Foto: facebook.com/rainer.maria.schiessler (mit freundlicher Genehmigung von Pfarrer Rainer Maria Schießler)

Pfarrer Rainer Maria Schießler: „Durch unser Gesicht zu einer Botschaft Gottes in der Welt werden“

Mit Blick auf die Worte Jesu aus dem heutigen Sonntagsevangelium (Markus 9,30-37) betont der Münchner Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler, worauf es im Glauben an Gott ankommt, damit dieser nicht reine Makulatur wird bzw. bleibt.

Hier der Impuls zu Markus 9,30-37, den Pfarrer Schießler mit dem Titel „Gott annehmen wie ein Kind“ auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:

Seit der Mensch denkt, stellt er sich die Frage nach Gott. Philosophisch wie theologisch kann sie bis in die höchsten Höhen getrieben werden. Die Szene im Evangelium ist da wie ein Rückruf gegen noch so intellektuelle Überlegungen in der Gottesfrage. Dort, wo es um Jesu Leben und Tod geht, um Sein und Nichtsein, also um Zukunft, da begreifen seine Jünger nichts. Im Gegenteil, sie streiten heftig miteinander darüber, wer von ihnen der Größte sei; ein Streit, der die Kirche nie losgelassen hat.

Die Reaktion Jesu ist einfach umwerfend: Er nimmt ein Kind in die Arme und stellt es in die Mitte ihres Streitens. Mit einem kleinen Kind stoppt er zugleich unsere großen und komplizierten Überlegungen, wer bzw. was und wie denn Gott sei.

Ein Gott, der sehr schnell als „überall anwesend“ beschrieben wird, ist ja leicht nirgendwo.

Der Mensch, der Glauben sucht, braucht ein Gesicht, das Gesicht Gottes.

Er will spüren, greifen, begreifen. Allein nur vom Menschen oder von der Natur her lässt sich Gott niemals begründen. Gott ist keine Sache, kein Gegenstand, der sich so einfach als Ergebnis einer Forschung oder einer Umfrage feststellen oder gar beweisen ließe.

Auch ist die Zeit der Gottesbeweise, wie sie früher gepflegt wurden, vorüber. Die Zeit der Appelle nach der Art, ihr müsst einfach – und vor allem immer mehr – an Gott glauben, geht ebenfalls unweigerlich dem Ende zu. Dogmatische Zügel anzuziehen, bedeutet noch lange nicht, eine lebendige Kirche zu bilden.

Ein Gott mit einem menschlichen Antlitz ist das Ziel jeder Gottessuche. Die Sprache Gottes ist daher die Erfahrung, die er in unser Leben hineinschreibt (Johannes vom Kreuz).

Gott redet in unseren Tag hinein durch Dinge und Ereignisse, die ein Gesicht haben: Familie, Nachbarn, depressive Bekannte, ein sterbender Mensch, der uns zeigt, wohin wir gehen werden.

Diesen Gott ausschließlich in der Bibel oder in Katechismusausgaben zu suchen, wird nicht zum Ziel führen. Das gewöhnliche Leben lässt ihn uns erkennen, so wie das Kind an Jesu Seite. Vielleicht werden ja unsere Erfahrungen dann sogar durch die Bibel und den Katechismus bestätigt. Wenn nicht, ist es auch kein Unglück;

Hauptsache wir erfahren Gott.

Das, woran, wir glauben, formt unser Gesicht (Jean Paul Sartre).

Wie schön also, wenn Gott unser Gesicht formt, und wenn wir durch unser Gesicht zu einer Botschaft Gottes in der Welt werden.

Auch das andere Gesicht ist bekannt; der Rangstreit unter den Jüngern macht es offensichtlich, so wie es sich immer im Gesicht eines Menschen zeigt und festschreibt, wenn jemand verbittert, egoistisch und ängstlich ist. Wieviel mehr kann da ein ehrliches und liebevolles Antlitz, wie ein wehrloses Kind es besitzt, Nähe, Wärme und die Zuwendung Gottes vermitteln.

Gott annehmen wie ein Kind: Was wäre leichter, schöner, aber auch gefährlicher und schwerer als das?

Amen.

 

Anbei ein schöner Song zu den Worten von Pfarrer Schießler: