Richard David Precht: „Ich bin sehr kirchlich geprägt“
Auch 2025 nach Christus wächst die Anzahl der Menschen, die ihr Leben nach ihm ausrichten, weiter. Im Jahr 2023 hat die Zahl der Christen weltweit erstmals die Marke von 2,6 Milliarden Menschen überschritten (Quelle: ntv.de). Kürzlich vermeldete der Vatikan im „Statistischen Jahrbuch der Kirche“, dass die katholische Kirche erstmals die Zahl von 1,4 Milliarden Mitgliedern überschritten hat. Die Zahl der Katholiken wuchs abermals um etwas mehr als ein Prozent und stieg von 1,390 auf 1,406 Milliarden (Quellen: weltkirche.katholisch.de, dbk.de). Nach dem Tod des Papstes war in den sozialen Medien eine herausragende Anteilnahme zu erleben. Seine Beerdigung bewegte die ganze Welt (wir berichteten).
Das Phänomen der weltweit großen Trauer um den Tod von Papst Franziskus nahmen Markus Lanz und Richard David Precht zum Anlass für die aktuelle Ausgabe ihres Podcasts, in dem sie der Frage nachgingen, warum wir Menschen glauben wollen. Dabei gingen sie auch auf die Wachstumsraten der katholischen Kirche weltweit ein. Im hörenswerten Podcast sprechen die beiden über die besondere Stellung der Kirche und betonen dabei „das christliche Erbe, das unsere Gesellschaft zusammenhält“. Im Laufe des Gesprächs äußerten sich Lanz und Precht auch zu ihrem persönlichen Verhältnis zum christlichen Glauben. Markus Lanz, der 2021 den christlichen Medienpreis Goldener Kompass erhielt und sich ganz selbstverständlich zum christlichen Glauben bekennt (wir berichteten), erzählte im Gespräch mit Richard David Precht von seiner Prägung im katholischen Glauben in Südtirol und seiner Begegnung mit Papst Franziskus, als er im Rahmen seines gemeinsamen Buchprojekts mit Manfred Lütz „Benedikt XVI. – Unser letztes Gespräch“ im Vatikan verweilte (wir berichteten).
Richard David Precht brachte seine Bewunderung für Papst Franziskus zum Ausdruck. Dazu erklärte er:
„Ich bin sehr dankbar, dass wir diesen Papst gehabt haben, gerade weil Franziskus die christliche Soziallehre wieder in den Mittelpunkt gerückt hat.“
Franziskus habe insgesamt für die Schwachen und für den Frieden in der Welt Großes geleistet, fügte der Schriftsteller und Philosoph an.
Als Markus Lanz darauf verweist, dass Papst Franziskus „wie kein anderer für diesen Konflikt (…) zwischen Veränderung und Bewahrung“ stünde und Stimmen insbesondere in der deutschen Kirche laut wurden, dass Franziskus nicht progressiv genug gewesen sei, merkte Precht an, dass ihm diese Stimmen „auf die Nerven“ gehen würden, weil dieser Blickwinkel „viel zu europazentriert“ sei. Dazu erklärte er:
„Ich glaube der Papst hat größere Sorgen, als die Sorgen, die hier die einen oder anderen progressiven Katholiken haben.“
Das müsse man „einfach mal anerkennen“. Denn es bestünde sonst immer „die Gefahr, das der ganzen Laden auseinanderfliegt“, fügte der 60-Jährige an. Mit Verweis auf den „Markenkern“ der Kirche sagte er, dass ein Ausrichten nach dem Zeitgeist der Kirche „überhaupt nichts nützen“ würde. Dazu erklärte er weiter:
„Die Kirche würde beliebig und verwechselbar werden.“
Das Hauptproblem der Kirche sieht Precht nicht darin, dass die Menschen kein Bedürfnis nach Gott hätten oder die christliche Soziallehre und Sozialmoral überholt wären, sondern im Synkretismus der heutigen Zeit, in der Menschen zu „Heimwerkern des eigenen Glaubens“ würden. Zudem sei das religiöse Bedürfnis, sich an eine Glaubensüberzeugung zu binden, heute kleiner geworden, während das spirituelle Bedürfnis „keineswegs kleiner geworden“ sei. Precht zeigte sich überzeugt, dass viele Menschen heute „keine Lust“ mehr hätten, „sich einer Glaubensüberzeugung zu beugen“. Dazu erklärte er:
„Religion hat auch immer etwas mit Demut zu tun. Religion bedeutet, Dinge über mir anzuerkennen.“
Sich in der Kirche einzufügen habe etwas damit zu tun, „ein kleines Rädchen in einem großen Getriebe zu sein, in einem Schiff, das sich Gemeinde nennt“, so Precht. Dadurch, dass viele Menschen heute Spiritualität und weniger Religion suchten, sei der christliche Glaube ein Angebot unter vielen und werde demzufolge auch nicht mehr selbstverständlich in der Kindheit vermittelt. Zu seiner Erziehung ließ Richard David Precht wissen:
„Ich bin ja sehr kirchlich geprägt. Meine Eltern waren Atheisten, die eine Schwäche für die Kirche hatten.“
Zu seiner christlichen Prägung berichtete er:
„Ich war als Kind über mehrere Jahre hinweg in der evangelischen Jungschar. Ich habe als einziger in meiner ganzen Jahrgangsstufe in katholischer Religion Abitur gemacht und ich habe in der evangelischen Kirche Zivildienst gemacht.“
Als Nicht-Getaufter habe er sich immer das konfessionelle Angebot aussuchen können, und deshalb habe er auch in der Schule den Religionsunterricht „von evangelisch zu katholisch gewechselt“. Zu dem im religiösen Kontext Erlebten sagte er:
„Mich hat das alles immer sehr interessiert und fasziniert.“
Dabei brachte er zum Ausdruck, dass ihn der „enorme Glaubensschatz der Kirche“ und die „damit verbundene Ästhetik“ bis heute beeindrucken. Precht schilderte, dass er beim Besuch von Kirchen „einen leichten Schauder“ empfinde. Sich angesichts „der großen metaphysischen Dimension des Lebens“ klein zu fühlen, könne er dabei „wunderbar nachvollziehen“, fügte er an.
Als er am Ende des Podcasts von Markus Lanz gefragt wird, ob ihm heute der Protestantismus oder der Katholizismus sympathischer sei, antwortet Richard David Precht:
„Mir ist von den Glaubensinhalten der Katholizismus sympathischer.“
Dies begründete er damit, dass er insbesondere mit der Prädestinationslehre, der zufolge Gott von Anfang an das Schicksal der Menschen vorherbestimmt hat, große Probleme habe. Darauf merkte Markus Lanz an, dass ihm dieser Vorherbestimmungsglaube als Katholik fremd sei.
Quellen: youtube.com, instagram.com
Anbei der Podcast „Warum wir glauben wollen | Lanz & Precht“ zum Nachhören: