovon lebe ich?
  2. Vor wem gehe ich in die Knie?
  3. Kann ich mich auf Gott verlassen?

 

Wovon lebe ich?

Wovon lebe ich eigentlich? Worum dreht sich mein Leben? Um Materielles, um Gesundheit, um Absicherung?

Der Teufel fordert Jesus auf: „Wenn du Gottes Sohn bist, dann befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.“ Die Versuchung, sich selbst das Brot, den Lebenssinn, den Lebenszweck zu machen, ist groß. Es ist und bleibt dann aber Machwerk unserer Hände.

Das, was wir schaffen und verdienen, unsere Position, die Leistung oder der materielle Besitz werden zum Götzen, dem man all seine Kraft opfert und am Ende dann leer ausgeht.

Warum? All das ist vergänglich und verpufft wie Schall und Rauch. Jesu Antwort auf die erste Versuchung lautet: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Und damit hat er vollkommen recht. Wir Menschen brauchen zum Leben viel mehr als nur Brot allein. Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow benannte die menschlichen Bedürfnisse in seiner berühmten Bedürfnispyramide. Von den grundlegenden zu den besonderen Bedürfnissen sind zu nennen:

  • Biologische und physiologische Grundbedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Kleidung, Wärme, Schlaf, Sex …)
  • Sicherheitsbedürfnisse (Wunsch nach persönlicher, sozialer und materieller Sicherheit)
  • Soziale Bedürfnisse und Zugehörigkeitsbedürfnisse (Wunsch nach sozialer Anerkennung und sozialem Kontakt)
  • Achtungsbedürfnis (Bedürfnis nach Anerkennung und Ansehen)
  • Bedürfnis nach Selbsterfüllung (Entfaltung individueller Fähigkeiten, Selbstverwirklichung)
  • Transzendenz- und Sinnbedürfnis (über sich hinaus wahrnehmen und agieren)

 

Vor wem gehe ich in die Knie?

Der Teufel führt Jesus auf einen Berg und zeigt ihm „alle Reiche des Erdkreises“ mit dem Zusatz: „All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben … Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören.“

Vor wem gehe ich in die Knie? Wem beuge ich mich? Am liebsten vor niemandem, so ist doch unsere moderne Einstellung. Im Mittelalter beugte man das linke Knie vor dem König oder dem Kaiser und das rechte vor dem Bischof oder dem Papst. Das ist lange her. Wir leben aber in einer Selbsttäuschung, wenn wir meinen, dass wir uns vor nichts und niemand mehr beugen müssen.

Die „Herren“, denen wir dienen, sind der Konsum, das Machtstreben, die Lust und die Sucht nach MEHR.

Solche Tendenzen können sich verselbständigen und dann zu Abhängigkeit und Unfreiheit führen.

Jesu Antwort lautet: „Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinen Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“

Warum? Weil IHM Dienen Freiwerden und Freisein bedeuten. Gott will keine Lakaien oder Sklaven, er will freie Menschen, die freiwillig, gerne und aus Liebe ihm und anderen Mitmenschen dienen.

 

Kann ich mich auf Gott verlassen?

So lautet die dritte Grundfrage unseres Lebens. Der Teufel führt Jesus in die heilige Stadt Jerusalem hoch hinauf auf die Tempelspitze und fordert ihn auf: „Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab. … Nichts wird dir passieren, denn Gottes Engel werden dich behüten.“ „Wenn du im Namen, ja sogar als Sohn Gottes wirken möchtest“, so könnte man das teuflische Ansinnen weiterstricken, „dann musst du dich auf Gottes Schutz und seine behütenden Engel verlassen können. Das will ich wissen, ob du dieses Vertrauen hast. Stürz dich hinab!“

Jesus lehnt entschieden ab, denn man soll Gott, den Herrn nicht auf die Probe stellen. Man kann mit Gott nicht experimentieren und man kann sich als Glaubender auch nicht absichern.

Abgesicherter Glaube ist kein Glaube mehr, sondern Unglaube.

Der Teufel ist ganz perfide in seiner teuflischen Versuchung, er führt Gottes Wort im Mund. Das macht er gerne, denn eine andere Bezeichnung für Teufel lautet „Diabolos“. Das bedeutet Verdrehen, Verwirren, Durcheinanderwerfen. Der Diabolos verwendet dabei sogar heilige Worte aus der Bibel und verdreht sie im Wortsinn. Das ist die teuflische Versuchung von Frommen: „Die Spannung von Vertrauen und Dankbarkeit, von Liebe und Freiheit wird aufgelöst, der Glaube zu einem Faktor eigener Kalkulation verkehrt … und ehe wir uns versehen, haben wir es nicht mehr mit Gott, sondern mit einem Götzen zu tun.“ (Bischof Franz Kamphaus)

Sobald wir mit unserem allgegenwärtigen Kosten-Nutzen-Denken an Gott herangehen, hat das mit Glauben nichts mehr zu tun.

„Was habe ich von Gott?“ oder „Was nützt mir Glaube(n)?“ – in solchen Fragen geht es nicht um Gott, sondern um uns selbst. Wer so frägt, glaubt nicht, denn Glaube beginnt da, wo wir von uns wegsehen und uns selbst transzendieren.

Glaube beginnt dort, wo wir Gott als Gott anerkennen, wir uns ihm unterordnen und freiwillig und gerne in die Knie gehen, weil wir wissend glauben und glaubend wissen, dass er unser Bestes will.

Wenn wir an den Grundfragen unseres Leben dranbleiben, uns, unser Streben immer wieder einem liebenden Gott unterstellen, uns einsetzen für Frieden, Freiheit und Bewahrung der Schöpfung, wenn wir diese Welt und unser Zusammenleben positiv mitgestalten wollen, dann finden wir nicht nur unseren Platz im Leben, unsere gute Zugehörigkeit, Sinn und Glück, wir werden auch zufrieden und – ja ich möchte dieses alte Wort verwenden – „gottgefällig“ leben können. Amen.

Mehr spirituelle Impulse von unserem geistlichen Begleiter gibt’s unter

www.christoph-kreitmeir.de