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Journalist Tobias Haberl: „Es war immer fordernd, katholisch zu sein“

Der Journalist Tobias Haberl, der seit 2005 Redakteur im Magazin der Süddeutschen Zeitung ist, äußerte Ende März in einem beeindruckenden Artikel mit dem Titel „Unter Heiden“ im SZ-Magazin eine Sorge, die vermutlich viele gläubige Christen hierzulande teilen: nämlich in einer Gesellschaft, die bei jeder Gelegenheit Diversität fordert, als gläubiger Mensch nicht mehr dazuzugehören. Dabei gab Haberl, der 1975 im Bayerischen Wald geboren wurde, ein Glaubensbekenntnis ab und beschrieb wie schwer es mittlerweile für ihn geworden ist, zu seinem Katholisch-Sein zu stehen, ohne mit despektierliche Reaktionen rechnen zu müssen.

Tobias Haberl beschrieb, wie er in seiner Kindheit ganz selbstverständlich im christlichen Glauben und den damit verbundenen Werten aufwuchs. Über seinen im Alltag praktizierten Glauben berichtete der Journalist, dass er jeden Abend betete, mittwochs den Kindergottesdienst und am Sonntag die Heilige Messe besuchte. Der Glaube schenkte ihm die Gewissheit, „woher ich komme und wohin ich gehe“, und gab ihm feste Orientierung, die er u.a. wie folgt darlegte:

„Ich fühlte mich eingebettet und gehalten, mein Leben hatte einen Sockel und ein Dach, Sinn und Rhythmus, alles hatte seine Zeit, die Freude, aber auch die Trauer.“

Während ihm und den Menschen im Umfeld seines Großwerdens damals klar war, wozu wir leben und was uns Halt gibt, haben sich die Dinge seiner Meinung nach inzwischen „in ihr Gegenteil verkehrt“. In diesem Kontext betont Haberl, dass nicht nur die stabile Orientierung im Glauben größtenteils verschwunden sei, sondern das damit zudem eine Abwehrhaltung gegen den Glauben einhergeht, die auch in den Medien Widerhall findet.

So beginnt der SZ-Journalist seinen Artikel vielsagend mit den Worten: „Diesen Text traue ich mich nur zu schreiben, weil ihn sowieso niemand liest.“ Denn entweder man höre weg oder werde aggressiv, wenn es „um Glauben oder, noch schlimmer, die Kirche geht“. Ihm sei bewusst, dass viele zuerst „an fummelnde Priester“ denken und viele die Kirche an sich für böse halten.

In einer Zeit, in der die Menschen „keine frohe Botschaft“, sondern „das neue Smartphone“ wollen, versuche er „zu akzeptieren, dass Gott, Glaube und Kirche in meinem Umfeld praktisch keine Rolle spielen“. Darüber hinaus beschreibt Haberl, dass er sowohl in seiner Nachbarschaft als auch in seiner Branche von Menschen umgeben ist, „die sich entweder nicht oder verächtlich über Religion äußern“. Dabei weist er auf den gesellschaftlichen Missstand hin, wenn Menschen, „Toleranz gegenüber Minderheiten fordern“, aber seinen Glauben „selbstverständlich verunglimpfen“. Diese Wahrnehmung charakterisierend schreibt er:

„[Es sind] Menschen, die bei jeder Gelegenheit Diversität fordern, aber verkennen, dass ein Gottesdienst um ein Vielfaches diverser besetzt ist als jede ihrer Partys, auf denen immer alle die gleichen Netflix-Serien schauen.“

Haberl beschreibt dabei treffend den gesellschaftlichen Zustand, in dem der Glaube an Gott vielfach durch den Glauben „an technischen Fortschritt, Instagram, Self- Care, Hyaluron-Filler, Mental Health und Nachhaltigkeitsfonds“ abgelöst wurde, was ihm als Menschen, der sich der Liebe Gottes gewiss ist, „hohl und fragwürdig“ erscheint. Zur verzerrten gesellschaftlichen Wahrnehmung seines Glaubens betont Haberl:

„Meinen Glauben nehmen diese Menschen ausschließlich über Signalwörter aus den Medien wahr: Missbrauch, Diskriminierung, Zölibat, Frauenpriestertum.“

Weiter beschreibt Haberl mit wie viel Unwissen und Unverständnis aus diesen Milieus lautstarke Meinungen über Glauben und Kirche kundgetan werden. Dabei hält er fest:

