Foto: Immanuel Giel, Feidman 01, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Klarinettist Giora Feidman: „Gott gab mir das Talent, und ich mache meinen Job“

Der Klarinettist und Instrumentalsolist der Klezmer-Musik Giora Feidman, der aufgrund seiner Erfolge in der Musik als „König des Klezmer“ („King of Klezmer“) bezeichnet wird, gab anlässlich seiner Konzerte im Oktober in der Schweiz in Interviews mit der Neuen Züricher Zeitung und reformiert.info Einblicke in sein Gottesbild und Menschenbild.

Giora Feidman wurde 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer in Buenos Aires geboren. Mit 18 Jahren wurde Feidman Klarinettist am Teatro Colón in Buenos Aires. 1956 wanderte er nach Israel aus, wo er eine Anstellung als Bassklarinettist im Israel Philharmonic Orchestra bekam. Anfang der 1970er Jahre begann er seine Solokarriere als Klezmer-Musiker. Diesen Musikstil der jüdischen Volksmusiktradition, bei dem dem Körper als Instrument für ein Lied eine hohe Bedeutung zukommt, brachte Feidman aus den kleinen Kaffees auf die großen Bühnen der Welt.

Auch mit nunmehr 86 Jahren steht Giora Feidman auf den Bühnen dieser Welt und gibt Konzerte. Gegenüber reformiert.info erklärte er zu seiner Motivation:

„Gott braucht mich für diesen Job. Er gab mir das Talent, und ich mache meinen Job.“

 

Dass für sein Weltbild der Glaube an den Schöpfer bedeutend ist, hob der „King of Klezmer“ bereits im März 2016 im Interview mit der Berliner Morgenpost hervor. Damals berichtete er, dass sein Vater für seine künstlerische Entwicklung „ein sagenhafter“ Lehrer gewesen sei. Weiter führte er fort:

„Ich sag’ Ihnen was, da bin ich ganz sicher: Wenn Gott Ihnen ein Talent gibt, dann gibt er Ihnen auch Lehrer!“

Die Frage, ob für ihn alles durch eine höhere Macht bestimmt sei, beantwortete der Klarinettist mit: „Unbedingt.“ Hinsichtlich des musikalischen Talents in seiner Familie betonte er nochmals:

„Das ist eine Gabe von oben, die müssen wir gut behandeln. Wenn einer zu mir sagt: ‚Du spielst aber toll Klarinette‘, sag’ ich immer: ‚Den Job hat Gott mir gegeben!‘

 

Seine Profession als Musiker sieht Giora Feidman darin der Gesellschaft zu dienen, was er im aktuellen Interview mit reformiert.info wie folgt darlegt:

„Ein Klezmermusiker ist ein Diener der Gesellschaft – und zwar im Team, dort, wo er gebraucht wird.“

Mit seinem künstlerischen Wirken möchte er zu Frieden und Versöhnung beitragen. Dazu betonte er:

„Musik ist die Sprache der Seele.“

Musik sowie die Kunst im Allgemeinen besitzen seiner Ansicht nach die Möglichkeit, „Menschen zusammenzubringen“. Um dies in seinem musikalischen Wirken umzusetzen, spiele er in seinen Konzerten oft Gebete sowohl der jüdischen, der christlichen als auch der muslimischen Religion. So komme es vor, dass er als Jude ein muslimisches Gebet in einer christlichen Kirche spielt, schilderte Feidman an einem konkreten Beispiel.

Musik als „Sprache der Seele“ könne den Kampf überwinden, ist Feidman überzeugt. So werde ein Mensch, der sein Konzert besucht, „als anderer Mensch wieder nach Hause gehen“, weil seine Seele berührt wird. Der 86-Jährige ist sich dabei gewiss:

„Eine Seele kann die Türen von Millionen öffnen.“

 

Bereits im Mai 2011 erklärte der Klarinettist in einem Sendebeitrag im ORF, dass er in seinem künstlerischen Schaffen die Aufgabe sieht, Menschen durch Musik in die Lage zu versetzen, Liebe zu fühlen. Dabei betonte er:

„Musik ist ein Gebet ohne Religion.“

 

Gegenüber refomiert.info erklärte er aktuell, dass alle Musikstile, egal ob etwa Jazz, Klezmer, Klassik oder Tango, „die gleiche Sprache“ hätten, nämlich die Musik selbst.

Dass er heute vorwiegend in Deutschland lebt und mit seiner Musik auch hierzulande die Menschen inspiriert, sieht Giora Feidman nicht als Zufall, was er wie folgt beschreibt:

„Der Schöpfer hat mich nach Deutschland gebracht.“

Hier habe er erleben dürfen, wie nach den Grauen des 2. Weltkrieges Heilung in der Beziehung zwischen Deutschen und Juden eintrat und das Verhältnis zueinander zur Normalität wurde. Den Prozess der Beziehung zwischen Deutschen und Juden, zu dem er „vielleicht einen Beitrag“ geleistet habe, sieht Feidman als „das größte Zeichen der Menschlichkeit“.

 

Auch im Interview mit der Neuen Züricher Zeitung bezeichnete Giora Feidman die heutige Beziehung zwischen Juden und den Deutschen als „eines der schönsten Beispiele für Völkerfreundschaft überhaupt“. Nachdem das Verhältnis seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer weiter heilte, seien Deutsche und Juden heute für ihn sogar „fast so etwas wie eine Familie“.

Als Musiker habe er zu dieser Versöhnung einen Beitrag leisten können. Musik als Transportmittel der Versöhnung sieht er auch als Weg im Konflikt zwischen Israel und Palästina. So könnte seiner Ansicht nach durch „teilweise sehr enge Beziehungen zwischen der jüdischen und der arabischen Kulturszene“ der Friedensprozess gefördert werden.

Als Hindernisse im Prozess der Völkerversöhnung benennt Feidman im NZZ-Interview Antisemitismus und Rassismus, die er als Krankheiten bezeichnet, deren Ursachen in der Erziehung liegen. Danach gefragt, welche Lösung er sehe, verweist der 86-Jährige auf die Seele des Menschen. Dazu erklärte er:

„Wir sind alle Menschen, und wir Menschen haben eine Seele, die muss man ansprechen, darauf kommt es an.“

Leute, die Krieg führen hätten „vergessen, dass sie eine Seele haben“.

Erneut betont er in diesem Kontext die Musik als Weg zur Seele des Menschen. Seine Erfahrungen beschreibt er mit folgendem Beispiel:

„Wenn ich eine christliche Komposition wie «Ave Maria» spiele, dann erreiche ich die Leute ganz unabhängig von ihrem Glauben.“

Das sei genauso zu erleben, wenn er eine jüdische Komposition wie „Kol Nidre“ darbiete. Diese Erfahrungen führen dazu, dass er die Frage, ob er ein religiöser Mensch sei, wie folgt bejahe:

„Wenn Musik eine Religion ist, bin ich ein sehr religiöser Mensch.“

 

Über die Musik hinaus nimmt Giora Feidman den Schöpfer auch in der Natur und deren Schönheit wahr. So gibt er auf die Frage, warum er regelmäßig in der Schweiz auftrete, kund:

„Gott hat der Schweiz etwas ganz Besonderes gegeben.“

Wenn man die Schweizer Grenze passiere, nehme man „man sofort ein anderes Licht wahr, andere Farben“. Weiter empfindet er das Grün der Schweizer Wälder und das Blau der Seen in der Schweiz als einzigartig.

Quellen: refomiert.info, kathbern.ch, nzz.ch, tvthek.orf.at, planet-interview.de, morgenpost.de