Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim: „Die Existenz Gottes ist und bleibt eine Glaubenssache“

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Die Wissenschaftsjournalistin, YouTuberin und Fernsehmoderatorin Mai Thi Nguyen-Kim, die seit Juni 2020 Mitglied im Senat der Max-Planck-Gesellschaft ist, erklärt aktuell mit einem Terra-X-Dreiteiler, der ab 10. Oktober 2021 im ZDF ausgestrahlt wird, die „Wunderwelt der Chemie“. Im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) brachte die 34-Jährige zum Ausdruck, dass ihr Leben keineswegs nur von harter Wissenschaft geprägt ist. Dabei positionierte sie sich zum Wunder der Geburt und zur Gottesfrage.

Gegenüber der WAZ berichtete Mai Thi Nguyen-Kim von den neuen Erfahrungen, die sie durch ihre kleine Tochter im Leben sammelt. Erfahrungen, die anders sind als wissenschaftliche Erkenntnis. Dazu sagte sie u.a.:

„Man ist 24 Stunden am Tag von diesem Wunder geflasht, auch wenn das eines der normalsten Dinge der Welt ist. Ich beobachte dieses kleine Wesen mit so viel Freude und Staunen, und durch sie habe ich eine ganz neue Liebe für unsere Spezies entdeckt.“

Im Gegensatz zu Erfahrungen „im Journalistenberuf“, durch die die Gefahr bestehe, zynisch zu werden, habe sie durch die Liebe, die sie durch ihre Tochter erfährt, „wieder den Glauben an die Menschheit bekommen“, erklärte Nguyen-Kim weiter.

Dabei fiel dem WAZ-Journalisten auf, dass die Wissenschaftsjournalistin die Begriffe „Wunder, Liebe, Glauben“ benutzt, um ihr Innenleben mit Blick auf die Geburt und das Aufwachsen ihrer Tochter zu beschreiben. Die anschließende Frage, ob ‚man diese Phänomene wissenschaftlich erklären‘ könne, verneinte Mai Thi Nguyen-Kim. Dazu betonte sie, dass wir mit der Neurochemie „bestenfalls einen lächerlichen Bruchteil“ des Phänomens Liebe erfassen können. Liebe ist ihrer Meinung nach nicht „im Detail“ verstehbar.

Zum Phänomen des Glaubens erklärte sie:

„Was Gott angeht, da gibt es keine Möglichkeit, dessen Existenz zu belegen oder zu widerlegen. Das ist und bleibt eine Glaubenssache.“

Diese Ausführungen von Mai Thi Nguyen-Kim forderten den Interviewer heraus, danach zu fragen, ob die Geburt eines Kindes eine höhere Bedeutung habe als nur das Überleben unserer Spezies. Diesbezüglich erklärte die 34-Jährige an einem Beispiel in ihrem Umfeld, dass die Geburt eines Kindes immer auch ein Ausdruck von Hoffnung ist. Dagegen beschreibt sie die Einstellung, in Zeiten der Klimakrise keine Kinder mehr in die Welt setzen zu wollen, als einen Ausdruck von Resignation. In diesem Zusammenhang betont sie:

„Es lohnt sich, für das Gute zu kämpfen.“

 

Im Juni 2017 thematisierte Mai Thi Nguyen-Kim in einem Clip auf dem Online-Content-Netzwerk Funk die Frage „Gibt es einen Gott?“. Dabei erklärte sie zunächst mit Blick auf die Disziplin der Neurotheologie bzw. spirituelle Neurowissenschaft, in der versucht wird, Glaube und Religion wissenschaftlich zu untersuchen:

„Man muss bedenken, dass solche wissenschaftlichen Studien etwas so Komplexes wie Glaube nur sehr beschränkt beschreiben können.“

Anschließend bezog sie Stellung zur Frage, ob man Gott beweisen könne. Dazu sagte sie:

„Kurz gesagt: Nein. Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis für Gott.“

In diesem Zusammenhang erklärte Nguyen-Kim, dass sich Glaube und Wissenschaft keineswegs ausschließen. Dabei betonte sie, dass auch große Wissenschaftler wie etwa Blaise Pascal oder Albert Einstein „einen gewissen Glauben“ hatten. Da es eben auch keinen wissenschaftlichen Beweis gegen Gott gibt, resümiert die Wissenschaftsjournalistin:

