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Ewald Frie: „Es ist nicht unmöglich, dass der Katholizismus wieder attraktiv wird“

Der Historiker und Bestsellerautor Ewald Frie, der das 2023 meistverkaufte Sachbuch „Ein Hof und elf Geschwister“ geschrieben hat, sprach im Interview mit dem Magazin „Kirche und Leben“ über seine christliche Prägung und darüber, wofür er der Kirche heute dankbar ist. Dabei äußerte er sich auch zur Zukunftsfähigkeit von Kirche.

In seinem Buch beschreibt Ewald Frie den Wandel auf dem Land und erinnert an das Zusammenleben mit vielen Geschwistern, wie es in vielen Familien auf dem Land Mitte des letzten Jahrhunderts noch gang und gäbe war. Der heute 60-Jährige, der selbst als neuntes von elf überlebenden Kindern einer katholischen Bauernfamilie im Münsterland geboren wurde, zeigte sich gegenüber „Kirche und Leben“ davon überzeugt, „dass das Aufwachsen in so einer großen Gruppe Sozialkompetenzen hervorbringt, die man an unterschiedlichsten Orten gebrauchen kann“.

Neben dem Wert der Familie kommt auch das Thema Glaube und die damit verbundenen Rituale in verschiedenen Episoden des Buches vor. Auf die Gestaltung des Weihnachtsfestes in seiner Kindheit angesprochen, schilderte Frie rückblickend:

„Wir wussten, wir machen das anders als die Familien in den Kleinstädten oder Dörfern. Es war etwas Besonderes. Ich glaube, auch deshalb fanden es die meisten von uns gut.“

Auch wenn er nicht wisse, ob seine Geschwister die an Heiligabend gepflegte Haussegnung heute noch praktizieren, ist er sich aber gewiss, dass „bei vielen der Heiligabend zu Hause noch eine religiöse Komponente hat“. Wenn er und seine Geschwister sich heutzutage am Sonntag nach Weihnachten treffen, würden immer noch gemeinsam Weihnachtslieder gesungen, was mindestens eine halbe Stunde dauern würde.

Rückblickend sei er der katholischen Kirche dankbar für die „Erfahrung von Gemeinschaft in der Messdienergruppe, in Zeltlagern oder bei Jugendherbergsfahrten“, berichtete der Bestsellerautor. Dass seine Eltern, ihm und seinen Geschwistern den christlichen Glauben weitervermittelt haben und dass ihre Art zu glauben, ihn „sehr stark geprägt“ habe, sieht Frie durchaus positiv. Dazu betonte er:

„Geprägt zu sein bedeutet ja nicht ‚gestanzt‘ zu sein, sondern die Chance zu haben, mit einer Tradition umzugehen.“

Zudem wies er darauf hin, dass er und seine Geschwister durch ihre Prägung „religiösen Fragen Ernsthaftigkeit und Respekt“ entgegenbringen würden.

Dass er in seinem Buch die Kirche im Dorf als Ort der Vielfalt und des Wandels beschreibt, hat auch mit seiner Biographie zu tun. So habe er in der Geschichte seiner Familie „weit auseinanderliegende Aspekte des Katholischen“ erlebt, die einen ständigen Wandel der Kirche zeigen.

Weiter gab Ewald Frie zu bedenken, „dass Religionen, die einen persönlichen Gott kennen, immer ein anarchisches Potential haben“. Dadurch dass der einzelne Mensch im persönlichen Gebet „Dinge mit seinem Gott verabreden kann“, gebe das dieser Art des Glaubens „eine Dynamik, die nicht nur von oben kommt“.

Den derzeitigen Bedeutungsverlust der Kirche hält Frie für nicht unumkehrbar, was er als Historiker mit einem Blick in die Geschichte begründet. So sei Ende des 18. Jahrhunderts die Zukunft der katholischen Kirche auch pessimistisch gesehen worden, weil man meinte, dass sie „der Aufklärung nichts mehr entgegenzusetzen“ habe. Dann seien aber Formen gefunden worden, „die zu einem neuen Aufschwung geführt“ hätten. Mit Blick darauf prognostiziert der Historiker:

„Es ist also nicht unmöglich, dass der Katholizismus ein neues Selbstverhältnis findet, das für einige Generationen von Nachwachsenden wieder attraktiv wird, bevor es erneut einer Neuausrichtung bedarf.“

Ob dies eintreffe, könne er nicht sagen, ausschließen würde er es jedoch nicht, fügte Ewald Frie an.

Quelle: kirche-und-leben.de