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Religionsforscher Detlef Pollack: Entkirchlichung „ist ein Verlust für die Gesellschaft, für unsere Kultur“

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Der Religions- und Kultursoziologe Detlef Pollack, der von 2008 bis Mai 2023 Professor für Religionssoziologie im Rahmen des Exzellenzclusters Religion und Politik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster war und der bekannteste Religionsforscher Deutschlands ist, erkennt in den massiven Kirchenaustritten, die dieser Tage bekannt wurden, einen Verlust der geistlichen Heimat, wie er aktuell gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger erklärte. Erst kürzlich hatte der 67-Jährige im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit prognostiziert, dass er den Niedergang der Kirchen für unaufhaltsam halte, was ihn als Gott suchender Mensch selbst berührt.

Gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger erklärte Pollack, dass die katholische Kirche aufgrund ihres Wesenskerns an der Grenze ihrer Reformierbarkeit angekommen sei, weshalb seiner Meinung nach weiterreichende Strukturreformen eine „tödliche Gefahr für die Institution“ darstellen würden. Zudem zeigte sich Deutschlands bekanntester Religionsforscher davon überzeugt, dass die Medien ihren Teil dazu beitragen, dass die Kirche in der Öffentlichkeit keine Chance habe. Diese würden der Kirche einfach „keine Chance geben“. Unter dem Austritt von aktuell mehr als 500.000 Mitgliedern leide er selbst, weil ihm bewusst ist, dass dadurch viele Menschen ihre geistliche Heimat verlieren. Dazu betont der Religionssoziologe:

„Das ist ein Verlust für die Gesellschaft, für unsere Kultur, die bis in die tiefsten Poren vom Christentum geprägt ist.“

 

Mitte Juni porträtierte die Wochenzeitung Die Zeit Detlef Pollak. Dabei wird berichtet, dass er im Rahmen eines Vortrags über die Entchristlichung in Deutschland erklärte:

„Ich bin ein Kirchenchrist. Es ist bitter, zu sehen, was da gerade passiert. Was da an geistlichem Leben und Kultur verloren geht.“

Diese Aussage finden die Zeit-Autoren so überraschend, dass sie im Gespräch mit Detlef Pollack erfahren wollen, wie es möglich ist, ‚dass dieser kühl redende Soziologe, der sich sein Leben lang mit der Kritik an den Kirchen befasst hat, (…) so viel Sympathie für sie entwickelt hat? Obwohl er selbst nicht gläubig ist?‘.

Zur Biographie des heute 67-Jährigen wird dargestellt, dass Pollack nicht religiös erzogen wurde und in seinem Elternhaus Kirche ‚einfach keine Rolle‘ spielte. Eine erste positive Begegnung mit dem Glauben hat er in der Zeit als Internatsschüler des Thomanerchors in Leipzig, wo er sich neben Naturwissenschaften für die Christenlehre begeistern konnte. Zum Glauben an Gott kann er sich aber nicht durchringen und verschweigt seinen Nicht-Glauben in einem Umfeld, in dem alle seine Freunde gläubig gewesen seien.

Weiter berichtet Die Zeit, dass Pollack, trotz vorhandener Sehnsucht nach Gott, sich seine anhaltende Skepsis damit erklärt, dass er als Kind das Angebot des Glaubens an Gott nicht erhalten hatte. Dies bestätige auch die Forschung, dass Menschen ohne religiöse Erziehung in der Regel auch als Erwachsene nicht zum Glauben finden, so Pollack.

Zum Studium der evangelischen Theologie entscheidet sich Detlef Pollack aus pragmatischen Gründen, um sich in seinem Denken abseits der Staatsideologie bewegen zu können. Seine anfänglich kritische Haltung zur Institution Kirche, verändert sich, als er entdeckt, wie die Kirche in der DDR die Menschen zur eigenständigen Gewissensprüfung animierte und dies mit der Verantwortung vor Gott begründete. Heute habe er eine „hohe Meinung“ von der Kirche, erklärt der renommierte Religionsforscher gegenüber der Zeit. Das immer weiter Drauftreten auf einer am Boden liegenden Kirche, empfindet er gar als „schäbig“.

Zum Glauben an Gott hat Detlef Pollack indes noch nicht gefunden, obgleich er eine große Sehnsucht danach verspürt. So glaubt er, dass er in Verbindung mit Gott sein persönliches Scheitern besser akzeptieren könne und er darüber hinaus im Glauben Trost und Vergebung finden könne. Dazu erklärt er gegenüber der Zeit:

„Gäbe es Gott, er könnte meine Sünden wegwischen. Und dann gäbe es vielleicht sogar Versöhnung mit den Menschen, die unter meiner Umtriebigkeit gelitten haben. Auch Versöhnung mit meinem Charakter, der mich so unnachgiebig gemacht hat, der mich innerlich manchmal so aufgewühlt hat.“

Quellen: zeit.de, ksta.de, pro-medienmagazin.de, katholisch.de, kath.ch, kirche-und-leben.de

Hinweis: Den sehr lesenswerten Zeit-Artikel „Er würde gerne glauben“, der sich mit der Sicht von Detlef Pollack zu Glauben und Kirche auseinandersetzt, gibt es unter:

zeit.de