Holger Zaborowski: „Unser Verständnis der Solidarität ist von der Botschaft des Kreuzes geprägt“
Am vergangenen Dienstag hielt der Philosophie-Professor Holger Zaborowski im Kölner Domforum einen Vortrag über das Kreuz mit dem Titel „Skandal. Horizont. Erlösung. Von der Schönheit des Kreuzes“. Im Vorfeld sprach der 48-Jährige im Interview mit domradio.de über die Bedeutung des Kreuzes für unsere Gesellschaft sowie darüber, wie der Blick auf das Kreuz unser Verständnis von Schönheit vertiefen kann.
Über ein Verständnis von Schönheit als etwas, das „Wohlgefallen“ erzeugt und „irgendwie unsere Sinne befriedigt“ wie etwa ein schönes Essen, ein schöner Film oder ein schöner Sonnenuntergang hinaus, kann das Kreuz Jesu nach Ansicht von Zaborowski unseren Blick auf Schönheit vertiefen. Diesbezüglich betont der Philosophielehrer der Universität Erfurt:
„Ich glaube, dass gerade im Kreuz und gerade im Christentum sich ein ganz anderes Verständnis von Schönheit zeigt, nämlich Schönheit als das, was mich berührt, was mich herausfordert.“
Diese Form von Schönheit sei zudem etwas, das den Menschen in Anspruch nehmen, sprachlos zurücklassen, überwältigen oder erschüttern könne. Durch solche Erfahrungen von Schönheit werde eine Dimension spürbar, in der der Mensch erkennen könne, dass er noch nicht der ist, der er sein soll. Dazu führte Holger Zaborowski weiter aus:
„Ich glaube, dass die Erfahrung des Kreuzes, das betende Verhältnis zum Kreuz genau zu dieser Erfahrung führen kann.“
Eine Erfahrung von Schönheit, die lebensverändernd wirken kann und „dem Guten sehr, sehr nahe ist“.
Das Kreuz zeige zwar auf der einen Seite Leid und Tod Christi, aber verweise „natürlich immer auch die Hoffnung auf Ostern, die Hoffnung auf Auferstehung“. Weiter schlussfolgert der Philosophielehrer:
„Die Güte Gottes zeigt sich im Kreuz und insofern kann das Kreuz schön sein.“
Anmerkung: Ganz in diesem Sinne äußerte sich kürzlich die Weltklasse-Surferin Bethany Hamilton, die im Alter von 13 Jahren nach einem Haiangriff einen Arm verlor, im Interview mit der Katholischen Sonntagszeitung, in dem sie sagte:
„Stärke bedeutet für mich, nach dem Guten zu suchen und durch harte Zeiten hindurch zu wachsen. Letztlich verblasst die Schönheit, so dass die wichtigeren Eigenschaften, in die man investieren sollte, die inneren Eigenschaften sind, die der Welt um uns herum Schönheit verleihen.“
Gegenüber domradio.de erklärte Holger Zaborowski weiter, dass das Kreuz über ein vertieftes Verständnisses von Schönheit hinaus aber auch ein Symbol sei, das bis heute einen hohen Stellenwert, auch in der säkularen Welt, einnimmt. So sei das Kreuz heute nicht nur weiter in der Sprache („Jemand muss sein Kreuz tragen“) oder als Symbol wie etwa beim Roten Kreuz oder in der Schweizer Flagge präsent, sondern präge vielmehr durch das christliche Verständnis unsere Gesellschaft „bis heute sehr stark“. Als Beispiel führte der 48-Jährige die „ganz große“ Hilfsbereitschaft und Solidarität an, die sich aktuell im Umgang mit den geflüchteten Menschen aus der Ukraine zeige. Dazu erklärte der Philosophie-Professor:
„Die Notwendigkeit, das Leid auch mit Barmherzigkeit zu beantworten und, moderner ausdrückt, mit Solidarität. Das ist etwas, was auch im Zeichen des Kreuzes geschieht, wo das Christentum unsere Kultur bis heute ganz stark geprägt hat.“
Über das Kreuz heute im öffentlichen Raum zu sprechen, erachtet Zaborowski als „extrem wichtig“, weil es „einen ganz wichtigen Bezug auf unser Verständnis vom leidenden Menschen“ habe, was man „sehr gut auch historisch-kulturell zeigen“ könne.
Gerade in einer Welt, „die oft so dunkel, so grausam, so hoffnungslos erscheint“, sei das Kreuz ein Hoffnungs- und ein Erlösungszeichen. Dies wieder in den Mittelpunkt zu stellen, sieht Zaborowski als „wichtige Aufgabe“, so dass Menschen im Kreuz „die Güte Gottes“ neu erleben können. Mit Blick aufs Kreuz können Menschen in den Notlagen des Lebens erfahren, „dass der leidende Mensch letztlich nicht am Rande steht, dass Gott das Leid selbst umfangen hat, selbst auf sich genommen hat, dass er aber auch das Leid erlöst hat, dass am Ende nicht die Trauer, der Tod, sondern die Freude und das Leben steht“. Gott wolle, „dass wir leben, dass er uns das Leben und die Freude schenken wird“, so Zaborowski.
Was für eine Hoffnungsbotschaft!
Quellen: domradio.de, katholische-sonntagszeitung.de
Das Audio-Interview zum Anhören gibt es HIER