„Es war immer fordernd, katholisch zu sein – wer betet schon gern für seine Feinde? –, aber im Moment ist es besonders anstrengend.“

Ständig solle „man sich rechtfertigen oder schämen“ und sich beim Bekenntnis zum Katholisch-Sein, „Meinungen anhören, um die man nie gebeten hat“, beschreibt der Journalist seinen Missmut weiter und bringt diesen wie folgt auf den Punkt:

„Was mir zu schaffen macht, ist, dass man als Katholik von Menschen angegriffen wird, die sich weigern, sich mit der Logik meines Glaubens auseinanderzusetzen.“

Er fühle sich bei Diskussionen unverstanden bzw. gar „absichtlich falsch“ verstanden. Überhaupt erkennt er allgemein ein „Grundgefühl vieler konservativer Menschen, die nicht begreifen, warum sie in einer aller Tradition entleerten Gesellschaft auf einmal als problematisch wahrgenommen werden, warum ihre Sehnsucht nach christlichen Werten (hinter denen keine Interessen stecken) automatisch als patriarchal gebrandmarkt wird“.

In seinem Essay verdeutlicht Haberl die abnehmende Bedeutungslosigkeit des christlichen Glaubens, wenn er darlegt, „dass im Koalitionsvertrag der Ampelregierung die Buchstabenfolge »Christ« auf 178 Seiten nur ein einziges Mal vorkommt – in der Unterschrift des Finanzministers“. Oder wenn er davon berichtet, dass das Auswärtige Amt anlässlich des G7-Gipfels das 482 Jahre alte Kreuz aus dem historischen Friedenssaal im Münsteraner Rathaus entfernen ließ [Anmerkung: einen lesenswerten Artikel dazu gibt es HIER].

Haberl lässt in seinem Artikel erkennen, dass er im Bedeutungsverlust des Glaubens auch einen Werteverlust einhergehen sieht, wenn er seine Wahrnehmung beschreibt, dass ein Schwangerschaftsabbruch mittlerweile „eine unter allen Umständen zu gewährende Dienstleistung ist“. Er sei kein Abtreibungsgegner, jedoch als Mensch „jedes Mal wieder erschrocken“ über die Art und Weise in welchem „Jargon“ inzwischen über dieses Thema vielfach gesprochen wird. Man könne „gar nicht genug verzweifeln“, wenn Menschen in einem Embryo keinen heranwachsenden Menschen mehr erkennen können.

Seinen Glauben bezeichnet Tobias Haberl als Schatz. Dies beschreibt er besonders eindringlich, wenn er von einem Kirchenbesuch „an einem gewöhnlichen Dienstagabend“ berichtet und die erlebte Atmosphäre dabei u.a. wie folgt beschreibt:

„Ich werfe 50 Cent in den Opferstock, zünde eine Kerze an, bete, denke nach, betrachte eine Heiligenstatue, um dann wundersam erfrischt nach draußen zu treten, in den Verkehr und den Stress – was man halt so Freiheit nennt.“

Auch ist für ihn religiöser Pluralismus „ein großer Schatz“. So empfindet er es als Bereicherung, Menschen anderer Religionen sowie ihrer religiösen Ausübung zu begegnen.

In diesem Bewusstsein ist für Tobias Haberl das Verstecken seines Glaubens letztendlich keine Option. So erklärt er im Verlauf seinen Artikels:

„Lieber lasse ich mich bestaunen wie ein seltenes Tier im Zoo und bleibe im Gespräch.“

Quellen: sz-magazin.sueddeutsche.de, audioboom.com, sz-magazin.sueddeutsche.de (2), pg-murnau.de, deutschlandfunk.de

Hinweis: Im Oktober 2020 gab Tobias Haberl im Interview mit dem christlichen Medienmagazin Pro ein bemerkenswertes Plädoyer für den Glauben an Gott (wir berichteten). Darin erklärte er:

„Wer nicht mehr auf die Knie geht, jegliche Transzendenz entsorgt, Gott nicht kennt, wer nicht an das ewige Leben glaubt, ist auf sich selbst zurückgeworfen. Die Folge ist, dass er sich selbst der letzte Sinn ist, dass er ständig in Angst vor dem Ende lebt und krampfhaft versucht, sein Leben einzigartig zu machen und vor allem: aussehen zu lassen.“

Das Pro-Interview mit Tobias Haberl gibt es:

HIER