„Ob Atheist oder Theist. In jedem Fall ist es eine Glaubenssache.“

Mit einem anschließenden „Brainfuck“ brachte die gebürtige Heppenheimerin die User zum Nachdenken. Wenn man einmal annehme, dass es keinen Gott, dass es nichts Übernatürliches gebe, hieße das, dass die Welt, das Universum „nur Mathe, Physik, Chemie und Biologie“ sei, was konsequent gedacht hieße, dass wir die Welt, das Universum rein mathematisch logisch, naturwissenschaftlich erklären können. Daraus würde folgen, dass es „so etwas wie Zufall“ nicht gebe. Auch würde aus der zugrunde gelegten Annahme resultieren, „dass es konsequent gedacht keinen freien Willen gäbe“. Dazu betont Mai Thi Nguyen-Kim:

„Es gibt viele Atheisten. Aber ich wette: Die wenigsten davon können mit einem deterministischen Weltbild gut leben.“

Und weiter:

„Kein freier Wille? Spätestens da hört es bei den meisten auf. Bei mir auch! Ich finde es einen schrecklichen Gedanken, keinen freien Willen zu haben.“

Sie glaube an freien Willen, auch wenn sie ihn nicht beweisen könne. Mit Blick auf „Atheisten, die wie ich an einen freien Willen glauben“, platzierte sie die Frage:

„Woher kommt dieser freie Wille?“

Diesbezüglich stellt sie nüchtern fest, dass es in diesem Kontext, egal sei, ob der Ursprung dessen „Gott, Seele oder Spaghetti Bolognese“ genannt werde. Fakt sei aber, dass der Ursprung von freien Willen „etwas Übernatürliches“ sein müsse, „etwas, dass nicht logisch, wissenschaftlich erklärbar ist“. In diesem Kontext bekennt sie:

„Ich als Naturwissenschaftler glaube an freien Willen.“

Daraus resultierend sei für sie die einzig logische Konsequenz, „dass es so etwas wie eine Seele gibt“. Weiter erklärt sie:

„Ich glaube also an etwas Übernatürliches. (…) Und abgesehen vom Übernatürlichen, finde ich die Natur so abgefahren, dass ich auch darin etwas sehr Göttliches sehe.“

Abschließend plädiert Mai Thi Nguyen-Kim für eine vernunftbegründete Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage nach Gott, was sie wie folgt zum Ausdruck bringt:

„Ich finde Religion wichtig, denn Glaube ist etwas so Kompliziertes und Abstraktes, da hilft Religion, das Ganze zu greifen und auch in seinen Alltag zu integrieren.“

Was sie ablehnt, ist, wenn Glaube in der Religion missbraucht wird.

Anmerkung: Ein Fach, das vernunftbegründet der Gottesfrage nachgeht und dem Missbrauch von Religion entgegenwirkt, ist der schulische Religionsunterricht!

Quellen: waz.de, funk.net

Hinweis: Den sehr sehenswerten Video-Clip, in dem Mai Thi Nguyen-Kim der Frage „Gibt es Gott?“ nachgeht, gibt es HIER

Update: Im Interview mit dem Magazin TV digital erklärte Mai Thi Nguyen-Kim am 22.10.21 auf die entsprechende Nachfrage, dass sie „nicht religiös“ sei und auch nicht sagen würde, dass sie an Gott glaube. Vielmehr glaube sie aber an „abstrakte Dinge wie Gerechtigkeit und daran, dass dieser Wert etwas ist, nach dem wir Menschen intrinsisch streben“. Abermals betonte die 34-Jährige:

„Ob ein Gott existiert oder nicht, kann ich rein methodisch weder belegen noch widerlegen. Insofern bleibt es eine Glaubensfrage.“

Auf die Anmerkung, dass Naturwissenschaft das Gegenteil von Religion sei, erklärte Nguyen-Kim, dass beide Bereiche von ihrem Wesen her gegenteilig wären, was sie wie folgt darlegt:

„Bei der Religion geht es um Werte, auf die man sich als Gesellschaft verständigt, während in den Naturwissenschaften allein die knallharte Evidenz zählt.“

Quelle: tvdigital.de